Zeitungen/Journale in den Vereinigten Staaten

Die periodische Presse der Union zählt gegenwärtig fast 3000 Blätter – eine ungeheure Zahl! Ein Blatt auf 8000 Einwohner! Ende 1851 waren 2800! vorhanden, 2000 in den sogenannten freien und 800 in den Sclavenstaaten, 850 gehörten der Whigpartei, 750 der demokratischen Partei an, 70 waren gegen das Sclaventhum, 20 für den Ackerbau, 40 für die Mäßigkeitssache, 200 kirchlichen und religiösen Inhalts und 870 ohne besonderen Charakter. Im Staate Newyork erschienen davon 443, in Pennsylvanien 348, in Massachusetts 212 und im Staate Ohio 300, in Californien bereits 25.

An deutschen Zeitungen erscheinen über anderthalb Hundert, Pennsylvanien zählt deren 47, Ohio 28, Newyork 23, Missuri 12, Maryland 9 und Wisconsin 8, Unter diesen giebt es 27 tägliche, 3 dreimal wöchentliche, 6 zweimal wöchentliche, 100 einmal wöchentliche. Es giebt 90 demokratische deutsche Blätter, also fast zwei Drittel der ganzen Zahl, 13 Whigblätter, 12 politisch farblose, 2 communistische, 8 ultramontane, 10 kirchliche, 9 antikirchliche Blätter, Soviel von der Statistik der nordamerikanischen periodischen Presse, die wir nunmehr nach ihrem Aenßern und Inhalte näher charakterisiren wollen.


Wir unterscheiden zunächst englisch- und deutsch-amerikanische Blätter.

Die englisch-amerikanischen Blätter unterscheiden sich von den Zeitungen Deutschlands sowohl nach Form als nach Inhalt. Die erstere ist durchgängig ein großer Foliobogen, der nach Größe und Güte den grandiosen Namen Extra-Mammuths-, Mammuth-, Imperial-, Royal-Bogen genannt wird. Das Blatt wird nur einmal zusammengelegt; ihre Größe steigt bis zu 3 Fuß Höhe und 4 Fuß Breite – wahre Mammuthsblätter. Das Papier ist ohne Ausnahme weißer und besser als das der deutschen Zeitungen, die Typen neu und scharf, die Correctur schlecht; denn man ist hier in jedem Geschäfte gewohnt, nicht mit dem Material, wohl aber mit der Zeit und Arbeit zu geizen. Wenn in Deutschland vielleicht von 20 Pressen nur eine mit dem Zeitungsdruck beschäftigt ist, wozu man abgenutzte Schrift und schlechtes Papier benutzt, so ist hier in den Vereinigten Staaten die Zeitung die Hauptbeschäftigung für die Presse. Es wird keine neue Druckerei errichtet,“ welche nicht zugleich mit der Herausgabe einer neuen Zeitung begönne. Die Folioseite ist gewöhnlich in 4 bis 8 Spalten abgetheilt, die meist auf den ersten und letzten Seiten des Blattes und nicht selten auch innen auf der dritten Seite, nichts als Anzeigen enthalten. Diese Anzeigen sind für einen großen Theil der Lesewelt in einem Lande, wo Handel und Wandel das Streben der ganzen Bevölkerung bilden, die Hauptsache, und ein guter Zeitungsdrucker sucht sie deshalb auch möglichst augenfällig zu machen und auszuschmücken. Die ungeheure Menge solcher Anzeigen gebietet zwar dictatorisch engen und kleinen Druck, dafür hilft man sich aber theils mit prachtvollen Ueberschriften, theils mit Vignetten.

In den größten Handelsstädten sind die kaufmännischen Anzeigen alphabetisch geordnet und hier muß man sich freilich mit einem großen Anfangsbuchstaben begnügen; außerdem treten aber die breitesten und schönsten Etiketten in Versal-, Lapidar-, gothischen und anderen Schriften in ihr volles Licht. Der Kaufmann prahlt mit seinen „Dry-Goods“, „Spring –Goods“; ihm folgt der Speculant und setzt hinter sein „Land! Land!“ 3 bis 4 Ausrufungszeichen; der Arzt kündigt sich nicht selten mit der Verwahrungsformel: „Keine Quacksalberei!“ an und läßt darauf ein Dutzend Panaceen und „Mittel gegen Alles“ folgen, wovon jedes gleich unfehlbare Wirkung thut. Die Vignetten sind sauber gearbeitete Bleischnitte oder Güsse, durch deren Schönheit ein Blatt das andere zu übertreffen sucht. Der Haarkräusler steht auf einem Postament und träufelt aus seinen Fläschchen von der „unschätzbaren Haartinctur“; gebeugt und glatzköpfig nahen von der einen Seite die Hülfesuchenden; aber kaum ist der Himmelsthau auf sie gefallen, so stolzirt der dickbauchige Banquier mit schwellendem Kraushaar auf der anderen Seite davon, und die kokette Miß schlägt sich die bis zum Knöchel herabwallenden Locken in glänzende Flechten. Des Arztes Beruf stellt eine hübsche Landschaft mit der Scene des barmherzigen Samariters dar; der Zahnarzt wählt eine Schnur falscher Zähne; Pferde, Rindvieh, entlaufene Sclaven, Meubles, Ofen, Kochheerde – Alles kommt in bunter Mischung durcheinander in den Zeitungsspalten.

