Hieronymus Jobs in Nordamerika

Hieronymus Jobs in Nordamerika
Nicht allein die Menschen wandern von Deutschland aus nach Amerika, sondern auch die Bücher sind seit lange hinübergepilgert nach dem gelobten Lande jenseits des Oceans, wohlverpackt in Kisten und Ballen. Da das Schreiben und Drucken in der deutschen Heimath seit Erfindung des Preßbengels eine allgemein und stark verbreitete Mode geworden, wie alljährlich zweimal der Leipziger Meßkatalog Schwarz auf Weiß zur Genüge allein darthut, und nicht wie in andern Ländern die Bücher geschwinden Schrittes abgehen, sondern mit Krebsschritten zurückwandern, woher sie gekommen, auch nirgend in der Welt solche Bücherlager aufgestapelt sind wie in Leipzig, so hat man seit ungefähr 5 Jahren von dem deutschen Bücherüberfluß bei dem fortwährend herrschenden Ueberfluß an Bücherabsatzmangel in Deutschland begonnen, die „neue Welt“ mit den riesigen Ueberbleibseln des deutschen Büchermarktes zu überfluthen.

Obwohl es an deutschen ABC-, Schul-, Gebetbüchern u. s. w. in Amerika nicht fehlt und viele dort selbst verfaßt und gedruckt werden, so wandern sie dennoch nichts desto weniger aus Deutschland dahin aus. Der „himmlische Wegweiser“ hat den Weg über das Weltmeer in tausend und aber tausend Exemplaren gefunden; der „Rosengarten“ blüht auch dort schon in zahllosen Exemplaren; das ewig junge „Neue ABC-Buch“ mit und ohne Hahn auf dem Titelblatt in bekanntem sauberen Holzschnitte hat amerikanisches Bürgerrecht erlangt; Campe und Schmidt und Löhr und Grimm’s Wintermährchen und Jugend-Erzählungen sind längst heimisch, und kommt man in eine deutsche Buchhandlung, so trifft man alle die lieben Bekannten in Reihe und Glied, die in Deutschland geduldeten und verbotenen Bücher gesammt; denn hat man auch Verbote gegen den Branntwein in einigen Staaten der Union, so kennt man keine Bücherverbote; der flüssige Geist wird bereits hier und da verfolgt, aber der trockene freut sich noch ungestörter Verbreitung. Selbst der alte Hieronymus Jobs, der Candidat, gehört zur Zahl der deutschen Einwanderer und hat sich in allen Buchhandlungen und Staaten der Union ansässig gemacht. Aber auch sein Doppelgänger schreitet einher in englischen Knittelversen und trägt an der Stirn den Titel:


The Life, Opinions, Actions and Fate
Of Hieronymus Jobs, the Candidate,
And how he whilome won great renown,
And died as night-watch in Schildebourg town..

D. C. A. Kortüm, unsterblichen Andenkens, Dichter des unsterblichen Jobs, der du ruhest ruhig und still auf dem Gottesacker des Städtleins Bochum in der preußischen Grafschaft Mark, des Ortes deiner medicinisch-chirurgisch-poetinschen Knittelversthätigkeit, hättest du je gedacht, daß man dich 2000 Meilen entfernt ins Englische übersetzen und mit amerikanischen Holzschnitten schmücken würde? Nimmermehr, du warst zwar ein reicher und humoristischer Erdenpilger, aber deine Weisheit und dein Humor reichten nicht soweit sammt deiner Sehergabe, daß du so weit vorausgesehen hättest! Während dein irdisches Gebein modert, lebt dein Geist fortdauernd in Deutschland in deinem ewig jungen „Jobs“, und nun bist du wiedererstanden in englischen Übersetzungen unter den Yankees! –

Du ließest zwar durch deine Gedichthelden nur eine Edition ausgehn vom
„Neuen Abcbuch, verbessert
Und mit verschiedenen Zusätzen vergrössert
Von dem Autor Hieronymus
Jobs, Theologiä Kandidatus.“

mit ausgelassenen „Sporen des Hahns“, die er „eigenmächtiglich“ abschnitt und ein „Nestlein mit einem großen Ei“ dem „ungesporneten Hahne“ beifügte. Der amerikanische Uebersetzer vergalt aber bei seiner übersetzten Edition nicht Gleiches mit Gleichem, sondern gab den „Jobs“ und seine wunderbaren Lebensschicksale zu Wasser und zu Lande, in der Schule, auf der Kanzel und in der Nachtwächterstube getreulich wieder sonder Zu- und Abthun. Und so steht er da in seiner alten ursprünglichen Glorie, mit seinem unverwüstlichen Humor – einzig und allein, bewundert von dem deutschen Michel wie von dem amerikanischen Yankee. Sein Examen hat er vor der Yankeekritik rühmlichst bestanden, wie er selbst sein Examen über Bischof, Cardinal, Apostel u. s. w. rühmlichst vor dem gelahrten Consistorio in der deutschen Heimath trotz des „allgemeinen Schüttelns des Kopfes“ des Inspektors und der geistlichen Assessoren, der Zopf- und Perrückenträger bestand.

Wie er in deutscher Sprache ewig leben wird, so wird er auch in englischer Sprache Kinder und Kindeskinder ergötzen und erlustigen mit seinem Witz, obwohl er in „Ohnewitz“ lebte. Heil ihm! – Ein Freund hat die Fortsetzung der Jobsiade – das Yankeeleben des Hieronymus in deutschen Knittelversen zu besingen begonnen. Möge ihm die Muse freundlich lächeln: der Humor findet auch diesseits des Oceans reichen Stoff. Gleich bei seiner Ankunft auf amerikanischem Boden – soviel kann ich dem deutschen Leser bereits verrathen – tritt Jobs als Anti-Temperanzler auf, und verräth seine deutsche, durstige, Natur in einem deutschen Bierkeller Newyorks nicht.