Die deutsch-amerik. periodische Presse

Was in materieller Hinsicht, in der Welt des Verkehrs Schienenwege, Chausseen und Wasserstraßen sind, das sind in geistiger Hinsicht Zeitungen und Journale, die Producte der periodischen Presse. Die größere oder geringere Zahl der in einem Lande vorhandenen periodischen Blätter ist ein sicherer Messer des größeren oder geringeren Grades geistiger Regsamkeit. Je politisch ausgebildeter ein Volk ist, desto größer ist die Zahl der Zeitungen und politischen Blätter. In Europa ist es die Schweiz, in Amerika die Vereinigten Staaten Nordamerika’s, welche in dieser Hinsicht vor den übrigen Ländern hervorragen.

Neben der englisch-amerikanischen Zeitungspresse ist die deutsch-amerikanische periodische Presse während der letzteren Jahre in gewaltigem Steigen begriffen. Von äußerst geringem Ursprung ist sie bereits zu einflußreicher Bedeutung gestiegen. Sie hat das fünf und siebenzigste Lebensjahr eben überschritten, indem im Jahre 1775 die erste deutsche Zeitung zu Philadelphia unter dem Namen: Pennsylvanischer Staatscourier erschien. Eine gleichzeitige Notiz über diese Ahnfrau des deutsch-amerikanischen Zeitungsgeschlechtes, welche vor mir liegt, verbreitet sich in möglichst bündiger Weise über sie; als charakteristisch verdient daraus hervorgehoben zu werden, daß sie das Deutsche darin „pennsylvanisch-deutsch“ nennt. Auch ihre jüngeren Geschwister litten in sprachlicher Hinsicht an vielen Mängeln, und erst „in jüngster Zeit zeichnen sich die deutschen Blätter in Nordamerika durch stets größere Correctheit in einem solchen Grade aus, daß sie den Blättern des deutschen Mutterlandes in keiner Weise nachstehen; die Privatanzeigen und Verkehrsannoncen übertreffen sogar bei Weitem die Ankündigungen der Berliner und Wiener Zeitungen an Richtigkeit in grammatikalischer und orthographischer Hinsicht.


Ich erwähne gegenüber jener ältesten deutschen Zeitung auf nordamerikainschem Boden übrigens noch eine der jüngsten, in deutscher Sprache erschienenen, der „Friedfertigen Wöchentlichen Nachrichten“ oder des „Südseewochenblattes“, welches in Kalifornien das Licht der Welt erblickte. Es giebt ein anschauliches Bild des Lebens und Treibens in St. Francisco, in großem Formate, und enthält neben den Regierungsbekanntmachungen Verkehrsnachrichten, Erzählungen, Anekdoten und Gedichte, Beschreibungen von Schiffbrüchen, Seeräubereien, Einwanderungen, Ansiedlungen in den Goldregionen. Die Privatanzeigen tragen alle den Charakter des Speculationsgeistes und den Stempel der Charlatanerie. An Nachrichten aus Europa ist kein Mangel darin.

Heut zu Tage ist die Zahl der deutschen Zeitungen in der nordamerikanischen Union so groß, daß die Aufführung ihrer Namen mehrere Seiten füllen würde. Die Mehrzahl derselben ist demokratischer Gesinnung, und viele darunter huldigen ihrem Princip nach den Lehren des Socialismus, dadurch veranlaßt, daß viele der seit 1849 aus Deutschland eingewanderten Flüchtlinge gerade dieser Doctrinen halber im Mutterland verfolgt wurden, und sich dieser Verfolgungen durch die Auswanderung entzogen. Sie gerade sind es, welche an der Spitze der deutschen periodischen Presse als Redacteure oder Hauptmitarbeiter stehen. Besonderen Einfluß übten sie auf die letzte Präsidentenwahl, besonders in denjenigen Staaten der Union, worin die deutsche Bevölkerung stärker ist als in den übrigen. So z.B. wirkte der „Beobachter am Ohio“, der zu Louisville in Kentucky unter der Redaction des vormaligen preußischen Referendars Stierlin aus Münster erscheint, im demokratischen Sinne ganz bedeutend, nicht minder andere der deutschen Zeitungen in Newyork, Baltimore, Philadelphia, Cincinnati u. s. w. Alle ohne Unterschied bringen spaltenvolle Nachrichten aus Europa, besonders aus Deutschland in reichen Auszügen aus Zeitungen der deutschen Heimath.

Mit dem Jahre 1846 entstanden in Newyork zwei socialistische Zeitschriften zugleich in deutscher Sprache: „Der Volkstribun“, von Hermann Krieger aus Westfalen und „die Zeit“ von Wilhelm Fröhlich. Früher erschien daselbst schon die „Deutsche Schnellpost“, gegründet von Eichthal und Bernhard; nach dem Tode des Ersteren wurde sie von K. Heinzen und I. Tyssowsky übernommen, welche später die Redaction niederlegten. Die „New-Yorker Abendpost“ wird von Fenner von Fenneberg mit Umsicht redigirt, und erscheint im Verlage der Hamburger Filialbuchhandlung von Schuberth und Compagnie.

