Die schöne Literatur Nordamerika's

Erste Skizze.

Das getreueste Spiegelbild des geistigen Lebens und Strebens eines Volkes, seines Charakters und Fortschrittes giebt seine Literatur, und wer nicht ein Fremdling bleiben will in der Geschichte eines Volks und seiner geistigen Thätigkeit, der muß sich mit seinen literarischen Erzeugnissen und den Zuständen und Gestaltungen seiner Literatur und Presse bekannt machen. Dieser Satz ist eine Wahrheit, die allgemeine Geltung hat mit Bezug auf jedes Voll und Land in Europa wie in Amerika, und deshalb darf eine Skizze wenigstens über Literatur nicht in einer Schrift über Amerika fehlen, die sich mit dem Titel: Amerika wie es ist, ankündigt. Der Leser wird dadurch heimischer im Lande, vertrauter mit dem Volke.


Wir beginnen mit den Erzeugnissen der schönen Literatur Nordamerika’s zuerst.

Es ist eine grobe, vielfach verbreitete Unwahrheit, daß Literatur und Wissenschaft in Nordamerika keine Jünger und Beschützer hätten. Nur der gelehrte Unsinn, mit welchem andere Völker seit Jahrhunderten Papier, Druckschwärze und Arbeitskräfte verschwendet haben, findet in Amerika keinen Markt und wird dort Maculatur. Daß aber gute literarische Erzeugnisse Absatz finden in den Vereinigten Staaten, beweist die Thatsache, daß gute Bücher unter noch nicht 25 Millionen Einwohner in 30 – 40,000 Exemplaren Absatz haben.

Besonders gedeiht neben der politischen Literatur und Tagespresse die schöne Literatur, wie sich aus der stets sich mehrenden, bereits bedeutend großen Zahl von Blättern, Journalen, Reviews und Büchern ergiebt, welche dieselbe fast ausschließlich zum Gegenstande haben.

„Eine Literatur, welche als lebende Zeitgenossen Namen aufzuweisen hat – sagte Fenimor Cooper, der große nordamerikanische Dichter noch kurz vor seinem Tode selbst – wie Washington Irwing, Paulding, Bryant, Halleck, Willis, Longfellow, Kennedy, Bird, Simms, Bancroft und fünfzig Andere, eine solche Literatur kann nicht mehr ignorirt werden. Wir haben Fuß gefaßt, und werden mit Gottes Hülfe den Platz zu behaupten wissen. Obwohl nicht jede Schwalbe den Sommer bringt, wie unser jugendliches Vaterland gar zu gern glaubt, so besitzen wir doch schon einen schönen und immer dichter werdenden Blüthenfrühling!“

Das ist Coopers Urtheil, seine kritische Ansicht und die Namen, die er als die lebender Dichter namhaft macht. Ich setze noch ältere und andere Namen hinzu. Als bedeutendster epischer Dichter steht Joel Barlow da, der in seiner „Columbiade“ den Entdecker der neuen Welt feiert, John Bull, der Dichter des burlesken Heldengedichts „Mac Fingal“ , die lyrischen Dichter Frenau und Sargeant, den Epiker Dwight, ferner Alston und Pierpoint, Wirt, Sands, Castburn, Fairfield, S. Smith, Praque, Percival und die Dichterinnen Anna Bradstreet, Thillis Wheatley-Peters (eine Negerin), Mina Broks.

Der zweiten Dichtergeneration Nordamerika’s gehören noch an: Fenno Hoffmann, Hermann Melville, Halliburton, Edgar Allen Poe, Rudolph Emerson, Hawthorne, John Greenleaf Whittier, William Starbuck Mayo, Henry Halyard und die Verfasserin von Onkel Tom’s Hütte, als Novellisten neben den dramatischen Dichtern David Everett, N. Willis, Louisa Hall, Elisabeth Ellett. Nach Grieswald’s Schrift: „Die Dichterinnen Nordamerika’s“ 1) beträgt die Zahl derselben von den ältesten Zeiten (1640) bis zur Gegenwart bereits Neunzig, der Mehrzahl nach noch lebend oder dem vorigen lahrhundert angehörig, da das siebenzehnte Jahrhundert nur wenige Namen aufzuweisen hat.

