Danhauser, Fendi, Ranftl, K. Schindler u. a.

Der zweite große Sittenschilderer des vormärzlichen Wien war Josef Danhauser. An der Akademie knüpften sie Freundschaft , der nach manchen Irrfahrten wieder zu fleißigem Studium eingekehrte Waldmüller und der um zwölf Jahre jüngere, frühreife und verzärtelte Danhauser. Dieser war in einem reichen Milieu unter mannigfachen Kunsteindrücken aufgewachsen. Sein Vater war ein vermögender Kunstgewerbler; er verfertigte oder verschaffte alles, was zur Einrichtung einer eleganten , molligen Wohnung notwendig war: schöne Möbel, Schnitzereien, kleine Bronzen. Zu diesem Zwecke hatte er ein vornehmes kleines Gartenschlösschen auf der Wieden, im Besitze des Grafen Karolyi, gemietet. Dort wurde 1805 das Knäblein geboren, das später seines Vaters Namen so berühmt machte. Kämpfe waren dazu nicht nötig. Der alte Danhauser hätte es zwar lieber gesehen, wenn der kolossal musikalisch begabte Junge Violinvirtuose geworden wäre; als dieser aber mehr Interesse für die Malerei zeigte, gab er ihn mit 16 Jahren an die Akademie. Wenn er dort technisch so manches von Lampi und Maurer profitierte, so mag für seine geistige Verfassung und die spätere Stoffwahl der Verkehr mit dem in harten Entbehrungen gereiften Waldmüller ausschlaggebend gewesen sein. Auch er kam früh in Opposition zu der herrschenden Clique, aber es schadete ihm wenig, und von dem bisschen Zorn, das verschiedene Maßregelungen und Hintansetzungen in ihm erweckten, befreite er sich durch Karikaturen und satirische Bilder, deren einige im Hofmuseum aufbewahrt sind. Hatte sich Waldmüller gegen die Frömmelei seiner ,,Frau Mahm“ nur durch die Flucht schützen können, so war Danhauser von Hause aus freisinnig, ein strammer Gegner klerikaler Übergriffe und der unter Metternich zum System gewordenen Spionage und Überwachung. Also auch hier, trotz der eleganten, weltmännischen und humorvollen Erscheinungsform von Danhausers Kunst, herrscht keineswegs jene zahme Zufriedenheit und Fachsimpelei, wie man sie mit dem Begriffe der Biedermeierei gewöhnlich verbindet. Alle diese Schaffenden aus dem Vormärz hatten eine kernige, selbständige, räsonnierende Art, die sich nicht unterkriegen ließ und 1848 recht deutlich ihre Meinung aussprach. Zartere Naturen, wie Grillparzer, wurden wohl zu verstimmten ,,Raunzern“ und zogen sich in die Einsamkeit zurück; andere streitbare Menschen, wie eben Waldmüller und Danhauser, die unerschöpflichen Karikaturenzeichner, die Lustspieldichter mit Bauernfeld an der Spitze, führten einen lustigen Krieg, der uns Nachlebende oft zur Bewunderung hinreißt. Wem die Bevormundung zu dumm wurde, der ging einfach weg; Schwind zum Beispiel, der sein Wien bis ans Lebensende über alles liebte und hier eine schöne, lustige Jugend verbracht hatte; auch Steinle und Schaller verließen die Heimat.

Danhauser hatte das nicht nötig. Er fand auch in Wien seinen Kreis. Zuerst hatten ihm die glänzenden Beziehungen seines Vaters fortgeholfen; so hatte der berühmte Dichter Ladislaus Pyrker, damals Patriarch von Venedig, den Sohn seines Lieferanten nach der Lagunenstadt zitiert. Bald aber fanden seine vortrefflichen Bilder von selbst ihr Publikum. Zwar die großen, adligen „Mäzene“ kauften lieber alte Bilder; nur Gauermann mit seinen Jagdstücken und der als Porträtist beliebteste Amerling fanden Gnade vor ihren Augen. Aber unter den reichen Bürgern gab es große Verehrer der einheimischen Kunst. Der Fabrikant v. Arthaber und der Hofvergolder Conrad Bühlmeyer legten nach eigenem Geschmack große Sammlungen an; sie reisten auch mit den Künstlern, zum beiderseitigen Vorteil. Der reiche Bergwerksbesitzer Meyer, die Baumeister Kornhäusl und Jaeger, Zimmermeister Fellner, Seidenfabrikant Putschke, Kaufmann A. Beck, später auch der große Waldmüllersammler Gsell, aus dessen Nachlass die Bilder zu unerhörten Preisen in die Hände der neuen Generation übergingen, verdienen ein eigenes Blatt in dem Ehrenbuche der Stadt Wien.


