Chicago, den 20. Oktober 1893.

Wir haben es gut getroffen, besonders Mimi ist entzückt davon, diese Woche ist die Kinderwoche in der Ausstellung, 10 Cents billiger und massenhaft strömen die Mütter mit Säuglingen und Bébés jeden Alters in die Worlds-Fair. Wohin man tritt, steht so ein unschuldiger Kinderfuß, die Boys mit ihrer mangelhaften Erziehung sind überall im Wege. Und ohne einen Esskorb tut's der Amerikaner nun einmal nicht, alle Bänke sind besetzt und es wird stark gefüttert, Körbe und Papiere fliegen auf die Erde und bilden eine Ausstellung für sich. Überhaupt eine schmutzigere Stadt als Chicago hat mein Auge noch nicht erblickt, d. h. so weit das Auge sehen kann, denn es herrscht hier ein Kohlenrauch, dass man ihn schneiden könnte. Als ich gestern aus der Fabrikgegend nach Hause kam und mich im Spiegel besah, glaubte ich, mein Schnurrbart sei schwarz gefärbt. Ich glaube, das Straßenputzen ist hier strengstens verboten, auch wüsste ich eigentlich nicht, wann es geschehen könnte, denn ein Besen findet nirgends Platz, so überfüllt sind alle Straßen von Wägen, Bahnen und Menschen. Gestern waren allein 750.000 Personen in der Ausstellung, darunter 68.000 Kinder! Die Worlds-Fair ist auch schon recht angeräuchert, die Wege beschmutzt, die Blumen vertrocknet, es ist Zeit, dass der 1. November kommt! Aber großartig ist dieselbe. Nun, die Amerikaner haben es zu Stande gebracht, die größte Ausstellung „in der Welt" zu besitzen; in Wien nahm dieselbe nur eine Fläche von 190 Joch, die Pariser 118 Joch, die hiesige 420 Joch in Anspruch.

Nicht New-York, sondern Chicago erhielt die Ausstellung, weil letzteres einen Beitrag von 10 Millionen Dollars offerierte. New-York war dann wütend, nicht weil es keine Ausstellung hatte, sondern weil sie in Chicago sein sollte. So besuchte der Osten auch anfangs die Ausstellung sehr wenig und erst zum Schluss derselben traten dann in Folge der kolossalen Preisermäßigungen aller Bahnen allerdings riesige Massenbesuche ein.


So groß wie ihre Fläche, so reichhaltig ist der Inhalt der Weltausstellung, so dass es für uns ganz unmöglich ist, alles zu sehen oder ein Urteil darüber zu fällen. Kann ich mich auf den Ausspruch Anderer verlassen, so darf man manches ungesehen lassen, ohne sein Gewissen zu belasten. Ich habe Ausstellungen genug besucht, aber jedes Mal die Beobachtung gemacht, dass in den einzelnen Abteilungen gewöhnlich die größere Anzahl der Besucher aus Bürgern desjenigen Landes bestand, welches jene Abteilung beschickt hatte. Man hört gewiss in keiner Gruppe mehr Französisch, Ungarisch, Russisch u. s. f., als in der französischen, ungarischen, russischen Abteilung. Ich für meine Person bin aber nicht nach Amerika gekommen, um Lobmeyr's Glas-, böhmische Porzellan, oder Wiener Perlmutterknöpfe zu bewundern, ich will Amerika kennen lernen. So habe ich auch konsequent die Augen geschlossen, wenn ich in einer ausländischen Gruppe der Worlds-Fair war, sie doppelt geöffnet, sobald Amerika ausgestellt hatte. Dennoch war es ja gar nicht möglich, sich in acht Tagen ein vollständiges Bild der Ausstellung zu machen, ich konnte nur wie an einer reichen Festtafel von jedem Gerichte etwas kosten. Die Amerikaner haben offenbar den größten Gewinn von ihrer Columbian-Ausstellung, sie haben in erster Linie sehr viel von den fremden Ausstellern gelernt und noch mehr Vertrauen zu sich selbst bekommen. Bei der rücksichtslosen Energie derselben ist mit Gewissheit darauf zu rechnen, dass die schlauen Yankees alles benützen, was sie Praktisches, Nützliches und Schönes kennen lernten und Europa bald in Vielem übertreffen werden.