Die Literatur Nordamerika’s hat ihren Ursprung in der amerikanischen Revolution gegen das Mutterland England, Vor dem Freiheitskampfe, der die Unabhängigkeit der Colonien entschied, traten in Newyork und Boston, in Philadelphia und Charleston zwar auch schon literarische Erzeugnisse in die Oeffentlichkeit; allein diese Schriften, obwohl der Zahl nach nicht unbedeutend, bildeten keine eigentliche Literatur; es waren vorzugsweise theologische, pädagogische und juridische Abhandlungen; nicht minder nahm die politische Literatur einen großen Raum ein.

Neben ihnen brach sich schon früher die schöne Literatur Bahn, und bei der Entdeckung und Colonisation des Landes fand sich eine ungeschriebene Literatur der Ureinwohner vor, die in Erzeugnissen der Dichtkunst und Beredsamkeit bestand, welche sich in Liedern, Sagen, Reden und Ueberlieferungen von Mund zu Mund kundgab.

Die englisch-amerikanische schöne Literatur beginnt bereits mit dem Jahre 1640, wo die Ahnfrau derselben, Anna Bradstreet, ihre Gedichte zu Boston erscheinen ließ; der seltsame Titel war: „Einige Gedichte mit großer Mannichfaltigkeit an Geist und Wissenschaft, voll Reiz, besonders enthaltend eine vollständige Rede und eine Beschreibung der vier Elemente, der verschiedenen Alterstufen der Menschen, der Jahreszeiten, ebenso wie andere angenehme und ernste Gedichte von einer Frau aus Neu-England.“

Dem folgenden Jahrhundert gehört die Dichterin Willis Wheatley-Peters an, Negerin von Geburt. Sechs Jahre alt, wurde sie auf dem Sclavenmarkt zu Boston von Mistreß Wheatley gekauft, die sie erziehen ließ. G. Washington selbst verschmähte nicht, mit ihr zu correspondiren, Abbé Gregoire nannte sie in seinem „Versuche über die geistigen und sittlichen Fähigkeiten der Neger“ eine große Dichterin. In der gebildeten Welt war diese schwarze Sclavin die Vertreterin ihrer Brüder, und sie hat einen – wenn auch noch so kleinen – Theil an der Revolution der Welt gehabt.

Dem neunzehnten Jahrhundert gehört Mina Broks an († 1845); sie schrieb das Gedicht: Zophiel, welches Southey bewunderte, und Charles Lamb für zu außerordentlich erklärte, um aus einem weiblichen Haupte zu kommen. Der Verfasserin von Onkel Tom erwähnen wir nur; sie hat durch ein Erzeugniß ihres Geistes und Herzens in kürzester Zeit einen Weltruf von Pol zu Pol sich errungen.

Die männlichen Glieder der nordamerikanischeu Dichtenwelt sind außer Amerika länger bekannt: viele von ihnen wetteifern rühmlichst und stehen in selber Reihe mit den Dichtern des Continents der neueren Zeit, Cooper und W. Irwing an der Spitze.

Die durch die Eigenthümlichteit der Entstehung der Vereinigten Staaten und ihre Verhältnisse vorzugsweise gebotene praktische und politische Richtung hat nichts desto weniger den Sinn der Kunst und schönen Literatur in einem Maaße zugewandt, daß sie die Aufmerksamkeit anderer Völker auf sich gezogcn. Nur Halbkenntniß der Gestaltung und Fortbildung des literarischen Lebens hat zu den höchst unrichtigen Urtheilen und dem wiederholten Ausspruche Veranlassung gegeben, Amerika stehe in dieser Hinsicht noch weit zurück – eine Ansicht, welche jeglicher Begründung entbehrt. Nach Ueberwindung der tausendfachen Hemm- und Hindernisse im Lande, welches seine Civilisirung nur der Colonisation verdankt, dessen Ansiedler zwar die Errungenschaften und Fortschritte des Mutterlandes mit zum neuen Vaterlande hinüberbrachten, aber mit Schwierigkeiten ohne Zahl zu kämpfen hatten, um in der neuen Heimath selbst die nothwendigsten Lebensbedürfnisse zu erringen, haben sich die Kunst und die Literatur schnell gehoben und zu Resultaten geführt, die nur die glücklichsten genannt werden dürfen; besonders die der schönen Literatur, ohne daß wir in ein bekanntes Urtheil aus brittischer Feder einzustimmen brauchen, welches in der Literatur Amerika’s seine Kraft, seinen Reichthum, seinen wunderbaren Fortschritt sieht, und den Ausspruch thut, daß mit Ausnahme der Zeitungspresse keine Literatur so rein, so erhaben, so originell, so geistig sei wie die amerikanische. Vor Allem – ruft der brittische Kritiker aus – welche Anstrengung des menschlichen Genies war je in so vortrefflicher Weise geeignet, die Gesellschaft bis zu ihren Tiefen aufzurühren und zu erregen, ihre Ruchlosigkeiten bis in deren Centrum hinein zu sprengen, als jene köstliche und unschätzbare Gabe zu Gunsten der Sache der Menschheit und Zivilisation, Onkel Tom’s Hütte? Die Popularität dieses Buchs in Amerika zeigt die Größe Amerika’s, Ein Volk, das es so ertragen kann, die Wahrheit zu hören, von derselben bewogen zu werden, sie anzuerkennen, kann am Ende nie in Nichtswürdigkeit verfallen. Der Engländer glaubt, dieses kleine Buch habe der Sclaverei in Amerika den Todesstoß versetzt.

