Urbefestigungen im Allgemeinen

Unter Urbefestigungen verstehen wir jene Anlagen, die zum Schutz und zur leichteren Verteidigung des Lebens und Besitztums durch rohe Menschenkräfte mit mangelhaften Werkzeugen unmittelbar aus dem Material, welches die Umgebung darbot, geschaffen und hergerichtet worden sind; gleichgültig, zu welcher Zeit und von welchem Volk; wir schließen von denselben alle Werke aus, deren römischer Ursprung nachgewiesen werden kann, und alle Steinsatzungen, bei welchen Kalkmörtel verwandt ist.

Schlüsse auf ihre Bauzeit werden im Allgemeinen sich in sehr weiten Grenzen zu bewegen haben, und selbst dann noch eben so oft aus der Gegend, in der sich jene Anlagen finden, und aus zufälligen Fundstücken in ihnen — als aus ihrer Konstruktion und ihrem Tracée, aus ihren Profilen und Grundrissen gemacht werden müssen.


Bei diesen Werken sind die Vorteile, die das Gelände gewähren konnte, immer zur Erhöhung der Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit, so wie zur Verminderung der Arbeit benutzt. Gewässer und Sümpfe, schroffe Felsabstürze, steile Lehm- und Lößwände, zähe Erdränder, lange mit Steingerölle überschüttete Berglehnen und dichte Waldungen, alles war willkommen, was den Angreifer abhalten, den Schutzsuchenden verbergen oder doch den Verteidiger vorteilhaft aufstellen konnte. Vorteilhaft war aber immer, bis es zum Handgemenge Mann gegen Mann kam, eine hohe Aufstellung, die den Angreifer zu einem anstrengenden Aufsteigen nötigte, und während dessen unschädlich machte — und die seine Steinwürfe, seine Speere und Pfeile ermatten ließ, in gleichem Maße aber die Würfe und Geschosse des Verteidigers von der Höhe nach der Tiefe an Kraft gewinnen und fähig machte, die Schilde und sonstige Schutzmittel des Angreifers zu durchdringen.

Wir finden daher überall das Bestreben, solche Terrainlagen aufzusuchen, welche die Schutzbedürftigen und ihre Habe bargen, sie wo möglich ohne Nachhilfe ringsum oder doch im Rücken und auf den Seiten sicherten, und so der Verteidigung selbst nur kurze Fronten zur Abwehr überließen. — Plätze, die deshalb nur wenige Verteidiger bedurften gegen viele Angreifer, die nicht alle zum Kämpfen Platz fanden, — Landzungen zwischen Flüssen, Halbinseln, die in Seen oder in sumpfigen Niederungen vorspringen, Bergrücken, die von tiefen Tälern oder Felsterrassen begrenzt sind, finden wir an der engsten Stelle durch Befestigungswerke vom offenen Lande abgetrennt und so geeignet, Viele mit Hab und Gut aufzunehmen, und durch Wenige verteidigen zu lassen. Lagen, bei denen die Natur die Sicherung des ganzen Umzuges übernahm, und die dem Schutz suchenden doch leicht erreichbar waren, sind selbstverständlich bevorzugt, Inseln in Seen und Sümpfen, Felskronen auf Bergkegeln, wie sie die sächsische Schweiz, die Vogesen und die Rauhe Alp darbieten, gewähren Sicherheit nach allen Seiten, und der einer wirklichen Verteidigung noch bedürftige Abschnitt beschränkt sich oft nur auf den engen und gefährlichen Zugang. Solche ringsum geschlossene Felskronen besitzt Preußen und das preußische Rheinland keine, und künstliche Inseln, wie sie die Schweizer Pfahlbauten darbieten, sind unseres Wissens weder im Rheinland noch in Preußen bis jetzt gefunden worden. Der Schutz, den Wasser gewährt, ist im Winter durch Frost und Eisdecke aufgehoben, und hat auch in der wärmeren Jahreszeit seine Gefahren, da es schwer hält, das Vieh — für urtümliche Völker der kostbarste Besitz — leicht und rasch auf Inseln hinüber zu schaffen. Durch Brücken, kopfartige Vorburgen, finden wir diesen Übelstand vermindert.