Wir haben zwei Tage auf die Besichtigung des Fabrikgebäudes (Manufactures and Liberal Arts), von dessen Dache wir auch eine wunderbare Rundschau hatten, verwendet und Amerika besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Alles, was mehr eine praktische Richtung für die Bedürfnisse der Menschen verfolgt, ist größtenteils ausgezeichnet und sehr durchdacht, alles, was einen veredelten Geschmack in Betreff der Schönheit, der Formen und Farben verlangt, ist mangelhaft. Dennoch zeigen sich auch in dieser Richtung schöne Anfänge, so sehen wir herrliche Seidenstoffe, einige fein geschnitzte Möbeln, besonders Schmuck-Gegenstände, geschliffene Glas-Service etc.. die alle Anerkennung verdienen, wenn sie auch den französischen Geschmack nie erreichen werden. Reichhaltig und sehr beachtenswert war die amerikanische Ausstellung von Werkzeugen aller Art, Drähten, eisernen geschmiedeten Toren, Herden, Öfen, feuerfesten Gassen, Uhren und Nähmaschinen (von Singer). Die beiden letzten Objekte erregten besonders unser Erstaunen, es waren sämtliche Maschinen ausgestellt, welche die einzelnen Uhrenteile herstellen, so dass menschliche Arbeit fast überflüssig wird. So auch bei den Nähmaschinen, welche in den verschiedensten Formen vorhanden waren, eine derselben stickt z. B. in Seide aller Farben wunderbare Schmetterlinge und Blumen.

Sehr instruktiv war die amerikanische Schulausstellung, ein sprechender Beweis von der Ausdehnung, der großen Aufmerksamkeit und Gründlichkeit, mit denen die Erziehung der Kinder in den amerikanischen Schulen betrieben wird.

Das Fabrikgebäude hat in zwei Etagen eine Ausdehnung von 30 Joch, so groß wie eine Veszkenyer Ackertafel und ist vollgestopft, kein Wunder, dass wir am Abend des zweiten Tages müder als nach der Grand Colorado Canon-Tour waren! Herr v. Scanavi erbot sich in liebenswürdigster Weise, meinen Ladies am folgenden Tage alle Dummheiten der Midway-Plaisance, denen ich keinen Geschmack abgewinnen kann, vorzuführen, ich kehrte dagegen zu den Ochsen zurück.

Augenblicklich, gegen Ende der Ausstellung, besuchen täglich 15.000 Menschen den Viehmarkt und Mr. Armour's Schlächterei, wie die Schafe werden die Menschen zwischen gespannten Seilen durch die endlosen Räume geschleppt und sind hochbefriedigt, wenn sie nur den Massenmord der unglücklichen Tiere mit eigenen Augen gesehen haben. Mir konnte das natürlich nicht genügen, aber eine gute Empfehlung verschaffte mir in einem Beamten Mr. Armour's eine vortreffliche Soloführung, so dass ich alles so gründlich, als die Ausdehnung dieses Geschäftes es gestattete, sehen konnte.

Der Union-Stock-Yard in Chicago (der Viehmarkt) hat eine Fläche von 270 Joch und diese sind täglich mit Rindvieh, Schweinen und Schafen buchstäblich bedeckt. Der ganze Marktplatz ist in Einfänge eingeteilt, von denen jeder 30 bis 50 Ochsen fassen kann, die Eäume für Schweine sind meistens gedeckt. Täglich werden
10.000 Stück Rindvieh und mehr
30.000 Stück Schweine
6.000 Stück Schafe
300 Stück Pferde
aufgetrieben und verkauft.