James Fenimor Cooper, der Nestor und Reigenführer der Nordamerikanischen Dichter des neunzehnten Jahrhunderts, ist einer der beliebtesten Romanschriftsteller der ganzen gebildeten Welt; er schildert uns die Wilden und Pflanzer, die Ansiedler der Wüste in einer Zahl von 34 Romanen, und trotz der großen Bändezahl seiner Werke hat er seine Aufgabe mit Erfolg und Geschick gelöst; außerdem schrieb er die Geschichte der nordamerikanischen Seemacht und ihrer Kriegsthaten.

Ihm zunächst steht Washington Irwing, Dichter und wegen seiner Werke biographischen Inhalts „der amerikanische Plutarch“ genannt, ist ebenso außerhalb Amerika’s bekannt wie Cooper; sein „Leben Washingtons“ und „Columbus’ Biographie“ sichern ihm denselben Ruhm wie seine zahlreichen Romane,

Was die Verfasserin des Onkel Tom unter den weiblichen Dichtern Amerika’s ist, das ist John Greenleah Whittier unter den männlichen, ein Kämpfer der Zeit, der unter dem Banner der Poesie mit dem scharfen Schwerte des Wortes für die unterdrückte Menschheit in die Schranken trat; sein wenige Strophen enthaltendes Gedicht: „Kinder Amerika’s in Banden“ für die Sclaven hallt noch wieder in ganz Amerika,

Alle übrigen oben genannten Dichter sind mit Ausnahme von Paulding, Bird, Simus, Confellow u. s. w. in Europa zur Zeit noch wenig gekannt; England allein kennt sie gleich seinen eigenen Dichtern, der jüngeren Zeit entsprossen; indeß hat man auch in den übrigen Ländern europäischer Cultur zu Vorbereitungen sich angeschickt, um auch mit ihren geistigen Erzeugnissen näher bekannt zu werden 2)

Außer dieser nordamerikanischen schönen Literatur, die sich seit der Befreiung des Landes von England gebildet, bedarf hier die Poesie der Ureinwohnerschaft des Landes, der Indianer in ihren zahlreichen Stämmen der Erwähnung. Unter mauchen dieser Stämme hat sie wirklich einen bewundernswerthen Höhepunkt erreicht; vor allen ausgezeichnet stehen in dieser Beziehung die Indianer in den Wäldern am Acapulco da, indem ihre Lieder und Gesänge nicht wie die der übrigen wilden Stämme von Jagd, Krieg, Schlacht und Rache ertönen, sondern wahrhaft lyrischen Inhalts’ sind; insbesondere erotischen. Wir geben eins derselben hier zur Probe; es war zuerst in’s Spanische übertragen, ward dann in’s Englische übersetzt und aus diesem in’s Deutsche.

