In den Anfang der Welt setzt der Germane das Geschlecht der Riesen, das aus dem Chaos entstanden, den ersten Zeitraum beherrscht. ...

In den Anfang der Welt setzt der Germane das Geschlecht der Riesen, das aus dem Chaos entstanden, den ersten Zeitraum beherrscht. In den Felsengebirgen hausend, mit steinernen Hämmern und Keilen bewaffnet, mit imgeheuern Leibern, aber nicht roh und dumm, müssen sie dennoch einem jüngeren Geschlechte weichen, und werden theils vernichtet, theils auf unwirtliche Gegenden beschränkt. Sie sind ein Jäger-, Fischer- und Hirtenvolk.So wenig wir die mythischen Gebilde auf geschichtliche Erscheinungen zurückführen mögen und dürfen, so müssen wir doch hier eine Abspiegelung wirklich gewesener Zustände anerkennen. Theils war hier die Erinnerung an eine selbst durchlebte Bildungsstufe thätig, theils das Bewustsein des siegreichen Kampfes gegen ein fremdes Volk verschiedener Bildung. Denn die Germanen sind so wenig in Skandinavien wie in einem andern europäischen Gebiete Ureinwohner, sondern zogen als Eroberer ein, die andre Völker verjagten und theilweise vernichteten.Die Geschichte kennt stumme und redende Urkunden. Für die ältesten Zeiten, die man auch die vorhistorischen nennt, weil keine redenden Zeugnisse sich finden, müssen die stummen sprechen, jene Reste im Schosse der Erde oder die mit seltsamen tausendjährigen Zügen, unverstehend und vielfach unverstanden, aus dem Boden hervorlugen. Je nach ihrer Art, ihrem Stoff und der Verarbeitungsweise sind sie verschiedenen Zeiten zuzutheilen, die man gemeinhin das Steinalter, das Bronzealter und das Eisenalter heisst. Das erste umfasst eine Kulturepoche, in der alle Völker einmal standen, und die noch heute bei Völkerschaften Amerikas und der Südseeinseln herrscht.Man hat indessen auch für dieses Steinalter verschiedene Stufen zu sondern; denn es ist ein grosser Unterschied zwischen der Feuersteinwaffe, welche nur die Natur bildete, und den Geräten, die aus Stein und Bein höchst genau und zierlich gearbeitet sind; ein grosser Unterschied, ob die Leichen von den Menschen selbst verzehrt, den wilden Thieren überlassen, höchstens in einen Moor versenkt wurden, oder ob sich sorgfaltig und nach bestimmter Weise gebaute Grabstätten finden.Auch in Skandinavien und den dänischen Inseln muss in ältester Zeit jener Stamm gehaust haben, von dem einzelne Beste in nordischen und norddeutschen Torfen zu Tage gekommen sind. Nur aus den Schädeln können wir auf ihn schliessen, und vermuten, dass es weniger Menschen, als halbthierische Wesen waren, die in rohester und armseligster Weise ihr leibliches Dasein fristeten, noch nicht erwacht für Geist und Gemüt, und allein geleitet durch ihre Triebe. Sie verdrängte ein höher stehendes Volk, von dem uns reichliche Denkmäler blieben und das über das ganze nördliche Deutschland (Holland inbegriffen), über England und Frankreich verbreitet war, das in Skandinavien aber nur die dänischen Inseln, Schonen und Westgothland besetzte. Die bedeutendsten Denkmale dieses Stammes sind seine Grabstätten.Im südlichsten Schweden bis Axewall in Westgothland und Strâvalla-Kyrka in Halland, längs den Nord- und Westküsten von Seeland, am Strande von Fünen, an der Ostküste von Jütland findet man von Menschen aufgeworfene Hügel, in denen die Reste dieses Volkes ruhen. Dieselben lassen sich nach ihrem äussern, so wie nach der Weise der Bestattung in zwei Arten theilen: in Steinhügel mit oberirdischer Leichenbeisetzung (Stendysser, jütisch Jynovne), und in Erdhügel mit Grabstuben (Jättestuer d. i. Riesenstuben, Gângbygninger, schwedisch Haltkors- oder Gânggrifter). 1)Die Steinhügel sind entweder langgestreckt oder rund: Langdysser oder Runddysser.2) Die ersten dehnen sich zuweilen über 400 Fuss weit, mit einer Breite von ungefähr 40 Fuss; gewöhnlich sind sie zwischen 60 und 120 Fuss lang und 16 bis 24 Fuss breit. Sie sind von Erde aufgeworfen und an dem Fuss mit Steinblöcken umlegt. Auf ihrem Rücken aber befinden sich Steinkisten, kunstlos aus Felsblöcken von 6 bis 8 Fuss Höhe zusammengestellt, die mit einem Decksteine geschlossen sind, der zuweilen 8 bis 10 Fuss lang ist. Auf den grösten Langhügeln stehen drei solche Steinkammern, eine mitten, zwei an den Enden; aber selbst auf sehr langen findet sich nicht selten nur eine einzige, die auffallenderweise nicht mitten sondern in der Nähe des südwestlichen Endes liegt. Am gewöhnlichsten sind zwei Kisten vorhanden. Die Rundhügel sind ganz gleich angelegt, aber sind kleiner und haben nur eine Steinkammer.



1) Aufzählung von Namen im Leitfaden zur nordischen Alterthumskunde 28. Was darin über die Gräber selbst gesagt wird, hat manche Berichtigung nötig, ebenso wie ich den von Lisch über die Grabstätten aufgestellten Sätzen nicht beizupflichten vermag.
2) Worsaae Danmarks Oldtid oplyst ved Oldsager og Gravhöie. Kopenh. 1843. S. 62 ff.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Altnordisches Leben