Das Schlachtvieh in Chicago geht größtenteils in die großen Schlächtereien von Chicago oder zum Export von lebendem Vieh nach New-York oder sehr viel zur Weitermast an die Farmer der Mittelstaaten, die wenig Vieh züchten. Die Preise teilte ich schon in Kansas mit, das Rindvieh ist teilweise bedeutend fetter als dort, weil der Markt in Chicago von den Farmern der Mittelstaaten, die gut füttern, beschickt wird. Die Ochsen gehören auch hier beinahe ausschließlich der Natives-, weniger der Aberdeen-Angus-Race an und sind 5 bis 6 ½ Meterzentner schwer, die Schweine, Berkshire-Race, wiegen 100 bis 150 Kilogramm, unter den Schafen findet man alle möglichen Rassen vertreten und sind dieselben meistens wenig gemästet. Die sanitären Vorsichtsmaßregeln sind, mit Ausnahme gegen das Texasfieber, ungenügend.
Jährlich werden auf dem Chicagoer Viehhofe

3 ½ Millionen Ochsen,
8 ½ Schweine und
2 ½ Schafe

verkauft.

Von den drei Schlachthäusern ist das Armour'sche das größte, dann kommt das von Swift u. Co. und mehrere Andere. Hier kann ich vielleicht einige allgemeine Mitteilungen über die amerikanische Viehzucht, wie ich sie beobachtet habe, machen. Nach American Cattle, New-York 1887, wurde in Mexico schon wenige Jahre nach dessen Entdeckung 1525 spanisches Vieh eingeführt. Nach Virginien wurden 1610 Kühe von den westindischen Inseln durch englische Kolonisten importiert. New-York gründeten die Holländer 1614 und hatten heimisches Vieh mit sich. Auch Engländer, Schweden und Dänen kamen um jene Zeit in die Neu-England-Staaten und brachten ihr Rindvieh mit. Aus diesen Gemischen ist die heimische Rasse. (Natives) entstanden, aber in der Hauptsache enthält dasselbe englisches Blut. Das Texasvieh, welches von den Spaniern zuerst nach Mexico eingeführt wurde, ist bereits vielfach durch französisches Vieh aus Louisiana, durch das einheimische und hauptsächlich durch Shorthorn gekreuzt. Ich habe einen großen Teil von Nordamerika kennen gelernt, Hess nirgends ein Stück Rindvieh unbeachtet an mir vorüberziehen, habe die Ausstellung von Rindvieh in Chicago gesehen, war auf den großartigen Viehhöfen in Chicago, Kansas und anderen Städten, bin durch riesige Weidestrecken gefahren, im Großen und Ganzen habe ich nur einen Rindviehschlag gesehen: Kreuzungen von Shorthorn, dem Breitenburger Schlage in Holstein am ähnlichsten. Vereinzelt sah ich außerdem in Kanada und Kansas das hornlose schottische Vieh, Aberdeen-Angus, auch Herefords, zahlreicher in Kanada und in den östlichen Staaten bis zum Mississippi für Molkereien, namentlich Butter, Jerseys, die etwas größer als in ihrer Heimat zu sein scheinen. Die Amerikaner zahlen große Summen für importierte Tiere aus England zur Aufbesserung ihrer Zuchten, allein der größte Teil des Weide-Rindviehstandes im Westen ist zu großen Unbilden in den Steppen ausgesetzt, um sich so günstig als unser Vieh entwickeln zu können. Erwähnen möchte ich, dass ich das reine Texasvieh weder in den Prärien von Arizona, New-Mexico und Colorado, noch auf den großen Märkten aus den Herden herauszukennen vermochte. Ich sah in Arizona Rinder mit eleganten Formen, etwas längeren spitzen Hörnern, in ihnen war vielleicht das Texasblut vorherrschend, aber reinblütig war es sicher nicht. Das Texasvieh stammt von den Spaniern, soll gesund und genügsam, aber nicht fleischreich sein. Früher wanderte dasselbe im Frühjahre weidend von Texas gegen Norden durch Colorado, Wyoming, Montana, nach Oregon, wo es im Herbste fett ankam. Jetzt ist es teils durch französisches Vieh aus Louisiana, teils durch Shorthorn gekreuzt, hat das Ansehen des übrigen Steppenviehes und wird entweder nach Kalifornien oder in die Mittelstaaten zur Weitermast an die kleinen Farmer per Bahn versendet.