Der Indianer an seine Geliebte

Den Bogen fort ! – Es wogt der blaue See.
Leg’ ab die Schuh, laß ruh’n den müden Fuß!
Am Bett des Abends sitzt der Dämmrung Fee;
Durch Aest’ und Blumen tönt des Westes Gruß;
Hier fürcht’ kein Tigeraug’, die Schlange rauschet
Nicht durch den blum’gen Grund, kein Panther lauschet.
Und wie der Herbst im Regenbogcnshawl
Die Wälder hüllt, so scheint der Wolken Meer;
Die Sonnenstrahlen brennen westwärts all,
Wie reife Garben, bräunlich, voll und schwer.
Die Sterne sind Juwelen, die im dunkeln
Allseh’nden Himmelsaug’ gleich Thränen funkeln.
Jetzt sing’ und horch! Die Quellen sind verstummt;
Die Vögel schweigen auf dem Honigbaum,
Der sanfte Wind, der durch die Palmen summt,
Er lauschet dir, dir lauscht der Weltenraum;
In seligem Entzücken ruh’n die Sterne,
Die ganze Welt ein Zauber nah und ferne.
Komm’ Liebchen, fürchte nichts! es wohnt ein Geist
Auf jedem Stern, der stets mit Pfeil und Schild
Wacht gütig über dir, wo du auch seist,
Schützt deinen Pfad in Wäldern weit und wild,
Ein Geist, der deine Schönheit wird bewachen
Vor gift’ger Schlangen Biß, vor Tiger-Rachen,
Sieh’ jene Schwestern deines Augenpaars,
Lebend’gen Kugeln gleich von Feu’r und Gold,
Die durch den Purpuräther des Altars
Der großen Geister werden hingerollt –
Die Meteore, die gleich Funken glühen,
So dem Gespann der Sonnenfürst entsprühen.
O komm’, Geliebte, laß uns fröhlich sein!
Es ladet uns der Wald, so grün und kühl.
Bei Freiheit nur lebt treue Lieb’ allein;
Der Berge moos’ges Haupt sei unser Pfühl,
Sieh’! unsre Hütt’ nmwölben schlanke Reben;
Mein sei dein Herz und Liebe unser Leben.

Wir reihen hieran das obenerwähnte treffliche Gedicht aus Whittier’s Feder gegen die Sclaverei:

Amerika’s Kinder in Banden.

Kinder Amerika’s in Banden!
Sclaven im Land von Recht und Licht!
Kriechende Sclaven in den Landen,
Wo Freiheit alle Fesseln bricht.
Wo man auf Freiheit pocht und prachert,
Sieht man der Mutter Haar zerrauft,
Wird Gottes Ebenbild verschachert,
Der Sohn Amerikas verkauft.
O sagt, Ihr, freier Männer Söhne,
Die schon der Kette Klirr’n empört,
Ob der Verzweiflung bange Töne
Ihr mir mit taubem Ohre hört? –
Wenn wir mit Licht und Freiheit prahlen
In schöner Worte Kraftgenuß,
So scheint’s ein Hohn für alle Qualen,
Die hier der Sclave dulden muß.
Sagt, sollen über freie Meere
Wir schauen nach dem Morgenroth,
Wo Mannheit auf dem Feld der Ehre
Für Freiheit kämpfet oder Tod?
Sprecht, sollen wir die Hymnen schicken
Zum Polen, der die Fessel bricht,
Zu allen Völkern, welche blicken
Auf unser Freiheit goldnes Licht?
O sagt, kann Frankreich sich erheben
An unsrer Freiheit Jubelton,
Wenn solche Seufzer ihn durchschweben
Erstickter Qual und Wuth und Hohn?
Wenn Kettenrasseln unsrer Sclaven
Sich in der Freiheit Lieder mischt,
Und in des Westens grünem Hafen
Die heil’ge Glut in Blut erlischt?
Soll uns Brittanien’s Flagge mahnen,
Daß, wo sie flattert, Alles frei,
Frei von Ostindiens Oceanen
Bis an des Westens Klippen frei?
Schon dämmert’s ferner, alle Kronen
Von Deutschland glüh’n im Morgenlicht,
Und auf der Freiheit eignen Zonen
Ruht noch der Schatten, schwer und dicht.
Jetzt auf für Freiheit! nicht im Kampfe,
Wie unsre Väter ihn gesehn,
Wo eingehüllt vom Pulverdampfe
Der Freiheit Bild nur trüb zu sehn.
Nein – schüttelt ab das Joch, die Kette,
Versenkt die Geißel in die Fluth;
Doch euer starkes Wort errette
D’rin Gottes Geist der Liebe ruht.
Des Molochs Altar stürz’ in Trümmer,
kein Stein verrathe, wo er stand;
Der Götzen Schale werde nimmer
Gefüllt mit Blut vom Vaterland!
Ein Altar steh`’, wo er gesunken,
Für Wahrheit, Lieb’, Barmherzigkeit,
Darauf die Freiheit wonnetrunken
Ihr schönst’ Geschenk dem Himmel weiht!