Die Reihen dieser Anzeigen, zugleich mit dem Register der Marktpreise, des Abgangs und der Ankunft der Dampf- und Packetboote überblickt der Geschäftsmann zuerst, schnell und leicht, theils wegen der angegebenen Hervorhebung derselben, theils auch, weil jedes Blatt noch eine andere bestimmte seinen Lesern bald gewohnte Ordnung angenommen hat. Die Anzeigen theilen sich nämlich in stehende und wechselnde. Jene bleiben das ganze Jahr hindurch in den Blättern und enthalten meist Firma, Wohnung und bleibende Artikel und Beschäftigungen des Handelsmanns, Fabrikanten, Arztes und Advokaten u, s. w. Keiner von diesen unterläßt es leicht, eine solche stehende Anzeige in einer oder mehreren Zeitungen zu bezahlen. Diese Anzeigen werden auf einem bestimmten Raum zusammengerückt, und wer sie einmal gelesen hat, sieht sich der Mühe überhoben, die ganze Rubrik von Namen dnrchzusehen. Sind aber diese Anzeigen neue oder vorübergehende, so findet man sie ebenfalls auf einem ein- für allemal dafür bestimmten Ort.

Solche Anzeigen enthält jedes Blatt, sei es politischen, belletristischen oder kirchlichen Inhalts; denn auch die Kirche verschmäht hier nicht den irdischen Tand und die Schätze und das Geld dieser Welt. Ein Schatz sind sie aber in der That; denn nach ihrer Menge berechnet der Leser den Werth des Blatts und der Herausgeber seinen reinen Gewinn, während er zufrieden ist, wenn durch die Zahl der Subscribenten n ur seine Unkosten und baaren Auslagen gedeckt werden.

Der übrige Theil des Blattes zerfällt in entlehnte und Originalartikel, welche des schnelleren Ueberblicks wegen ebenfalls wieder ihre geschiedenen Plätze einnehmen. Jedes Blatt hat, meist auf der ersten Seite innen, seine besondere Rubrik, worunter außer den Originalaufsätzen der Redaction alle besonderen auf die Stadt, County und Staat des erscheinenden Blattes bezüglichen Bemerkungen und Nachrichten aufgenommen werden, oder, wenn sie zu groß sind, wenigstens ihr Vorhandensein in anderen Spalten angezeigt wird. Auch auf andere entlehnte Artikel, besonders die dem Herausgeber für seine Parteizwecke wichtig erscheinen, wird hier der Leser noch besonders aufmerksam gemacht.

Was die Verbreitung der Blätter und ihre Unterstützung Seitens des Publikums betrifft, so stehen die amerikanischen in einem günstigeren Verhältniß als die europäischen. Es ist Grundsatz, und die ganze Verfassung der einzelnen und Vereinigten Staaten ist darauf gegründet, daß Alles, was geschieht oder geschehen soll, öffentlich verhandelt werde. Das Publikum verlangt über Alles Aufklärung, weil es sich über Alles ein Urtheil erlaubt. Da ist kein Candidat zu irgend einem Amte, der nicht vorher die Grundsätze, wonach er handeln will, bekannt macht; da ist kein Gesetzvorschlag, der nicht vor aller Welt besprochen würde; da ist kein größeres Unternehmen der Nation oder der Compagnie, sei es ein Areal- oder Eisenbahnproject u. dgl., dessen Plan nicht jeder Bauer vorher prüfen will, ehe er einen Cent dazu hergiebt. Kein Grundsatz würde hier mehr verabscheut werden, als der europäische: „Schuster bleib bei deinem Leisten!“ Jeder ertheilt über Jedes Rath oder will wenigstens die Möglichkeit geboten wissen, seine berathende und entscheidende Stimme dazu zu geben.