Nicht weniger häufig sind endlich auch solche Lagen, welche von der Natur nicht begünstigt, ringsum der nachhelfenden Hand bedurften, und nach allen Seiten mit Befestigungswerken umgeben werden mussten, um Schutz zu gewähren. Wie häufig dies Bedürfnis eintrat, sehen wir aus zahllosen Rundwällen in ganz Deutschland und weiter hin nach Osten und Westen; ja wir würden ihnen noch weit häufiger begegnen, wenn nicht gerade in den fruchtbaren Ebenen, die am frühesten Bewohner anzogen, und die in friedlichen Zeiten am meisten Reichtum, am meisten schätzenswerte Habe hervorbrachten, und doch selbst am ärmsten an natürlichen Schutzmitteln sind, die künstlichen Wehrbauten durch den rasch einebnenden Pflug alsbald wieder verschwunden wären. Dennoch haben sich auch hier, von schöne Beispiele erhalten.

Durch Natur und Kunst gesicherte Plätze haben teils als bleibende Wohnstätten, teils als vorübergehende Zufluchtsorte in Zeiten der Gefahr gedient. — Ob das eine oder das andere, ob jene alten Verschanzungen einst bleibende Wohnplätze umschlossen oder nur zeitweilig bezogen waren — darüber geben sowohl ihre noch heute zu beurteilende Lage, in wie fern sie zur friedlichen Ernährung bequem war oder nicht — als auch Nachgrabungen mit größeren oder kleineren Knochen- und Scherbenfunden vollkommen Aufschluss. Da Wohnplätze unendlich häufiger als Kultusstätten sind, so wird man sich zu hüten haben, in jedem Knochen ein Opfertier, in jedem Scherben eine Opferschale zu sehen.

Wenn bei feindlichen Einfällen durch viele Einzelbefestigungen die Widerstandskraft und die Sicherheit eines Ganzen — etwa eines Gaues — an Zähigkeit gewann, so musste doch erkannt werden, dass durch den Zusammentritt Vieler zu einem Befestigungsverband jedenfalls die Arbeit vermindert, der Schutz verbreitert und meistens auch die Verteidigung erleichtert wurde. Denn der Unterschied zwischen den für eine Familie nötigen Sicherheitsanstalten und den für eine größere Genossenschaft erforderlichen Befestigungen liegt nicht etwa nur in der kleineren und größeren Ausdehnung, sondern namentlich darin, dass bei der größeren Ausdehnung genossenschaftlicher Befestigungsanlagen es leichter wird, sie an starke Terrain-Hindernisse — an Seen, Sümpfe, Flüsse, Felsabstürze und Talwände — anzuschließen, und mit ihnen nicht nur des Einzelnen fahrende Habe, sondern auch Aller liegendes Gut, Haus und Hof, Feld, Wald und Weide mit allen Unterhaltsmitteln, die sie liefern, zu decken — dem Feinde zu entziehen und zu verteidigen. Wenn nun auch einem allerfrühsten Zustand die Zuflucht und Befestigung der Einzelfamilie entspricht, so liegt doch der Vorteil eines Zusammenhaltens großer Genossenschaften nahe, und musste schon früh erkannt werden; aber bei den vielen Vor- und Rückschritten, welche Einsicht und Kultur in der Weltgeschichte zu machen pflegt, sind Schlüsse auf das höhere Alter einer Einzelschanze, im Gegenhalt zu ausgedehnten Anlagen im besonderen Fall nicht stichhaltig. Dieselbe im Lauf der Zeiten immer wieder hereinbrechende Not führte immer wieder zu Schutzmaßregeln, die das Terrain eben so benutzten, Jahrhunderte, ja Jahrtausende lang dieselben Formen wählten und sich derselben Baumittel bedienten. Denn mit lang andauernden Kriegen, mit der allgemeinen Unsicherheit fiel man wieder nahezu in die alte urtümliche Barbarei zurück und konnte nicht anders, als sich der ursprünglichsten Schutzmittel bedienen, diese bestehe in Anlagen aus Erde, aus Stein und aus Holz oder Strauchwerk.