Also klingt der Gesang der nordamerikanischen Dichter für die Emancipation der Sclaven, der „Kinder Amerika’s in Banden“, das hohe Lied für Freiheit der Geknechteten. –

Die Dichtkunst Nordamerika’s historisch und systematisch geordnet, zerfällt in die Poesie der Ureinwohner (Indianer) und in die Poesie der Einwanderer, die letztere wiederum in die in englischer, deutscher Sprache und sonstigen europäischen Sprachen geschriebene, woran sich noch die Poesie der Neger schließt. Die Indianerpoesie hat Lieder, Gesänge, Sagen, Mährchen und Erzählungen aufzuweisen, besonders reich ist ihre Sagenliteratur; die vollständigsten Sammlungen derselben sind von Bancroft und O. Laumann veranstaltet, und man behauptet nicht zuviel, daß sich unter den Erzeugnissen der Ureinwohnerpoesie ein wahrer Schatz an zarten, fantasievollen Dichtungen vorfindet.

Die Einwandererpoesic, gegenüber jener ursprünglichen Volkspoesie, zerfällt, wie bemerkt, in die englisch-deutsche und in sonstigen Sprachen des europäischen Festlandes geschriebene und hat deutsche, englische und sonstige Einwanderer und deren Abkömmlinge zu Verfassern. Die englische ist darunter die bedeutendste, nach ihr die deutsche; die übrige kommt bis jetzt nur selten vor.

Die englisch-amerikanische schöne Literatur zählt drei Perioden; die erste läuft von den ersten Ansiedlungen bis zur selbstständigen Verfassung, die zweite von da bis zum Schlusse des achtzehnten Jahrhunderts, die dritte begreift das neunzehnte Jahrhundert bis zur Gegenwart in sich.

Sie zerfällt in Lyrik, Epik, Drama und Roman. Der Roman wird am stärksten cultivirt, nach ihm die lyrische und epische Poesie; das Drama nimmt im Ganzen noch eine untergeordnete Stellung ein; Englands Dramen und Bühnenspiele müssen hier aushelfen.

Wiewohl die englisch-amerikanische Romanliteratur nach Umfang und Gehalt sich bereits sehr bedeutend erweist und anerkannt eine beachtenswerthe Stellung schon jetzt einnimmt, so wird Englands Romanreichthum von den Nachdruckern Nordamerika’s doch weidlich ausgebeutet. Kaum erscheint im Lande Albion’s ein Roman – er sei gut, mittelmäßig oder schlecht – die amerikanischen Nachdruckerpressen bemächtigen sich seiner alsobald. Aber auch neueste wissenschaftliche Werke England’s theilen dasselbe Geschick; der Preis der Nachdruckerausgaben ist indeß nicht viel billiger als der der Originale, Indeß concurriren die Ausgaben der englischen Autoren von B. Tauchnitz in Leipzig bedeuteud mit den amerikanischen Buchdruckerausgaben, indem man beginnt, diese deutschen Abdrücke wegen ihrer zweckmäßigen typographischen Ausstattung und großen Correctheit dem liederlich gedruckten amerikanischen Drucke vorzuziehn.

Ueberhaupt sind aber die buchhändlerischen und Buchdruckerei-Etablissements in der Union schon sehr bedeutend, und werden ihre Collegen in Europa bald überflügeln.

Als Beispiel nur eins!

Die Verlagshandlung von „Harpur Brothers“ in Newyork ist die erste unter allen daselbst.

In ihrem Etablissement sind gegen 400 Menschen beschäftigt, deren Gesammtbesoldung monatlich 10,000 Dollars übersteigen soll. In den Zimmern der Schriftsteller sind 40 Männer, die häufig an 20 verschiedenen Werken zu gleicher Zeit beschäftigt sind.

In der Stereotypgießerei arbeiten 15 Männer, die wöchentlich mehr als 700 Platten liefern und jährlich 60 bis 80 Zentner Metall verbrauchen.

In den Druckersälen sind fortwährend 20 Schnellpressen und 2 Handpressen in Thätigkeit, deren jede der ersteren durchschnittlich 5 bis 6000 Druckbogen täglich liefern. Hundert Menschen sind beschäftigt, die Bogen zu trocknen, zu falzen und zu pressen.