Ich habe nicht sämtliche 51 Millionen Schweine in Amerika, aber eine ganz anständige Summe davon gesehen und kann daher sagen, dass hauptsächlich Berkshires gezüchtet werden. Es sind ja durch längere Zuchten inländische Rassen entstanden: Poland, China, Duroc, Jerseys, Victorias, Cheshires und ehester Wites, aber die Grundlage waren Berkshires. Einen sehr wohltätigen Einfluss auf die Veredelung der Schweine haben die bestehenden 17 Herdbuch-Gesellschaften genommen. Für Berkshire bestellt z. B. ein eigenes Herdbuch, das mehr als 15.000 Pedigrees enthält. Auch die Versuchs-Stationen haben sich mit dieser Frage beschäftigt und sehr viel zur Belehrung der Farmer in der Schweinezucht beigetragen. In Washington besteht ein eigenes Amt (of animal industry), welches die Verhinderung der Seuchen befördert und den Schweinehandel überwacht. Die größtenteils mit dem Dünger des Rindviehes stattfindende Fütterung, die massigen Eisenbahntarife und die sehr billige Massentötung in den Schlachthäusern machen die amerikanische Konkurrenz möglich; ich glaube, wir ungarischen Landwirte haben mehr das amerikanische Vieh als den amerikanischen Weizen zu fürchten, kehren wir daher zum Chicagoer Stock-Yard zurück. Die verbaute Fläche bei Armour beträgt 12 Joch, 12.000 bis 15.000 Arbeiter und 800 Beamte sind darin beschäftigt, die Schlächterei hat eine elektrische Bahn von 9 Kilometer Länge, 900 Zugpferde und 3.500 eigene Eisenbahnwaggons, unter diesen 3.200 Waggons mit Eiskühlung nach einem eigenen System, in dem ganzen Geschäfte sind 20 Millionen Dollars investiert.

Armour schlachtete 1892 durchschnittlich täglich, ohne Kansas-City zu rechnen:

3.000 Ochsen,
6.000 Schweine,
2.000 Schafe und mit der Kansas-City-Schlächterei zusammen in 1892:
1.650.000 Ochsen,
2.550.000 Schweine,
640.000 Schafe.

Ein alter Leitochse führt die Ochsen, ein Ziegenbock die Schafe zur Schlachtbank. Es ist erstaunlich, wie ruhig und schnell sich der ganze Prozess abspielt. Ein bis zwei Hammerschläge töten den Ochsen, ist das Tier noch nicht tot, bekommt es noch einen Schuss. Der Ochse ist im Nu aufgezogen und geht nun an einer eisernen Stange von Hand zu Hand, wird abgezogen, nachdem Kopf und Füße abgetrennt sind, in zwei Hälften geteilt, die in den großen Kühlräumen 24 Stunden aufgehängt bleiben und dann in Eiswaggons ins ganze Land an die Fleischhändler oder ins Ausland versendet werden. Die Häute werden gesalzen, liegen einige Wochen in Haufen von 3 Fuß Höhe gepackt und gehen dann in die Gerbereien, viele nach Afrika und England. Das Blut wird zu Kunstdünger verarbeitet, die Abfälle kommen in eine eigene Leimfabrik. Alles Fett wird sorgfältig ausgelassen, gereinigt und mit einem Zusatz von Sahne zu Butter verarbeitet, so reinlich, so wohlschmeckend, dass sie es mit jeder Kuhbutter aufnehmen kann. Die Verpackung erfolgt in Papier à ½ Kilogramm oder in kleinen Fässern à 30 Kilogramm, Preis 80 kr. pro Kilogramm, während Kuhbutter hier 1 fl. 40 kr. kostet. Außerdem werden aus dem allerbesten Fleische Konserven (meistens für fremde Armeen), Fleischmehl und -Extrakt gemacht, von denen ich ein Muster mitbringe. Zu 1 Kilogramm Fleischextrakt sind 45 Kilogramm vom besten Fleische erforderlich; 12 kleine Büchsen kosten netto 10 fl. oder 4 Dollars.