Dieses Verlangen, von der einen Seite Alles zu wissen und zu berathen, was vorgeht, und die Nothwendigkeit von der anderen Seite, Alles vorzulegen, was geschehen soll, hat die so außerordentliche Zahl und Verbreitung der öffentlichen Blätter in den Vereinigten Staaten hervorgerufen, die von der Regierung nicht weniger als vom Volke unterstützt werden.

Unter diesen Unterstützungen Seitens der Bundesregierung ist die Herabsetzung der Postgelder zu nennen. Eine andere directe Unterstützung wird den Zeitungen dadurch, baß die Regierungen der einzelnen Staaten und die Verwaltungsbehörden der Union, wie der Bezirke und Städte ihre amtlichen Bekanntmachungen nicht in einem, sondern in mehreren Blättern – ohne Unterschied der Parteifarbe – einrücken lassen und diese Insertionen sehr anständig bezahlen. Auch die Herausgeber der Zeitungen begünstigen selbst gegenseitig ihr Geschäft durch ein nachahmungswürdiges Übereinkommen. Sie senden sich nämlich gegenseits ihre Blätter zu, und sind meist liberal genug, keine Rücksicht darauf zu nehmen, ob sie vielleicht ein täglich erscheinendes Blatt gegen ein wöchentliches u. s. w. austauschen. Man findet ans diese Weise in vielen Zeitungsexpeditionen mehrere Hundert solcher Wechselblätter, die nichts kosten, als eine gleiche Anzahl der eigenen Zeitung.

Eine weitere Unterstützung der Blätter kommt von den Parteien, in deren Interesse sie geschrieben sind. Es ist nicht selten, daß, wenn in einem Orte ein Blatt der einen Partei erscheint, welches großen Einfluß auf die Bewohner der Umgegend zu gewinnen droht, die andere Partei mit großen Opfern ein Gegenblatt gründet und aufrecht hält. Man findet daher selten einen kleinen Ort, wo nur ein Blatt erscheint; die Opposition schafft gewiß bald ein zweites. Die Hauptstütze findet das Zeitungswesen endlich in dem Sinne und der Gewohnheit des ganzen Publikums; denn man liest hier viel und läßt viele Anzeigen einrücken. Es giebt wenige Amerikaner, die nicht eine oder mehrere Zeitungen hielten; es giebt aber viele, die 6 und 10 bezahlen und zwar für sich allein, da es nicht gewöhnlich ist, daß ein Dutzend Familien oder ganze Dorfschaften zum Halten eines Blattes zusammentreten. Auf diese Art wird nöglich, daß viele Herausgeber in den Vereinigten Staaten 10–60,000 Exemplare ihrer Blätter absetzen, und das in 3 der größeren Staaten der Union vielleicht so viele verschiedene Zeitungen erscheinen, wie in allen Ländern Europas zusammengenommen

Die deutsch-amerikanischen Blätter zerfallen in zwei Hauptklassen. Die erste Klasse, bei weitem die zahlreichste, begreift diejenigen Zeitungen, welche vorzugsweise für die älteren, seit geraumer Zeit eingebürgerten Deutschen und deren Nachkommen geschrieben werden, und die man gewöhnlich die pennsylvanisch-deutschen Zeitungen heißt. Die zweite Klasse findet ihr Publikum unter den deutschen Einwanderern der letzten Jahrzehende.

Sie erscheinen der größeren Zahl nach nur einmal in der Woche; die pennsylvanischen sind ihrem Aeußern nach weniger empfehlend als die amerikanischen; ihr Papier ist kleiner und von geringerer Sorte, obwohl immer noch in Royal- oder Superroyalformat. Die Schrift taugt wenig; bei vielen ist sie, besonders in den unterhaltenden Aufsätzen, so groß, daß sie der Großvater allenfalls am Kaminfeuer lesen kann und von dem Schnitte, wie man sie iln alten Gesangbüchern und Hauspostillen findet. Zuvörderst beginnt jede Nummer mit Geschäftsanzeigen, ihnen folgt gewöhnlich, wenn nicht gerade öffentliche Documente zu publiziren sind, der belletristische Theil der Zeitung, Erzählungen und dergl., aus deutsch-europäischen Zeitungen meist entlehnt. Dann kommen die politischen Neuigkeiten des In- und Auslandes, meist aus den neu angekommenen Zeitungen des Mutterlandes abgedruckt, und diesen schließen sich vermischte Nachrichten und Miscellen an. Unter einer neuen Rubrik findet man sodann auf der zweiten und dritten Seite die Originalartikel der Herausgeber und Mitarbeiter, und das Ganze schließt, wie es begonnen, mit einer bunten Reihe von bunten Anzeigen.