In der Buchbinderei arbeiten 45 Mann; sie verbrauchen jährlich für 4000 Dollars Blattgold, für 6000 Dollars Leder, für 4000 Dollars Leinwand und für 200 Dollars Eier. Die Abschnitte von den Ecken der Bücher füllen jährlich gegen 18 Tonnen, die an die Papierfabrikanten verkauft werden.

Zum Bücherverkauf sind 8 geräumige Säle bestimmt, in denen 13 Diener beschäftigt sind.

Der Absatz wird jährlich ans 2 Millionen Bände, die Flugschriften mit inbegriffen, gerechnet, und die jährlichen Papierkosten werden auf 150,000 Dollars geschätzt.

Aber nicht allein der englischen Literatur wendet man seine Aufmerksamkeit zu, sondern auch der deutschen. Der deutsche Buchhandel breitet sich von Jahr zu Jahr nicht allein mehr aus und bezieht und setzt ab die aus dem Mutterlande bezogenen Bücher und Erzeugnisse der deutschen Presse, sondern im Lande selbst entfaltet die deutsche Poesie, gefördert durch deutsche Druckereien, sich immer mehr.

Selbst die englisch-nordamerikanische Schriftstellerthätigkeit beginnt, die deutsche Literatur mehr zu beachten und fördert unter ihren amerikanischen Landsleuten die Kenntnis; derselben durch Herausgabe von Anthologien und Blumenlesen sowohl in Poesie als Prosa, und theilt die Erzeugnisse dieser wie jener in Übertragungen in englischer Sprache mit. Von Frederic Hedge erschien eine solche Anthologie aus Deutschlands Prosaikern in englischer Sprache; von Luther bis Chamisso giebt sie Proben aus 36 deutschen Schriftstellern, geschmückt mit Bildnissen. Den mitgetheilten Proben geht jedesmal eine kurze Skizze über Leben und Charakter voran. Die Sammlung enthält eine Abwechslung von Ernst und Heiterkeit, Verstand, Witz und Fantasie, von Theologie, Philosophie, Kritik und Roman, wodurch der gebildete Amerikaner am besten zu einer richtigen Vorstellung von der Bedeutung und Tendenz und zu einem Vorschmack der Schönheiten der deutschen Literatur gelangt. Die Mittheilungen sind dazu Muster von Uebersetzungen – ächte Uebersetzungen – und nicht bloße Paraphrasen.

Auch die englisch-amerikanischen Journale und Reviews befassen sich vielfach mit deutscher Literatur, ziehen sie vor ihr Forum und fällen Urtheile über sie, wogegen sich das deutsch-amerikanische Schriftstellerthum, auf die Bildung des größeren Haufens gerichtet, in Herausgabe, von deutschen Volksschriften und Volksbibliotheken thätig zeigt.

Mit der deutschen Poesie selbst ist es in Amerika übrigens bisher schlecht bestellt; sie hatte bis dahin keinen fruchtbaren Boden, und es bedarf der Ueberwachung derselben noch in demselben Grade, als der noch unkultivirte Urboden der Bearbeitung harrt. Haben sich die bürgerlichen und socialen Verhältnisse der Einwanderer deutscher Zunge erst geordnet, so wird die Zeit lehren, ob in der neuen Welt ein poetisches Gestirn aufgeht, welches die Dichtergestirne der alten Welt überstrahlt.

Für die deutschen Dichterkräfte – und sie sind, wie bemerkt, noch sehr schwach – giebt es gegenwärtig nur eine Zufluchtsstätte; das ist diejenige, welche ihnen die deutschen Unterhaltungsblätter in ihren Spalten bieten, Darin tummelt sich das deutsch-amerikanische Musenroß herum und stößt und schlägt hinten aus; denn die deutsche Muse ist höchst galliger Natur; sanftere Regungen sind ihr noch fern und fremd, und sie hat sich Heine zum Muster genommen, dem sie in Reim und Styl nachpatscht. Man schlage das erste beste deutsch-amerikanische Journal auf, und man wird mein Wort bestätigt finden.



1) The femals Poets of Amerika by R. W. Grieswald 1848,

2) Auch wir werden in unser „Atlantis“ zu diesem Resultate beizutragen streben.