Es ist hier der Ort, darauf aufmerksam zu machen, dass Erde erst seit Einführung der Pulvergeschütze zur Deckung des Verteidigers angewendet wird; dass sie vordem als Wall angeschüttet nur dazu diente, ihm eine hohe, vorteilhafte Aufstellung zu verschaffen und das Hinterland den Blicken und Geschossen des Angreifers zu entziehen. Wenn bei der heutigen Kriegführung der Verteidiger auf dem Wall hinter einer Erdbrustwehr gedeckt ist, so war er es in der Urzeit bis ins Mittelalter nur durch Blendungen aus Holz, Flecht- und Mauerwerk. Die Erdaufwürfe, deren Überreste wir noch finden, dienten daher nicht zur Deckung, sondern zur Aufstellung der Verteidiger auf denselben. Dasselbe gilt auch von den Steinwällen.
Wir finden Erdwälle mit und ohne Graben, mit Graben davor und dahinter. Durchschnittlich ist aus dem Graben der Boden für den Wall, zugleich aber bei der Lage vor dem Wall ein Hindernis gewonnen. Ist der Graben hinter dem Walle, so fällt allerdings dieser letzte Zweck weg, aber die Anlage findet ihre Erklärung darin, dass ein nach der feindlichen Seite durch Holz, Strauchwerk oder Stein steil aufgeführter Wall aus dem dahinter gelegenen Graben nach Willkür, selbst wenn der Angreifer schon davor steht, noch immer erhöht werden kann, und dass der Graben hinter dem Wall der fahrenden Habe, die darin untergebracht war, schon Deckung gewährte, wenn der Wall auch nur die halbe Höhe hatte, die sonst hierzu nötig gewesen wäre; auch da, wo das Gelände hinter dem Wall noch höher ansteigt, und daher von Außen trotz des Walles übersehen weiden kann, ist der Graben hinter demselben zum Aufenthalt für die, welche den Kämpfenden Steine und Speere zureichten, für die Familie und ihr Fahrnis ein Bedürfnis.

Wälle, die weder vor noch hinter sich einen Graben haben, aus dem die Erde entnommen sein kann, lassen vermuten, dass sie aus abgeschältem Rasen aufgeführt worden sind, so wie die meisten Grabhügel dies gleichfalls aus dem Mangel an Gräben und aus dem dunkeln, feinen Boden, aus dem sie bestehen, annehmen lassen. Wenn man weiter bedenkt, dass zum Abschälen und zum Transport des Rasens viel einfachere, ja selbst gar keine Werkzeuge und Vorrichtungen nötig sind, während das Ausschachten eines Grabens, und die Förderung des daraus gewonnenen losen Bodens schon bessere Werkzeuge, Hacken, Schippen, Körbe und dergleichen erfordert — so gelangen wir zu dem weiteren Schluss, dass Wälle ohne Gräben im Allgemeinen älteren Ursprungs als solche mit Graben sein werden. So wie Wälle aus Rasen, so wurden sie auch aus aufgelesenen, nicht gebrochenen, Steinen aufgeführt; und entsprechen so gleichfalls der älteren Kulturstufe. Das Haupterfordernis dieser Wälle — Erd-, wie Stein-Wälle — war ihre Höhe und ihre Steilheit auf der feindlichen Seite — wo sich dies auch ohne Wallanschüttungen erreichen ließ, ist es geschehen, und wir finden dann durch Abgrabungen steile und hohe Terrassen und Ränder gebildet, welche alle Ansprüche einer urtümlichen Befestigung erfüllten. Da aber bei angeschütteten Wällen, und bei solchen, die aus zusammengelesenen, nur selten lagerhaften Steinen errichtet werden sollten, eine genügende Steilheit nicht ohne weiteres Binde- und Bekleidungsmittel hergestellt werden kann — so werden wir dazu geführt, diese Haltemittel in Zwischenlagen und Bekleidungen von Holz und Strauchwerk zu suchen. Von dem Holz- und Strauchwerk selbst hat sich natürlich nichts mehr erhalten. Als das Holz vermoderte, sanken Erde und Steine zu den formlosen Haufen zusammen, als welche wir sie noch vor uns sehen. Wurde aber das Holz durch Zufall oder feindliche Absicht in Brand gesteckt, so muss es sich als Kohlenschichte und die Erde als mehr oder minder vom Feuer alterierte, gebrannte Masse wieder finden. So sehen wir beide in den alten Verschanzungen auf dem Burgberg bei Melaune, auf dem Proschenberg bei Bautzen und bei Arkona auf Rügen; hier erkennen wir vier bis fünf von Kohlen und geglühter Erde wechselnde Schichten als Bestätigung dessen, was der Chronist Saxo Grammaticus von der absichtlichen und sieggekrönten Brandlegung zur Eroberung dieser alten wendischen Feste durch die Dänen erzählt. Wo aber der Wall aus Steinen und Holz wechsellagernd errichtet war, da musste je nach der Natur der Felsart das in Brand gesetzte Holz die Steine färben oder schmelzen, und Beispiele solcher Wirkungen bieten uns die Schlackenwälle der Lausitz und Böhmens (der Schaafberg und der Stromberg bei Löbau, der Schaafberg bei Buckowetz und noch 3 oder 4 andere), die Glasburgen (vitrifird forts) in Schottland und einige Schlackenwälle in Frankreich, von denen der bei St. Peran der ausgezeichnetste ist.