Als Pendant zur englisch-amerikanischen National Police Gazette giebt R. Leron seit 1. April 1852 die „New-Yorker Eximinalzeitung“, wöchentlich einmal erscheinend, heraus, welche indeß mehr die Criminalfälle der alten als die der neuen Welt berücksichtigt, und besonders die „Berliner Allgemeine Gerichtszeitung“ und den „Publicisten“ von Thiele ausbeutet.

Neben dem Godigschen „Lady’s Book“ zählt Amerika auch eine „deutsche Frauen-Zeitung“; sie erscheint in Milwaukie vom März 1852 an, redigirt von Mathilde Francisca Anneke, geb. Giesler. Die Herausgeberin, auch in Deutschland als Dichterin bekannt, Gattin des früheren Artillerielieutenants und spätern Majors im Pfälzer Revolutionsheere Friedrich Anneke, bestimmt die Frauenzeitung nicht ausschließlich für Frauen; „auch die Männer mögen sie lesen“, sie ist den Interessen der Frauen, ihrer Unterhaltung und Belehrung gewidmet; aber ihre Interessen sind mit denen der Menschheit identisch, da das Weib ja die Mutter derselben ist; niemals wird aber die deutsche Frauenzeitung den Verirrungen der s. g. Frauen-Emancipation das Wort reden, aber mit Muth und Entschiedenheit soll sie denjenigen Weg einschlagen, von dem wir überzeugt sind, daß er der richtige ist, welcher uns Alle zum Heile führen kann. Die Wehklage der Unterdrückten findet lauten Nachhall in unseren Spalten, das Häßliche gerechten Abscheu, das Schöne begeisternde Klänge.“ Also das Programm der Frauenzeitung, die halbjährig nur 1 Dollar kostet. Sie erscheint in Nummern von 24 Spalten und enthält Beiträge von der Herausgeberin, Ida Freiligrath, Johanna Kinkel, Josefa Seiler. Ein stehender Artikel beschäftigt sich mit den Frauenvereinen Nordamerikas, und eine „Amerikanische Damenliteratur“ bespricht die neuesten für Frauenlectüre sich eignenden Schriften. Die Zeitschrift kann mit Recht auch den deutschen Frauen im Mutterlande empfohlen werden. Die Herausgeberin lebt nach den Stürmen der deutschen Revolution ein stilles, beschauliches, literarischer Thätigkeit gewidmetes Leben im amerikanischen Norden, wo ihr trotz des rauhen Klima’s wohl ist – „im Exil,“ im Kreise der Ihrigen. Das Motto der Frauenzeitung ist Friedrich’s von Sallet Ausspruch : „Das Weib ist ein unbewegter durchsichtiger See, vom ewigen Lichte bis auf den Grund erleuchtet,“ während der socialistische „Volkstribun“ mit der Keule drein schlägt, die Rufe an der Stirn: „Die Arbeit hoch! Nieder mit dem Capital!“

In Newyork redigirt der frühere Advocat zu Güns in Ungarn, Samuel Ludvigh, ein wöchentlich einmal erscheinendes Journal: die Fackel. In Deutschland ist dasselbe verboten, obwohl es meist nichts weiter ist als ein Abklatsch von Artikeln deutscher vormärzlicher „liberaler“ Blätter, als der deutschen Jahrbücher von Ruge, der Schriften von Feuersbach, Wislicenus, selbst des alten Philosophen Fichte u. s. w. Sogar Hartwig Hundt von Radowsky’s Schriften wider die Juden verschollenen Andenkens, der alte Wiener Blumauer u. s. w. müssen zur Spaltenfüllung dienen, und was an Originalartikeln geboten wird, ist meist unverdaulicher Natur und erregt Obstructionen. Außer den obengenannten Herausgebern deutscher Blätter und Zeitungen begegnen uns in gleicher Eigenschaft auch die bekannten Namen: Gd, Pelz, Weitling, K. Heinzen, Moras, I. de Marle, H. Börnstein, Fr. Raine, Lorenz Brentano, Nick. Schmitt und Andere, ebenso Dr. W. Keller und Dr. H. Tiedemann als Herausgeber des „Nordamerikanischen Monatsberichts für Natur- und Heilkunde“, der seit 1. Juli 1850 in Monatsheften in Philadelphia erscheint.

Aelter noch als der obenaufgeführte Pennsylvanische Staatscourier ist der indeß gegenwärtig nicht mehr erscheinende „Pennsylvanisch-deutsche Berichter“, von Christoph Sauer in Germantown von 1729 – 1744 herausgegeben und von da bis 1777 als „Germantowner Zeitung“ erscheinend, Von den noch bestehenden deutschen Zeitungen sind der seit 1797 erscheinende „Readinger Adler“ und die 1799 gegründete „Harrisburger Morgenröthe“ die ältesten; beide sind pennsylvanische Blätter.