Newport, den 11. August 1893.

Freitag den 11., Früh 4 Uhr, landeten wir in Newport und hielten unseren Einzug im Ocean-House; nach unseren Begriffen ein Kartenhaus, drei Stock hoch, ganz aus dünnen Holzwänden erbaut und mit allem Komfort versehen, aber brennen darf es nicht, sonst wird es ängstlich. Newport ist für Amerika ein Weltbad, mehr Leben, schönere Frauen, feinere Equipagen sind auch in Baden-Baden und im Bois de Boulogne etc. nicht zu finden. Das ist ein Leben und Treiben wie in einer großen Residenz und würden einem die Neger nicht überall in den Weg laufen, niemals glaubten wir in Amerika zu sein. Die Ufer des Meeres sind sehr felsig und bilden eine Menge kleiner Buchten. Auf dem hügeligen Terrain befindet sich eine große Villenstadt, wie sie schöner nicht gedacht werden kann. Meistens große, üppige, vorzüglich gepflegte Parkanlagen und Villen, von großen Schlössern angefangen, bis zu den zierlichen, kleinen Gebäuden, keine wie die andere und doch jede ein Edelstein der Baukunst, vom weißen Marmorpalaste des Vanderbilt bis zur kleinsten Villa, die nur aus Holz gebaut und mit roten Holzschindeln gedeckt ist. Hier wohnen die reichen Bostoner und New-Yorker Millionäre, hier haben sie ihre Sportvergnügungen in einem wunderbaren, obgleich aus Holz gebauten Lokale mit Ballsaal, Theater, Tennisplätzen etc. Nach Newport kommt während der Saison von Mitte Juli bis Ende August die höchste Aristokratie der Vereinigten Staaten. Um aber zu derselben zu gehören, genügt der Besitz von einigen Millionen nicht, wenigstens soll sie auch der Großvater schon verdient haben. Es gibt Familien unter ihnen, die ein Einkommen von 1 ½ bis 2 Millionen Dollars haben, wie Stewart, Vanderbilt, Astor, Mackey und Andere. Vanderbilt soll seinem Koch einen Gehalt von 20.000 Dollars, d. i. 50.000 fl., zahlen. Wie die Riesenvermögen verdient sind, ob als Eisenbahn-, Cattle- oder Farm-König, darum kümmert man sich nicht, oft genug mögen sie durch das Unglück der Mitmenschen entstanden sein. In einer Beziehung unterscheiden sich aber die Amerikaner sehr vorteilhaft von den erbgesessenen europäischen Millionären; Geiz und Egoismus sind ihnen unbekannt, sie rennen dem Dollar nach, sind aber fast verschwenderisch in ihren großartigen Stiftungen für das allgemeine Wohl, an die man überall erinnert wird. Gestern Abend war Ball, wir haben uns die Geschichte angesehen; einen Kranz von so schönen, eleganten und auf das feinste und prachtvollste angezogenen jungen Mädchen habe ich in meinem Leben noch nicht gesehen. Wunderbar sind die vollen langen Haare, die blendend weißen Zähne und die strahlenden Augen mit ihren langen Wimpern und starken Augenbrauen, die Figuren dagegen könnten zuweilen etwas voller, abgerundeter sein. Die ganze Gesellschaft schien sich gut zu kennen und ausgezeichnet zu unterhalten und tanzte vorzüglich, den Csardas ausgenommen, eleganter und besser als bei uns. Auch die männliche Jugend, meist groß, hübsch, kräftig und elegant, machte einen sehr günstigen Eindruck auf uns. Alte Herren fehlten gänzlich. Mamas waren nur wenige da. Weniger elegant ist das Seebad, schade, dass Herr Kuntze nicht die Badetücher, 25 Zentimeter im Quadrate groß, dafür aber grob genug, zu sehen bekommt, das macht aber nichts, die See ist wunderbar und die Sonne so heiß, dass man sofort wieder trocken wird. Das Baden an den Küsten von Neu-England wird aber im Allgemeinen nicht so fleißig wie in der Nordsee oder in Ostende betrieben, das Wasser ist in Folge der Polarströme zu kalt und der vom Lande kommende Wind meistens zu heiß. In unserem Hotel zahlen wir täglich pro Kopf 5 Dollars, haben einfache Zimmer, aber famose Betten und können den ganzen Tag essen, was uns beliebt. Unser Neger, durch 20 Cents ermuntert, sorgt für uns wie eine Mutter für ihre Kinder und das Menü ist so reichhaltig, dass wir noch nicht über die erste Seite hinaus gekommen sind. Getrunken wird Eiswasser oder 1 Flasche Bier von Milwaukee, das so gut wie das Wiener ist, aber 60 kr. die kleine Flasche kostet.

Mimi und Miss P. ergötzten sich den ganzen Tag an dem wunderbaren billigen Obste, namentlich Pfirsichen und Birnen, oder an den verschiedenen Limonaden, die es in reichster Auswahl gibt und famos zubereitet werden. Im Speisezimmer bedienen gegen 30 Neger, alle im Smoking und weißer Weste, ein Ober-Neger weist die Plätze an, ein anderer nimmt Hut und Stock in Empfang und fehlt auch bei 200 Gästen niemals, wenn er sie zurückgibt. So ein Neger bekommt monatlich 25 Dollars und die Kost, die Hausknechte, die die schweren Kisten schleppen müssen, 30 Dollars. Einer von ihnen erzählte mir, im Winter sei er in einer Brauerei für monatlich 60 Dollars, aber ohne Kost, beschäftigt. Gestern besuchten wir auch einen Polo-Match; die jungen Gentlemen reiten, in zwei Partien geteilt, auf Ponies und suchen im größten Galopp mit langen Stangen eine weiße Kugel auf dem Rasenboden ans Ziel zu rollen, jeder der streitenden Teile nach entgegengesetzter Richtung. So rollt die Kugel, je nach dem erhaltenen Schlage, bald dem einen, bald dem anderen Ziele zu; die Reiter folgen ihr in rasendem Tempo, wobei die armen Tiere, die fortwährend umgedreht werden und denen so manche Kugel an die Beine fliegt, schrecklich leiden müssen.


Morgen, Montag den 13. August, beabsichtigen wir eine Exkursion nach Boston zu machen; vorläufig sind wir weder auf einer Bahn gesessen, noch haben wir etwas vom Lande gesehen, da wir den Ozean kaum verlassen haben.

Für heute schließe ich, es ist Sonntag, wir wollen einige Kirchen besuchen, Gott gebe, dass alle Lieben, Groß und Klein, recht gesund und munter sind. Seid Alle tausendmal gegrüßt und herzlich umarmt.