Die an einem Hinterbeine aufgehängten Schweine werden mit einem Schnitte durch den Hals getötet, kommen in siedendes Wasser, werden in einer äußerst sinnreichen Maschine vollkommen rasiert und als halbe Schweine wie die Ochsen in den Handel gebracht oder mit Hilfe ausgezeichneter Maschinen zu Würsten verarbeitet. Auch geräucherte Schinken werden fabriziert und das Fett fest oder flüssig verkauft.

Ich bin vollkommen überzeugt, wenn man sicher ist, Armoursches Fabrikat zu bekommen, kann man dasselbe mit gleichem Appetite und derselben Beruhigung genießen, als wäre es in der eigenen Wirtschaft gemästet und zugerichtet. Wie einfach, praktisch und billig ist der ganze Fleischmarkt in Amerika eingerichtet! Vergleichen wir denselben einen Augenblick mit dem unseren. Welche Kosten und Menschenkraft ist erforderlich, bis ein Fleischhauer in Europa, sei er auf dem Lande oder in der Stadt, einen Ochsen erwirbt und verkaufen kann, und wie vergeudet werden die Abfälle, kein Wunder, wenn uns bald auch das amerikanische Rindfleisch erfolgreich Konkurrenz machen wird.

Das Haus Armour, eines der größten in der Welt, besitzt auch in Chicago das ausgedehnteste Geschäft in Weizen und Korn, es ist jeden Tag bereit, 30.000 bis 300.000 Meterzentner Frucht in einem Schlüsse zu geben oder zu nehmen. So Hess ich mir von der Schlächterei eine Empfehlung an die Getreide-Abteilung geben und ein Oberbeamter derselben führte mich in seinem Wagen mit der größten Liebenswürdigkeit zum Chicagoer Getreide-Umschlagplatze. Nicht am Michigan-See, sondern in der Mitte der Stadt, an einem Kanal des Chicago-Flusses liegen 30 Getreide-Elevatoren größter Konstruktion, in denen das Getreide des Nordens und Nordwestens, sowie aus den Nachbarstaaten von Chicago angesammelt und weiter in die ganze Welt versendet wird. Ein sehr liebenswürdiger Chef der Frachtenabteilung der Nordwest-Pacificbahn hat mir eine Menge Frachtpreise von Vieh und Getreide zusammenstellen lassen. Das Tarif-Prinzip ist bei allen amerikanischen Bahnen annähernd gleich und Refaktien an Einzelne zu bewilligen, ist ungesetzlich. Diesen Daten entnehme ich, dass der Meterzentner Körner bei einer Entfernung aus dem Weizenlande Dakota bei 1000 Kilometer Entfernung bis Chicago circa 1 Gulden kostet, um so viel weniger bekommt der Farmer für seine Produkte. Von den 30 Elevatoren besitzt Armour sieben mit einem Fassungsraum von je 225.000 Meterzentner bis 1 Million Meterzentner, zusammen mit 4 Millionen Meterzentner Weizen oder Korn, 150 Waggons können täglich in jeden Elevator geladen werden. Auch besteht noch ein eigenes Haus für Putzerei, in dem fremde Frucht je nach der Reinheit für 2 bis 8 Kreuzer pro 100 Kilogramm geputzt wird. Der größte Elevator wurde im vorigen Sommer bei den außergewöhnlichen Ernteaussichten in 40 Tagen mit 1200 Arbeitern bei elektrischem Lichte für 1 Million Gulden erbaut, ein Riesenwerk! Mit dem Öffnen eines einzigen Hahnes kann das ganze Gebäude unter Wasser gesetzt werden.

Aber nicht alles Getreide in den angefüllten sieben Elevatoren gehört Armour. Derselbe vermietet auch einzelne Abteilungen derselben (Sheepers oder Receivers à 300 Meterzentner). Der Besitzer zahlt: Für die ersten zehn Tage ¾ Cents pro bushel oder 10 kr. pro 100 Kilogramm und für die zweiten zehn Tage und so fort 5,3 Kreuzer. Er erhält sogenannte Warrants, die er belehnen lassen oder weiter verkaufen kann.