Aber abgesehen von diesen Schlüssen, haben wir auch die bestimmtesten historischen Nachrichten über diese aus Stein und Holz gemischten Konstruktionen in der von Cäsar gegebenen Beschreibung der gallischen Mauern. Es bedarf zu unserm Zweck keiner philologischen Peinlichkeit, um zu erkennen, wie durch die Holzeinlagen die Steine steil und selbst senkrecht aufgeführt, einen festen Zusammenhalt gewannen, und wie anderseits das Verbrennen des Holzes dadurch erschwert, freilich nicht verhindert werden konnte. Was Cäsar in dem weit höher als Germanien kultivierten Gallien mit wohl verbundenen Balken ausgeführt sah, das konnte in Preußen wie am Rhein, minder schön zwar für das Auge — aber für kurze Dauer eben so zweckmäßig mit Strauchwerk und Faschinen — die man zwischen die Steine legte, zu Stande gebracht werden.

Für unsere Ansicht, dass die alten Verschanzungen ganz allgemein ihre Steilheit und Sturmsicherheit durch die Anwendung von Holz und Strauchwerk erhielten, finden wir endlich noch eine weitere Bestätigung in solchen Wallüberresten, die als Fortsetzung höherer Wälle sich in so unbedeutenden Abmessungen durch unsere Wälder ziehen, dass wir sie nur für die Erddecke eines einst aus Holz aufgeschichteten Walles ansehen können, wie solche z. B. die Trajanssäule, zwei Schiffbauer umschließend, darstellt.

Wir sind so zu den reinen Holzkonstruktionen gelangt. Beispiele von solchen aus Palisaden, aus Planken, aus Scheitholz oder aus Flechtwerk gebildeten Abschlüssen hat uns die Trajans- und Antonius-Säule erhalten, und wir werden um so weniger irren, wenn wir das für Dazien Geltende auch auf unser Gebiet beziehen, als uns hier zahlreiche schriftliche Zeugnisse Meldung tun von dem Bau hölzerner Burgen und Landwehren, wie von ihrer Zerstörung durch Feuer, und als unser Waldreichtum dies Material überall zuerst und vorzugsweise ergreifen ließ. Eine in der größten Ausdehnung und bis auf unsere Tage erhaltene Befestigungsanlage durch die Verwendung von Bäumen und Sträuchern finden wir in den lebenden Verhauen, in den sogenannten Gebücken. Die Bäume wurden in verschiedener Höhe abgeworfen, ihre Seitenäste, so wie die der dazwischen stehenden Sträucher zur Erde gebückt, mit einander verschränkt und verwuchsen so in 50 und mehr Schritt breiter und meilenlanger Erstreckung zu einem Dickicht, das für Menschen und Pferde — ja oft selbst für Jagdhunde — undurchdringlich war.

Wir mussten diese Einleitung vorausschicken, um vor den Augen unserer Leser die alten Verschanzungen, von denen wir einige Beispiele aus Preußen beschreiben wollen, aus ihrem zerfallenen und verwischten Zustande wieder erstehen zu lassen.