Soviel über die äußere Gestalt und Einrichtung dieser Zeitungen. Ihr Preis ist durchschnittlich 1– 2 Dollars jährlich; dafür kann sie zwar jeder Bewohner ihres Bezirks halten, die Herausgeber könnten aber dabei nicht bestehen, wenn nicht theils die Aufnahme der Parteiartikel, theils die Publicirung öffentlicher Documente, Inserate u. s. w. sehr gut bezahlt würde.

Werfen wir nun einen Blick auf den Charakter dieser Blätter hinsichtlich ihrer Politik und ihrer der Unterhaltung gewidmeten Aufsätze. Es ist schon erwähnt, daß ihr Entstehen vorzüglich dadurch veranlaßt ward, daß die Deutschen zu Bürgern und daher stimmfähig geworden waren. Die Zeitungen sollten ihre Stimmen leiten. Da aber die Herausgeber selbst kaum ein Urtheil in den die Tagesereignisse betreffenden Fragen hatten, oder da sie sich wohl aus Eigennutz dahin neigten, wo sie die meiste Unterstützung ihres Unternehmens zu erwarten hatte; so war gleich von vornherein der Charakter dieser Blätter entschieden. Sie wurden – mit einigen Ausnahmen – blinde Werkzeuge in der Hand der sie unterstützenden Parteien. Ja, wenn es ausgemacht ist, daß nur Bildung die Leidenschaftlichkeit mäßigt und Sinn für Gerechtigkeit fördert, so war es kein Wunder, wenn sie an Heftigkeit selbst die englisch-amerikanischen Blätter und Parteizeitungen übertrafen, die im Durchschnitt von einsichtsvollen Männern herausgegeben werden.

Politische Originalartikel findet man darin nur wenige; gewöhnlich bringen sie gehorsame Uebersetzungen und Auszüge der von ihrer Partei bezeichneten Hauptartikel über die wichtigsten Tagesfragen, und wenn sie sich ja eigene Sprache erlauben, so ist dies ein Erguß von Schmähreden und ständig angenommenen Schimpfworten auf die Gegenpartei. Zu den feineren Redensarten und versteckten Seitenhieben der Amerikaner wissen sie sich nicht zu bewegen; sie schlagen ihren Gegner und Widersacher mit dem Flegel auf den Kopf.

Mit der Einwanderung der letzten Jahre trat für die deutschen Zeitungen eine neue Aera ein. Da diese Einwandernng aus ganz anderen Elementen bestand, als die frühere, so machte sie einerseits auch andere Ansprüche an ihre Organe; andererseits waren fähigere Männer in ihrer Mitte, die Besseres leisten konnten. Es war nicht mehr die Klasse der Bevölkerung Deutschlands, die durch unmittelbar drückende Noth zur Auswanderung getrieben worden, noch waren es Menschen, die aus bloßer Speculationssucht in den fernen Welttheil gezogen, um schnell und auf leichte Art Reichthum zusammenzuraffen, aber auch dabei allen höheren Lebensinteressen und edleren Richtungen zu entsagen, sondern sie gehören größtentheils dem Kerne des Volkes an, und werden durch bessere Motive zur Auswanderung bestimmt.

Solche Männer traten nun an die Spitze der deutschen Blätter als Redacteure und Mitarbeiter, und alsbald regte sich ein anderer Geist in ihren Spalten. Auch das Aeußere dieser neugegründeten ober in ihrer Tendenz und ihrem Gehalte umwandelten Blätter ist besser: Papier und Schrift sind gut, und ihre Verbreitung hat sich bereits Bahn gebrochen; ihr Publikum ist in geographischer Hinsicht weiter, dagegen in numerischer zur Zeit noch beschränkter als das der alten pennsylvanisch-deutschen Zeitungen. Indeß wird ihre umfassendere Tendenz und ihr interessanterer Inhalt sie bald zu gemeinsamen Organen aller in der Union lebenden Deutschen erheben, während die alten mehr die Bestimmung von Local- und Intelligenzblättern bekommen werden. Welchen Einfluß die neuen deutschen Zeitungen bereits jetzt gewonnen, ergiebt die Mittheilung über die deutsche Bewegung gegenüber dem Yankeethum.

Nähere Charakteristik der deutsch-amerikanischen Blätter wird eine spätere Mittheilung bringen.