Von Chicago geht das Getreide in die ganze Welt, im Winter per Bahn, im Sommer über den See bis Buffalo und auf dem Erie-Kanal nach New-York und weiter. Die Schiffsfracht beträgt je nach Konjunktur zu Wasser nach New-York pro 100 Kilogramm 43 Kreuzer, per Bahn in den Wintermonaten 66 Kreuzer; von New-York nach Liverpool 80 Kreuzer. Die Farmer haben, wie ich erwähnte, 1 Gulden Fracht bis Chicago, 1 Gulden 23 Kreuzer bis 1 Gulden 46 Kreuzer Fracht bis Liverpool; hierzu noch 10 bis 20 Kreuzer Spesen, so kostet der Doppelzentner von den amerikanischen Erzeugungsplätzen bis Liverpool circa fl. 2 ½ Ein Meterzentner Weizen kostet heute in Chicago 5 Gulden, daher an den Produktionsplätzen nicht viel über 4 Gulden. Das ist ein Preis, der auch den amerikanischen Farmern nicht mehr konveniert und eine Verminderung des Anbaues veranlassen dürfte. Alter Mais kostet heute 4 Gulden 60 Kreuzer in Chicago.

Der Vertreter Armours ist der Ansicht, dass das Frühjahr höhere Preise bringen werde, da die Ernte in Amerika nicht gut gewesen sei und die bisherigen starken Verschiffungen eine Folge der Geldnot waren. Er meinte auch, eine bedeutende Zunahme der Weizen-Produktion sei in Zukunft in Amerika nicht zu erwarten.

Jeder freie Augenblick wurde selbstverständlich in der Ausstellung zugebracht. Auch Chicago genießt dieselbe mit vollen Zügen, ob man schließlich von einem Waggon-Robber ausgeraubt wird oder für eine kleine Scheibe Schinken und ein Glas Bier 2 Gulden und für ein sehr einfaches Diner mit Eiswasser im Wellington-Hotel 5 Gulden bezahlen muss, bleibt für uns dasselbe. Heute nachmittags sahen wir „America" im Auditorium-Theater mit 4.000 anderen Besuchern. Eine Allegorie von Amerikas Entdeckung bis zur heutigen Weltausstellung mit Gesang, Tanz und der großartigsten Ausstattung, die wir je gesehen; meine Damen waren entzückt davon. Das wird aber auch wohl alles sein, was wir von der Stadt Chicago sehen werden. Man sagt ja, sie habe auch schöne Stadtteile mit großen Parks und reizenden Villen-Straßen, aber dieselben liegen viel zu entfernt, so dass ihre Besichtigung beinahe eine eigene Reise erfordert. Kürzlich war ein Jäger aus Chicago einige Stunden mit der Bahn gefahren, um zu jagen. Die Jagdbeute war gering, ermüdet will sich der Nimrod auf einen behauenen Stein setzen, als er ihn etwas näher besichtigt, findet er auf demselben 210 Street eingraviert, er hatte also noch in Chicago gejagt. Chicago wird auch im Munde des Volkes die Scheidemühle genannt, weil die Ehen hier am leichtesten geschieden werden. Wer sich für dieses Fach interessiert, möge Claudio Jannet lesen. Jeder Staat der Union hat seine eigenen Ehegesetze, die einander in Gründen für eine Ehetrennung überbieten, sie öffnen derselben Tür und Tor. Am ehrlichsten ist noch das Gesetz im Staate Washington, welches sagt: „Es ist die Scheidung wegen jedes vom Gerichtshofe für zulässig erklärten Grundes erlaubt, wenn dieser der Ansicht ist, dass die Parteien nicht mehr zusammen leben können." Im Staate New-York ist die Scheidung nur wegen Ehebruches, in Süd-Carolina überhaupt nicht gestattet, das geniert aber unzufriedene Eheleute sehr wenig, eine Reise in die Scheidemühle oder in einen anderen Staat genügt, um sich trennen zu können. Nach Caroll D. Wright sind von 1867 bis 1886 328.716 Ehescheidungen, jährlich 16.000, erfolgt. Je nach den verschiedenen Staaten kommt auf 13 bis 30 Eheschließungen eine Scheidung vor und diese würden noch zahlreicher sein, wenn sich nicht die katholische Religion immer mehr verbreiten und deren Gebot als Schutzwall gegen die Zunahme der Scheidungen dienen würde.