San Francisco, Cal., den 20. September 1893.

Von Santa Cruz zurückgekehrt, hoffte ich hier ein Telegramm von Euch Lieben zu finden, leider vergeblich! Sollte mein Telegramm von hier verloren gegangen sein? Ich telegraphiere heute nochmals und erwarte Eure Antwort im Yosemite-Tale. Alle Briefe bestellte ich von New-York nach Los Angeles und dort hoffen wir die erste briefliche Nachricht aus der Heimat zu finden, Gott gebe, dass sie recht günstig lautet!

Die gestern zu den Riesenbäumen unternommene Tour war höchst interessant. Von Monterey fuhren wir in drei Stunden durch eine hochkultivierte Ebene nach Santa Cruz, ein nettes Städtchen an einer Meeresbucht. Während der Fahrt erregten größere Rübenfelder meine Aufmerksamkeit, gewiss, so dachte ich, für Futterzwecke bestimmt, aber in der Station Watsonville kam eine nicht unbedeutende Zuckerfabrik zum Vorschein, die auch im vollen Betriebe zu sein schien.


Schon 1870 wurde die erste Rübenzuckerfabrik in Kalifornien erbaut, ging aber bald zugrunde; die Maschinen wurden später nach Alvarado, am südlichen Ende der Bai von San Francisco, übersetzt, wo noch heute damit gearbeitet wird. Die Fabrik in Alvarado und die benachbarten Rübenfelder, durch welche wir auf der Heimkehr nach San Francisco fuhren, liegen nur wenig über dem Wasserspiegel und soll in manchen Jahren ein großer Teil der Felder überschwemmt sein. Das Rübenterrain ist dort überhaupt sehr beschränkt, da die Farmer von der Obstzucht größeren Nutzen erwarten; nur circa 1.500 Acres (600 Hektar) werden jährlich mit Rüben bestellt und nahe an 20.000 Tonnen geerntet, die in 100 Tagen verarbeitet werden können. Die Rübe wird mit 5 Dollars pro Tonne bezahlt und liefert eine Ausbeute von 9 bis 10 Prozent Kristallzucker, der mit circa 5% bis 6 Cents pro Pfund oder 27 ½ bis 30 fl. pro 100 Kilogramm direkt in den Handel gebracht wird. Melasse, Schnitten und Scheideschlamm finden so gut wie keine Verwendung.

Vor sechs Jahren beschloss ein Deutscher, Mr. R. Spreckels, der bedeutende Zuckerrohr-Plantagen auf den Sandwich-Inseln besitzt und den Zucker nach Kalifornien exportiert, den Bedarf jenes Staates im Lande selbst zu produzieren, und so wurde Watsonville als zweite Fabrik mit einer Einrichtung, die Mr. Spreckels aus Kolin in Böhmen bringen Hess, wieder in Betrieb gesetzt. Da die benachbarten Farmer wegen der Wein- und Obstkultur nicht genügend Rüben lieferten, pachtete die Fabrik näher am Meere mehrere Riesenfarmen von zusammen 1.500 Hektaren und legte eine Schmalspurbahn von 38 Kilometer an, die auch vom Publikum benützt wird. Sämtliche Handarbeit ist an die Chinesen in Akkord gegeben und bekommen dieselben bis in den Waggon gelegt 1,45 Dollars pro Tonne oder 37 kr. pro 100 Kilogramm, während wir für die gleiche Leistung vielleicht 16 kr. zahlen. Die Rübe von den kleineren Farmen wird mit 5 Dollars pro Tonne ab Fabrik übernommen. Die Fabrik ist ja so eingerichtet, dass sie täglich 700 Tonnen mit 24 Diffuseuren und 4 Vacuumpfannen verarbeiten könnte, aber sie ist bisher nur auf eine Rübenmenge von 40.000 Tonnen gekommen. Die Zuckererzeugung in beiden Fabriken wird kaum 6000 Tonnen überschreiten. Die ursprüngliche Idee Mr. Spreckels, den ganzen Zuckerbedarf des Westens in Kalifornien produzieren zu wollen, scheint derselbe aufgegeben zu haben, wenigstens wurden im nördlichen Kalifornien keine neuen Fabriken erbaut. So lange die Union für den im Lande erzeugten Zucker eine Prämie von 2 Cents pro Pfund oder 10 fl. pro 100 Kilogramm leistet, mag ja die Zuckerindustrie hier bestehen können, wird dieselbe aber einmal aufgehoben, so wird jene keine goldenen Früchte mehr tragen, besonders wenn alles erzeugte Obst auch in Zukunft schlanken Absatz finden sollte.

