Ein Froschmäusekrieg

Die kirchliche periodische Presse ist in Amerika in gewaltigem Wachsthume begriffen, und die öffentlichen Organe, Blätter und Kirchenzeitungen in englischer wie deutscher Sprache mehren sich von Jahr zu Jahr, seitdem der Kampf der beiden christlichen Glaubensbekenntnisse, oder vielmehr ihrer äußersten Extreme – Methodismus und Jesuitismus – in fortdauernder Zunahme begriffen ist, und mit Heftigkeit und Zähigkeit geführt wird. Ein gemeinschaftlicher Feind Beider ist die Demokratie, welche“ nach rechts und links hin ihre Pfeile auf diesen und jenen losschießt, und ihre Organe sich gleichfalls von Semester zu Semester mehren, besonders seit die deutsche Einwanderung eine große Zahl journalistischer demokratischer Kräfte den Küsten Amerikas zugeführt hat, die von vornherein, vorzugsweise aber gegen den Jesuitismus Front machen, weil er bereits in der neuen Welt dieselben Wege einschlägt, die er in der Welt, aus der er herübergewandert ist und sich eingenistet hat, zu gehen gewohnt war, und sich in Familien- und politische Verhältnisse in gleicher Weise einmischt, wie in Europa.

Wie er auf dem alten Festlande sein Wesen auf die Spitze getrieben, und Rom selbst ihn aufhob, so wird er auch in der neuen Welt ein Ende nehmen; denn Alles, was auf die Spitze getrieben wird, schlägt um und stürzt um so tiefer, je höher es gestiegen ist. Der Sturz wird beschleunigt, wenn in eigenem Lager Hader und Zwist waltet. Und das ist bereits in der nordamerikanischen Union der Fall. –


Werfen wir einen Blick auf die ungeheuren Fortschritte, welche in kurzer Frist der Jesuitismus, besonders seit Ueberhandnahme der irischen Einwanderung, wovon ihm der größte Theil zufällt, gemacht hat, so kann uns eine Bewegung in der früher so sehr auf Ruhe beharrenden kirchlichen Presse nicht gleichgültig erscheinen.

Der Erzbischof Purzell von Cincinnati ist offen wider seinen Collegen und Bruder in Christo, den Erzbischof Hughes von Newyork aufgetreten. In seinem Blatte: Cincinnati Telegraph und Catholic Advocate kündigt er dem Organe Seiner Gnaden in Newyork, Freeman’s Journal, den Wechsel, da dieses den Behauptungen des Ohio-Organes gemäß „dem Glauben und der Moral gefährlich sei.“

Die Worte des genannten Organes lauten wie folgt: „Der schlimme Geist, welchen dieses Blatt bei jeder Gelegenheit gegen den Chatholic Telegraph an den Tag legt, ist so gefährlich, daß wir unserer Selbstachtung und der Ehre der Kirche in Ohio die Einstellung des Wechsels mit genanntem Journale schulden. Eine seiner letzten Nummern enthält einen Artikel von solcher Grobheit, Gemeinheit und Verdorbenheit, daß wir uns gedrungen fühlen, die Katholiken vor dem gefährlichen Charakter des Blattes zu warnen.“

Sodann werben Geistliche und Laien aufgefordert, dem „Freeman’s Journal“ ihre Unterstützung zu versagen, und an die Achtung gemahnt, welche sie ihrer Diöcese schulden.

„Ein Blatt – heißt es ferner – welches sich so sehr durch Herbeiführung von Zänkereien, wie sie bisher den Gläubigen unbekannt waren, auszeichnet, kann weder die Sache des Katholicismus vertheidigen, noch eine Familie erbauen.“

Das war eine wichtige Notiz für das amerikanische Publikum, daß der gegenwärtige Redacteur des Organs des Erzbischofs Hughes zu Newyork (bekannt als Convertit und doppelt eifrig für seinen neuen Glauben) die Ursache von Entzweiungen sei, wie sie bisher den Gläubigen unbekannt waren, und daß man ihn als einen schlechten Vertheidiger des Katholicismus und einen Feind der Familienerbauung betrachten müsse. Es ist dies um so mehr zu beachten, als man bisher dafür zu halten Grund hatte, daß Katholiken und Irländer bei dem Freeman’s Journal schworen, wie der Türke bei seinem Bart.

Der Erzbischof von Newyork ist als Denker, Schriftsteller und Redner bekannt und ragt durch Wissen und Stellung hervor. Deshalb hielt man Alles was in dem Blatte stand, für rechtgläubig, indem man annahm, es komme von ihm, oder habe doch seine Billigung. Von den Adoptivbürgern irischer Abkunft glaubt man ganz und gar, daß sie unter dem unbedingten Einflusse des „Freeman’s Journal“ ständen, und man hielt sie so abhängig, daß man sie darum dort „Bischof Hughes Leibgarden“ nannte.

Jetzt aber wird die Sache durch jenen Artikel aufgeklärt, und die beiden Erzbischöfe, bisher stille Associ’s des Reactionsgeschäfts, müssen gelegentlich eine Lanze brechen. Der Erzbischof von Newyork und sein Journal ‘werden von dem Collegen in Cincinnati und seinem Organe denuncirt; der Herausgeber des Newyorker Blattes sagt dagegen: „Doctor Hughes ist ein Mann von Talenten, und sein Blatt eine gute katholische Zeitung.“

So wurden denn eine Reihe von Schmähartikeln gegeneinander durch den Preßbengel in die katholische Welt Amerika’s geschleudert, woran sich andere katholische Blätter englischer Sprache betheiligten. Man beschuldigt sich gegenseits, daß man Katholicismus um Lohn treibe, daß man auf die Einfalt der irischen Gläubigen speculire. Worte wie „gemeiner Plebejer, Mistfink“ u.dgl. fielen dabei auf den „ehrwürdigen Freund“. Die Artikel enthalten Ausfälle der bittersten Art und wetteifern in ungezügeltster Wuth.

