Freiheit

Drei bedeutende Freiheiten gewährt die Freiheit der Union: Freiheit der Arbeit, Freiheit der Person und Freiheit von Steuern, d. h. von directen Steuern.

Von der Freiheit der Arbeit, sprachen wir bereits; sie ist die Grundsäule der Steigerung des Wachsthums und Fortschrittes in allen Bezügen des nordamerikanischen Lebens, besonders des Handels’ und Gewerbelebens,


Die persönliche Freiheit ist von dem alten Mutterlande England nach der neuen Welt hinüberverpflanzt worden; denn dort wie hier steht fest und unerschütterlich das große Bollwerk der persönlichen Freiheit, gesetzlich ausgesprochen und geheiligt. Die Verfassung der nordamerikanischen Vereinigten Staaten stellt das Princip derselben fest; sie spricht es deutlich und klar aus, daß das Recht der persönlichen Freiheit niemals aufgehoben werden kann, den einzigen Fall allein ausgenommen, das er das Wohl der Republik und die öffentliche Sicherheit im Falle eines Aufruhrs oder eines fcindlichen Einfalles erheischt. Darnach ist jeder Richter verpflichtet, bei jeder Verhaftung auf eine einfache, ihm übergebene Reclamation ein Mandat zu erlassen, welches die sofortige Vorführung des Verhafteten anordnet, um mit ihm den Gesetzen gemäß zu verfahren. Im Staate Newyork verfällt der Richter, der nicht sogleich das Mandat ausfertigt, in eine Strafe von 100 Dollars; ist es ein (Gerichtshof, bestehend aus mehreren Mitgliedern, der sich dieses Vergehens schuldig macht, so verfällt jedes Mitglied in eine gleiche Strafe.

Dieser Schutz der persönlichen Freiheit folgt dem Angeklagten durch alle Instanzen des gerichtlichen Processes, dem sie noch dazu eine rasche Endentscheidung sichert. Zugleich findet eine Freilassung gegen Caution statt, welche indeß, da sie allgemeiner als im Mutterlande gewährt wird, zu tadelnswerthen Mißbräuchen führt; sie wird sogar auf Mörder ausgedehnt, und da nicht allzu große Summen als Caution verlangt werden dürfen, so gelingt es mitunter einem Bösewicht, sich durch ein mäßiges, von ihm selbst oder seinen Freunden gebrachtes Opfer dem Arm der Gerechtigkeit zu entziehen.

Jeder nordamerikanische Bürger ist unbeschränkter Herr über seine Person er ist in dieser Hinsicht frei wie die Luft. Er geht, wohin es ihm gefällt, ohne Jemanden davon in Kenntniß setzen zu brauchen - Pässe, Heimathscheine, Aufenthaltskarten, Polizei-Erlaubniß u. s. w. sind ihm völlig unbekannt. Die Militärpflichtigteit, wie sie in mehreren Staaten der alten Welt besteht, kann daher in Amerika wie in England nicht eingeführt werden, indem sie dem Volke als ein Eingriff in seine persönliche Freiheit, in das Recht jedes Einzel’nen, über seine Person zu verfügen, erscheinen würde. Dagegen ist bei Vaterlandsgefahr Jeder verpflichtet, zu den Waffen zu greifen.

Die persönliche Freiheit hat in Nordamerika die stärksten Garantieen, weit mehr als in England. Als der General Jackson im Jahre 1815 in New-Orleans das Commando führte, welches damals von einem britischen Heere in einer Weise bedroht war, die nach europäischen Begriffen die Erklärung des Belagerungszustandes gerechtfertigt haben würde, ließ er zwei Personen verhaften. Er wurde deshalb vor Gericht gezogen, und trotz des glänzenden Sieges, durch den er einige Tage zuvor den amerikanischen Boden von einem gefürchteten Feinde befreit hatte, zu einer hohen Geldbuße verurtheilt.

Die Macht, die persönliche Freiheit im Falle einer Landesgefahr zu suspendiren, ist in den Vereinigten Staaten bis dahin eine unbenutzte Waffe in der Rüstkammer der Gesetze geblieben. Ein einziges Mal wurde es in Veranlassung einer Verschwörung Aaron Burr’s1) in Anregung gebracht, das Privilegium der Habeas-Corpus-Acte zu suspendiren, und eine zu diesem Behufe vorgelegte Bill ging wirklich im Senate durch, das Repräsentantenhaus verwarf sie aber mit 113 gegen 19 Stimmen.