Der Stand der Rübenfelder bei Watsonville war zwar nicht ganz komplett, aber vollkommen grün. Wenn man bedenkt, dass es nur im Winter, niemals während der Vegetations-Periode regnet, so ist dieser gesunde Rübenstand Ende September ganz unerklärlich. Die Form der Rüben erinnerte mich an unsere Kapuvárer; sie waren übrigens sehr rein und gut geköpft. Die Ausbeute wurde mir mit 11 bis 15 Prozent, die Ernte mit 250 bis 300 Meterzentner pro Joch von einem mitreisenden Landwirte angegeben. Das Heizmaterial ist größtenteils Rottannenholz, das mit 350 Dollars für 128 Kubikfuß bezahlt wird.

Die Grundbesitzer akkordieren sämtliche Rübenarbeiten mit 1 Dollar die Tonne oder 24 kr. pro 100 Kilogramm, im Tagelohn wird 25 Dollars pro Monat nebst freier Kost gezahlt. Der Preis der Felder in der kleinen kalifornischen Ebene ist sehr verschieden, steigt aber bis 500 Dollars pro Acre oder 2700 fl. das Joch, es ist daher kaum zu erwarten, dass der Rübenbau dort große Fortschritte machen wird. Der Durchschnittsertrag von Körnerfrüchten aller Art wird mit 50 bis 70 Bushels pro Acre angenommen, was einer Weizenernte von 25 Meterzentner pro Joch entsprechen würde; das scheint mir übertrieben zu sein. Von den Weststaaten Kalifornien, Oregon, Washington, Arizona, Utah, Nevada und Idaho werden jährlich circa 6 bis 7 Millionen Meterzentner Weizen und 800.000 Meterzentner Mehl verschifft; von dem ersteren geht nicht ganz die Hälfte nach Europa, die andere Hälfte und der größte Teil des Mehles nach China, Japan und Süd-Amerika. Jetzt kostet der Weizen in Kalifornien 5 fl. 20 kr. pro 100 Kilogramm, Gerste 4 fl. 20 kr., Mehl 10 fl., Fleisch aller Gattungen 30 kr. pro Kilogramm, Butter 1 fl. 20 kr.; ein Pferd 250 bis 500 fl., eine Kuh 50 bis 100 fl., ein Maulesel 120 fl.

In Santa Cruz bestiegen wir die erwähnte Schmalspurbahn mit Dampfbetrieb und waren in 15 Minuten in einem bewaldeten netten Tale unter den Riesenbäumen. Man muss sie gesehen haben, um an ihre Größe zu glauben! Rottannen (Sequoia sempervirens) noch 30 Stück mit einem Durchmesser von 3 Meter; die größte hat einen Umfang von 21 Meter und 7 Meter im Durchmesser. Die Höhe dieser Riesen konnte ich nicht genau erfahren, sie beträgt aber gewiss circa 80 Meter, während der Stefansturm 138 Meter hoch ist.

Die Schmalspurbahn führte uns durch die herrlichsten Obst- und Weingärten zurück bis San Francisco. Die Ausdehnung der Obstkultur in Kalifornien, welches wohl 8.000 deutsche Quadratmeilen, aber nur 1.200.000 Einwohner besitzt, sowie die rasche Zunahme der Obstbauer ist überhaupt bewunderungswert. Das Land produzierte 1871 nur 9.000 Meterzentner Obst, im wenigen Jahren schon 500.000 Meterzentner, zu deren Beförderung 20.000 Waggons erforderlich sind. Tragen aber die sämtlichen 150.000 Joch Obstgärten, von denen die Hälfte noch zu jung sind, so werden selbst 100.000 Waggons zum Transporte der Ernte nicht genügen. Es sind bepflanzt:

14.000 Joch oder 8.000 Hektar mit Äpfeln
16.000 Joch oder 9.000 Hektar mit Birnen
4.000 Joch oder 2.250 Hektar mit Kirschen
3.000 Joch oder 2.000 Hektar mit Feigen
5.000 Joch oder 2.500 Hektar mit Oliven
40.000 Joch oder 22.000 Hektar mit Zwetschken und Pflaumen
50.000 Joch oder 30.000 Hektar mit Zitronen und Orangen
7.000 Joch oder 4.000 Hektar mit Mandeln
10.000 Joch oder 6.000 Hektar mit Wallnüsse,
zusammen:
159.000 Joch oder circa 86.000 Hektar, nur in Kalifornien ohne die übrigen westlichen Staaten.

Wir sahen überall volle Bäume, große Trockenanstalten, daneben Sägen für Tabletten aus Rottannen.

Die Ausdehnung der Obstkultur ist in vielen Teilen des Landes nur durch Bewässerung möglich geworden und sind namentlich in den großen Tälern der Sacramento und San Joaquin-Flüsse, auch in Süd-Kalifornien zusammen gegen 400 deutsche Quadratmeilen zur Bewässerung eingerichtet. Wir werden uns in dem San Joaquin-Tale in Fresno einen Tag aufhalten, um solche Anlagen kennen zu lernen. Es sollen in Kalifornien auch 3.500 artesische Brunnen zur Bewässerung verwendet werden.