Vorwort und Einleitung.

Accipe pacato, lector, proverbia vultu,
Quod gerit hic, nutn statque caditque tuo.

Deutsch:


Nimm dies Sprichwörterbuch, o Leser, mit freundlichem Blick auf.
Wenn’s Dir gefällt, so besteht’s, wenn’s Dir missfällt, so vergeht’s.

Diese Worte, welche der Spanier Mosen Pedro Valles der Vorrede zu seinem 1549 zu Saragossa herausgegebenen „Libro de Refránes“ (Sprichwörterbuch) vorangesetzt hat, setze auch ich diesem meinem Buche voran, um so mehr, als das Buch des genannten Schriftstellers die Grundlage des meinigen bildet. Über Mosen Pedro Valles und sein jetzt außerordentlich selten gewordenes Buch, das mir im Originale vorlag, wird der zweite Theil des meinigen, der die Literatur der Sprichwörter der romanischen und germanischen Sprachen bringen wird, Näheres mitteilen.

Mein Buch ist die Frucht der Arbeit von 1223 Tagen und besonders Nächten: den bei weitem größten Theil habe ich in den Nachtstunden von 10 Uhr Abends bis 3 — 4 Uhr Morgens ausgearbeitet Am 1. Januar 1878 habe ich diese Arbeit begonnen, am 9. Mai 1881 das vollendete Manuskript zum Druck abgeliefert.

Ich war lange im Zweifel mit mir, ob ich schon jetzt mein Buch der Öffentlichkeit übergeben sollte. Das alphabetisch geordnete „Libro de Refránes“ enthält nämlich 4300 spanische Sprichwörter, das meinige nur die unter dem Buchstaben A mitgetheilten 555 an der Zahl. Aber die folgenden Gründe bestimmten mich, doch mit der Herausgabe dieses Bruchtheils schon jetzt hervorzutreten. Meine Absicht ging natürlich ursprünglich dahin, die ganze Sprichwörtersammlung von Mosen Pedro Valles in gleicher Weise zu bearbeiten, wie es jetzt mit diesem Bruchteile derselben geschehen ist Allein die Zeit, welche schon die Ausarbeitung dieses Bruchteils in Anspruch genommen hat, zeigt mir, dass die Durchführung meines ursprünglichen Planes ein Ding der Unmöglichkeit für mich ist bei meinem vorgerückten Alter. Zur Zeit, wo dieses mein Buch erscheint, stehe ich bereits im 73. Lebensjahre. Wenn mir auch von Gott die große Gnade gewahrt ist, mich noch voller körperlicher Rüstigkeit and geistiger Frische zu erfreuen, die es mir ermöglichten, bis jetzt einer so anstrengenden Arbeit mich zu unterziehen, so wäre es doch Vermessenheit, auf die Fortdauer dieses günstigen Zustandes in die Länge zu rechnen. Ich muss vielmehr den Grenzen, welche die Natur der geistigen und körperlichen Kraft und Tätigkeit des Menschen gesteckt hat, Rechnung tragen. Jeder Tag kann mir eine unerwartete Änderung meines jetzigen Zustandes bringen.

Wenn schon die Erwägung dieser Tatsache mich bestimmen muss, die Frucht meiner bisherigen Arbeit der Öffentlichkeit nicht länger vorzuenthalten, so musste auch die weitere Erwägung mich in diesem Entschlusse bestärken, dass auch schon diese Veröffentlichung dem weiter unten entwickelten Zwecke, den ich mir bei meiner Arbeit vorgesteckt habe, in ausgedehntem Maße entspricht.

Es sind zwar nur 555 spanische Sprichwörter, die ich in meinem Buche behandle. Aber mit Hinzufügung der zahlreichen Synonymen und der entsprechenden Sprichwörter in den vielen anderen Sprachen werden es viele Tausende. Zudem bildet meine Arbeit ein in sich abgeschlossenes Ganzes, das sehr wohl für sich bestehen kann, auch wenn keine Fortsetzung des Werkes nachfolgen sollte.

Mein Buch ist mein eigenstes Werk, ich habe keinen eigentlichen Mitarbeiter dabei gehabt Wohl aber sind mir eine Reihe von gelehrten Männern mit Rat und Tat dabei forderlich gewesen. Ich habe da in erster Linie zu erwähnen die sämmtlichen HH. Beamten der kgl. Hof- und Staatsbibliothek zu München. Mein verstorbener Freund, der k. Oberbibliothekar Foringer war es, der mich auf das „Libro de Refránes“ aufmerksam machte. Die HH. Oberbibliothekar (jetzt Director) Dr. Laubmann, Bibliothekare Aumer und Gutenacker, die HH. Custoden Lammerer und Rossmann, die HH. Sekretaire Wilh. Meyer (der gelehrte Herausgeber der Schrift „Die Urbinatische Sammlung von Spruchversen des Menander Euripides und Anderer“ und „Eine Sammlung von Sentenzen des Publilius Syrus“ etc.). Dr. Fritz Hommel (der berühmte Assyriolog), Hartmann und Horhammer, dann Hr. Privatdocent Dr. Simonsfeld, haben alle in Gefälligkeit und Zuvorkommenheit sich überboten, mir die reichen Schätze, welche die k. Bibliothek in sich birgt, anzudeuten und zugänglich zu machen. Die HH Universitätsprofessoren DD. v. Christ und Bursian, dann Hr. Professor Dr. Ratzel am Polytechnikum, sind mir wiederholt mit ihrem gutigen Rathe zur Seite gestanden. Hr. Professor Dr. G. Thomas dahier hat die Güte gehabt, mir ein Verzeichniss der in der St. Marcus-Bibliothek zu Venedig vorhandenen Werke über italienische und französische Sprichwörter zu verschaffen; mein lieber Freund Regimentsarzt Dr. E. E. Mobeck zu Jonkoping in Schweden, der mich zuerst in das Studium der scandinavischen Sprachen einführte, hat mir dann auch Material für meine Arbeit geliefert und mir stets bereitwilligst alle Aufklärungen und Rathschläge ertheilt, um die ich ihn anging; Hr. Dr. Baist hat mir über einige spanische Sprichwörter wertvolle Andeutungen und Aufschlüsse gegeben; den HH. DD. Hach (aus Lübeck) und Stieve verdanke ich die Mittheilung einer Anzahl deutscher und lateinischer Sprichworter aus alteren Werken; Hrn. Pomologen Reichelt aus Würzburg, jetzt Lehrer der Pomologie zu Reutlingen in Württemberg, die Kundgabe der Sprichwörter enthaltenden Werke seines Faches; endlich hat der Gelehrte, Hr. Dr. M. Grünbaum, die Güte gehabt, auf mehrere werthvolle Sammlungen von Sprichwörtern und Werke über dieselben meine Aufmerksamkeit hinzulenken, Allen diesen mich so freundlich unterstützenden Männern spreche ich hiemit meinen warmsten Dank für das von ihnen bethätigte lebbafte Interesse fur mein Werk aus.

Und nun, nachdem ich dieser Dankespflicht genügt, sei es mir gestattet, meinem Werke noch die nachstehenden Bemerkungen über die Sprichwörter im Allgemeinen, ihre Entstehung und Quellen, Wichtigkeit und Bedeutung, die Schwierigkeit ihres Verständnisses, die Genesis und die Ausarbeitung meines Buches, den Zweck desselben, über die darin gegebenen Übersetzungen und die Mundarten der verschiedenen Volker voranzuschicken.