Die körperlichen Durchsuchungen – wie sie auf dem Continente an den Zollgrenzen wegen etwaigen Unterschleifs und Durchschleppungen zollbarer Gegenstände stattfinden, sind in den Vereinigten Staaten durchaus unbekannt. Die Zollgesetze der nordamerikanischen Union sind rein fiscalisch, d.h. die Zölle haben nur die Erziehung einer Einnahme für den Schatz der Bundesregierung zum Zweck. Desungeachtet sind es Schutzzölle, da sie durch die Höhe des Tarifs größere Manufakturisten in den Stand setzen, ihre Fabrikate im Inlande theurer zu verkaufen, als sie auf dem Weltmarkt gelten würden. Allein selbst zu der Zeit, als das Schutzsystem in den Vereinigten Staaten seinen Höhepunkt erreicht hatte, würde man es nie gewagt haben, zu dergleichen Visitationen zu schreiten, da sie einen Schrei der Entrüstung von der Mündung des Missisippi bis zu Kanada’s Grenzen erregt haben würde. Wechselhaft findet fast nirgend in Nordamerika statt; ebenso wegen Schulden, mit Ausnahme solcher Fälle, wo ein Betrug vorliegt; in mehreren der neueren Vereinsstaaten hat sie nie existirt.

Auch die Freiheit der Wohnung wird in der Union ebenso hoch gehalten als die der Person; der häusliche Heerd ist ein unverletzbares Heiligthum. Haussuchungen können nur auf richterlichen Befehl und unter Beobachtung einer Menge von Förmlichkeiten stattfinden, die nie vernachlässigt werden.

Auch Einquartierungsfreiheit ist garantirt; der Zusatzartikel 3 zur Verfassung der Vereinigten Staaten setzt ausdrücklich fest, „daß in Friedenszeiten die Einquartierung von Soldaten bei einem Bürger nie ohne dessen Zustimmung angeordnet werden kann, und auch in Kriegeszeiten nur in der Weise, wie es die Gesetze vorschreiben.“ – In der alten Welt existirt eine Steuerntonleiter, die. harmonisch dnrch das ganze ABC forttönt: Abzugs- Brenn- Brau- Communal- Deich- Erbschafts- Fenster- Grund- Gewerbe- Häuser- Hunde- Jagd- Kopf- Legge- Mahl- Most- Ochsen- Pfarr- Rheder- Schlacht- Stapel- Schul- Schenk- Tabacks- Tranks- Wein-Steuer und der volle Ton: Zoll. Nicht so in bei nordamerikanischen Union! – Hier ist das Besteuerungssystem ein ganz anderes. Die im Ganzen sehr mäßigen Ausgaben des Bundesstaates werden fast ausschließlich von dem Ertrage der Einfuhrzölle und von dem Verkaufe der Staatsländereien bestritten. Die Lokalausgaben der einzelnen Staaten und Gemeinden werden allein mittelst direkter Steuern bestritten; diese letzteren sind übrigens ganz unbedeutend im Verhältniß der Mittel der Steuerpflichtigen.

Drei Hauptursachen erklären die Geringfügigkeit der öffentlichen Ausgaben in den Vereinigten Staaten:
1) das Nichtvorhandensein eines regelmäßigen Heeres in Friedenszeiten; denn man wird doch nicht 10,000 Mann Truppen bei einer Bevölkerung von mehr als 23 Millionen Menschen ein Heer nennen wollen?
2) das fast absolute Nichtvorhandensein von Sinekuren;
3) endlich das Nichtvorhandensein einer Staatsschuld. Könnte man diese drei Punkte aus anderen Staats-Budgets streichen, so würde man sehen, welche ungeheure Ersparniß die Folge davon sein würde.

Es kostet zwar den Vereinigten Staaten ein Krieg weit mehr, als jeder anderen Macht, weil, da die Armee sich nur aus Freiwilligen rekrutirt, der Sold im Verhältnisse zum gewöhnlichen Preise der Tagearbeit sehr bedeutend sein muß; weil ferner nichts für den Krieg organisirt ist und alle Dienstleistungen, welche durch bloße Entreprise geschehen, theuer und schlecht ausfallen. Wenn der Krieg oft wiederkehrt, so ist es freilich sparsamer, ein regelmäßiges Heer zu unterhalten; da aber glücklicherweise der Krieg nur in großen Zwischenräumen eintritt, so ist es auch weit besser, ihn mit größeren Kosten zu bestreiten, als sich jährlich und auf permanente Weise Ausgaben aufzulegen, welche endlich zum Ruin führen.