Also treiben es die amerikanischen Blätter englischer Sprache unter einander. Die deutschen Collegen, d. h. die katholischen Blätter in deutscher Sprache halten sich fern vom Kampfe. Sie stehen in geistiger Hinsicht überhaupt auf dem Niveau des Alltäglichen, und gehören zu den allergewöhnlichsten Erscheinungen der deutschen periodischen Presse Nordamerika’s, geistlos und nur das Allergewöhnlichste bietend.

Zwei der Hauptblätter dieser Art wollen wir hier näher charakterisieren.

Der Wahrheitsfreund für katholisches Leben, Wirken und Wissen in Cincinnati; Herausgeber: Joseph Hermann; Redacteur: Peter Kroeger (aus Westfalen); erscheint seit 1827 in dreispaltigen ganzen Quartbogen. Sie gleicht der Baltimorischen Kirchenzeitung, und hat eine besondere Abtheilung mit der Aufschrift: Religiöse Abhandlungen. An kirchlichen Berichten und Mittheilungen ist sie reicher als andere dieser Blätter, und auch einigermaßen polemischer Natur, besonders gegen die Bestrebungen des in Nordamerika auftretenden Socialismus. Ihre Nachrichten vom europäischen Continente beschränken sich auf Vorkommnisse in der katholischen Kirche; doch schließt sie die Politik nicht ganz aus; sogar von der Firmungsreise des Bischofs zu Münster durch den Kreis Ahaus wird berichtet. Eine Rubrik der Zeitung: „Inländisches“, trägt einen einköpfigen Adler zur Schau mit einem Lorbeerzweig in der einen und Blitzstrahlen in der andern Kralle, während die Titelvignette den Erzengel Michael darstellt, den Drachen tödtend.

In Rückblick auf die polemische Tendenz finden wir u. a. einen Artikel gegen die in Newyork erscheinende „deutsche Schnellpost“, die vom „theoretischen Standpunkt“ aus das Institut der Präsidentschaft als antiquirt und verderblich verwerfe, und sich überzeugt halte, daß einst Nordamerika so wenig noch Präsidenten haben werde wie Deutschland u. s. w.; es würden dieser Zeit freilich noch schwierige Kämpfe vorausgehen und noch tausendfache Vorurtheile überwunden werden müssen, ehe das nordamerikanische Volk sich von einem Institute trennen werde, das es bis jetzt noch als nothwendig, als ruhmbringend und als eine Garantie der Wohlfahrt betrachte. Es hat beiläufig den Anschein, daß, da die Throne Europa’s dem Socialismus nicht weichen wollen, vorläufig unser Präsidentenstuhl Platz machen soll, um nur das Terrain für das socialistische Experiment zu finden. Wir müssen uns – setzt es ironischer hinzu – immerhin auf schwierige Kämpfe gefaßt machen und dann das Recht des Stärkeren entscheiden lassen,“ ob wir uns religiöser und politischer Freiheit, wie die Constitution solche garantirt, ferner erfreuen oder nach der socialistisch-commmustischen Pfeife der neuen „Riesen auf Erden“, die ?gewaltig“ sein werden, tanzen sollen. In dieser polemischen Weise ergeht sich der „Wahrheitsfreund“ in Cincinnati.

Die katholische Kirchenzeitung in Baltimore mit einem Kreuz als Vignette erscheint seit 1825 wöchentlich einmal zum jährlichen Pränumerationspreise von 2 Dollars, in Folioformat und dreispaltigem Bogen (24 Spalten) und dem Motto: Die katholische Kirche allein ist der Leib Christi und Er ist ihr Haupt und Heiland, und außer diesem Haupte wird Niemand vom h. Geiste belebt. St, Aug. Ep. Ad Paulinum, redigirt und herausgegeben von Professor Maximilian Oertel (aus Baiern) in deutscher Sprache „mit Approbation des Hochwürdigsten Herrn Erzbischofs von Baltimore und den Empfehlungen des Hochw. Herrn Francis Patrick Kenrich, Bischof von Philadelphia und Johann M. Henne, Bischof von Milwauki.“ Sie ist nichts mehr und nichts weniger als ein Abklatsch der katholischen Blätter, wie sie Baiern und Westfalen (ausschließlich der historisch-politischen Blätter von Görres und Philipps) seit Jahren bieten, flach und gehaltlos. Außer denselben entlehnten Leit- und größeren Artikeln, womit eine katholische Jerusalemsreise aus deutschen Journalen und dergleichen abwechselt, oder politische Zeitungsartikel vom europäischen Continent mit unterlaufen, liefert sie kurze Nachrichten über katholisch-kirchliche Vorgänge in Amerika, Reisen der dortigen Bischöfe durch ihre Kirchsprengel, von ihnen vorgenommene kirchliche Handlungen, Firmungen, Todesanzeigen „Hochwürdiger“ Geistlichen, Festessen und Empfangsfeierlichkeiten zu Ehren katholischer Oberhirtcn, Kirchenbauten, „geistlichen Exercitien“, welche auch hier schon im gehörigen Schwunge sind und der Theil des Blattes, der für Inserate bestimmt ist, bringt Anzeigen, worunter Lehrern und Organistenstellen (eine katholische Lehrerstelle in Birmingham bei Pittsburg bringt 300 Dollars ein), Versammlungen von Waisenvereinen, Arversarienfeier, Unterstützungsgesellschaften, Wahlen von Kirchen- und Vereinsvorständen, Empfehlungen von Kirchenglockengießereien, geistlichen und theologischen Schriften und Werken u, dgl.