Was die Sinekuren betrifft, so giebt es in den auf Sparsamkeit und Nutzen bedachten Vereinigten Staaten keinen Posten, der nicht durchaus unerläßlich wäre. Das geringste Amt nährt zwar reichlich den Mann, der es verwaltet aber es giebt nur wenige oder gar keine Generalstäbe, und die höheren Aemter werden im Vergleiche weniger gut besoldet als die niederen. Aus dem Allen folgt, daß es dort weniger Beamte giebt als in Europa, daß sie weit mehr arbeiten, und daß der Staat, obwohl sie im Allgemeinen besser besoldet werden, doch sehr viel dabei erspart.

Um nicht die Last einer Schuld zu tragen, haben die Vereinigten Staaten ein sehr probates Mittel angewandt: sie haben ihre Schulden bezahlt. Der Krieg um die Unabhängigkeit, wie der von 1812, hatte ihnen eine im Verhältnisse zu den Mitteln der Bevölkerung ungeheure Schuld hinterlassen; aber man hat sich Opfern unterzogen, um sie zu tilgen, und man hat es dahin gebracht. In den jüngsten Zeiten hat sich eine neue Schuld angehäuft, in Folge des glücklich beendigten Krieges gegen Mexiko; ohne Zweifel wird man in gleicher Weise verfahren: man wird einige Jahre hindurch Opfer bringen, bis die Schuld abgetragen sein wird.

Man kann die gewöhnlichen Föderativ-Ausgaben auf 1 3/5 Thaler für den Kopf anschlagen und die Lokalausgaben etwa auf 2 2/5 Thaler, zusammen demnach auf vier Thaler, während z. B. in Frankreich, wo der Wohlstand ein weit geringerer ist, die mittlere Summe, welche für die Ausgaben der Regierung nothwendig ist, sich auf mehr als 40 Franken (10 2/8 Thaler) für den Kopf beläuft. Eine so geringe Steuer ist, wie leicht begreiflich, der Production und der schnellen Entwickelung des Reichthums außerordentlich günstig. Hierdurch befindet sich jeder Steuerpflichtige in der Lage, jährlich einen Theil seines Einkommens zum Kapital schlagen und ihm demnach eine productive Bestimmung geben zu können. Bedenkt man nun, daß die Summe dieser also zum Kapital geschlagenen Einkünfte jährlich 500 Millionen Franken (nach Verhältnis; dessen, was das französische Budget größer ist, als das amerikanische) übersteigt, so wird man sich von dem ungeheuren Impuls, den das allgemeine Vermögen hierdurch erhalten muß, eine Vorstellung machen können. Somit herrscht also mit Rücksicht auf den Bundesstaat der Union – Freiheit von direkter Besteurung, da die Steuer nur Eingangszoll ist, und nur der Käufer eingeführter Waaren sie mit dem Warenpreise zahlt. Zum Unterhalt der Gemeinden wird aber eine direkte Steuer je nach Bedürfniß erhoben.

Vierteljährig werden amtliche Uebersichten veröffentlicht, die dem Volke stets vor Augen stellen, was ihm der Staat wirklich kostet, wofür seine Steuern verwendet werden, und daß mit jeder Vermehrung der Staatsausgaben, die es verlangt, auch eine Vermehrung der Staatseinnahmen eintreten muß. So betrugen nach einer solchen, mir gerade vorliegenden Uebersicht in dem Vierteljahre, welches mit dem 30. Juni 1852 schließt, die Einnahmen der nordamerikanischen Union:

1) aus den Zöllen 10,854,146 Dollars
2) aus dem Verkauf von Ländereien 247,948 Dollars
3) aus zufälligen Quellen 44,873 Dollars
4) aus einem Anleihen 27,350 Dollars

im Ganzen also aus 11,174,317 Dollars

Die Ausgaben betrugen:

1) für Civillisten, Verschiedenes und für das Departement der auswärtigen Angelegenheiten 3,459,963 Dollars,
2) für das Departement des Innern 381,598
3) für das Departement des Krieges 1,083,818
4) für das Departement der Marine 2,074,305
5) an Zinsen der Staatsschuld 1,936,586
6) für Einlösung der Schatznoten 27,400

Die Summe der Ausgaben betrug somit 8,963,670 Dollars, und läßt den bedeutenden Ueberschuß von 2,210,645 Dollars für ein Vierteljahr.

Am Ende des Jahres betrugen die Staatseinkünfte 52 Millionen 322,979 Dollars und die Staatsausgaben 48 Millionen 605,878 Dollars,




1) Wir theilen die Geschichte dieser Verschwörung später unsern Lesern mit in der „Welt der Verbrechen“.