Danhausers Bilder, besonders in seiner reiferen Zeit nach der holländischen Reise, hauchen das zarteste Aroma der damaligen verfeinerten Geselligkeit aus. Wie entzückend fein, mit einem leichten Stich ins Humoristische, ist die ,,Brautwerbung“! (Im Besitze des Grafen Czernin; s. die Abbildung.) Dieses elegante Interieur, in dem noch die kostbaren reichen Barockformen im biedermeierischen Ensemble wirkungsvoll mitsprechen, die Szene selbst — vorn am Tische der Vater des Bewerbers, dem schönen Mädchen sanft zuredend, im Hintergrunde der geputzte Jüngling mit der alten Dame — , ein Bild, dem ein neuerer Modemaler sicher den Titel ,,Als der Großvater die Großmutter nahm“ anhängen würde! Oder die ,,Dame am Klavier“, die berühmte vielfigurige Gesellschaftsszene ,,Liszt am Klavier“ auf dem die Porträts von Rossini, Paganini, Hector Berlioz, Dumas, George Sand und Liszt zu einer schönen Gruppe vereinigt sind, — ein Gegenstück zu Schwinds ,, Schubert-Abend“, ein Vorläufer von Fantin-Latours Gruppenbildern berühmter Leute; dann die tendenziösen Sittenbilder ,,Der Prasser“ und ,,Die Klostersuppe“, sowie das hochdramatische, von schärfster Beobachtung und intimster Menschenkenntnis zeugende Gemälde ,,Die Testaments-Eröffnung“! Da ist keine lederne Moral, keine rührselige Philisterei, wie in den Romanen und Dramen, auf die der Vers gemünzt wurde: ,,wenn sich das Laster erbricht, setzt sich die Tugend zu Tisch“. Es ist nuancenreiche, in vornehmsten künstlerischen Valeurs gehaltene Darstellung des menschlichen, des großstädtischen Lebens, in dem ja Reichtum oder Armut, Verschwendung oder Sparsamkeit eine so wichtige Rolle spielen. In dem Bilde „Mutterliebe“, das — wie die meisten Gemälde Danhausers, und auch Waldmüllers — in mehreren Varianten existiert, kehrte er noch einmal zum rein Menschlichen zurück, wie er auch mit Vorliebe die Drolligkeiten und Innigkeiten der Kinder — die ja Waldmüller und Fendi ebenfalls so gern schilderten — köstlich wiedergab. Mitten aus dieser erfolgreichen, mit klarster Zielsicherheit und voller Beherrschung der Mittel betriebenen Tätigkeit, die ihn schon in jungen Jahren zum beliebtesten Wiener Maler gemacht hatte, riss ihn der Tod. Kaum 40 Jahre alt, unterlag er einem heftigen Typhusanfall (1845).

Ein Künstler ersten Ranges war hier zu früh dem blind waltenden Schicksal erlegen. Wenn Danhauser in seinen besten Bildern an virtuoser und eleganter Wiedergabe des Stofflichen, an Noblesse der Lichtführung die großen Niederländer Terborch, ja sogar Vermeer van Delft erreicht, so wetteifert er an treffender Charakteristik und Pointen-Reichtum mit den besten Sittenschilderern Englands. Gleichwie Waldmüllers kernige, wahrheitsgetreue Art von den späteren Lieblingen des Publikums Knaus und Defregger nicht erreicht wurden, so hat auch Danhauser unter den Nachfolgenden kaum einen Rivalen. Wie er eine knisternde helle -Seidenrobe suggestiv zu malen, die lebhafteren Farben der Kleider mit den schummerigen Tönen des Raumes in Harmonie zu bringen versteht, kennzeichnet ihn als echten Maler, als Beherrscher der Farbe und ihrer geheimen Zauberspiele. Nie ist er grell und übertrieben und doch wieder nirgends geleckt und unwahr. So bedeutet seine kurz bemessene Schaffensperiode einen Höhepunkt der Kunst, nicht bloß für Wien allein.

Weniger geistvoll, aber mit einem bezaubernden künstlerischen Geschmack schilderte Peter Fendi (1796—1842) das Wiener Leben. Im Ölbild ist er ein wenig befangen und steif; doch ist ihm die Charakteristik des Mädchens, das ,,vor der Lottobude“ steht, überlegend, auf welche Nummer sie ihr Geld und ihre Hoffnungen setzen soll, oder des ,,Sämanns“, der kraftvoll übers Feld schreitet (beide im Hofmuseum) recht gut gelungen. Besonders das letztgenannte, als Titelbild diesem Buche vorangestellte Werk zeigt große Auffassung und eine für jene Zeit ganz erstaunliche Einfachheit des Aufbaues; die Betonung der Umrisse, die Stellung der Hauptfigur im Räume und die Überschneidung durch Querlinien erscheinen wie die Vorahnung neuester Errungenschaften in der Malerei. — Im übrigen fängt die Begabung Fendis erst freier zu spielen an, wenn er mit Wasserfarben malt. Seine besten Arbeiten gehören eigentlich in ein anderes Kapitel, ins Gebiet des Porträts. Die ,,Familienvereinigung“ aus dem Jahre 1834, ein vielfiguriges Gruppenbild der damaligen Habsburger, ist mit einer Unbefangenheit, Treffsicherheit und farbigen Delikatesse hingeschrieben, wie sie nur bei den besten englischen und französischen Aquarellisten zu finden ist. Dieselben Vorzüge haben die meisten seiner Aquarelle. Die Farbe ist meist nur hingehaucht, ohne scharfe Konturen, nur an manchen markanten Stellen rückt er mit einem lebhaften Kirschrot, einem lustigen Blau hervor, das kein moderner Kolorist pikanter bringen kann. Der durchsichtige Schimmer der Augen, der Reiz einer bunten Schleife im Lockenhaar macht ihm keine Schwierigkeit. Es ist das gute Wiener Tradition. Bei jedem noch so flüchtigen Blatt von Kriehuber — der ja Tausende von aquarellierten oder lithographierten Porträten schuf — , von Fischer, Prinzhofer, Lieder, oder gar von Meister Daffinger finden sich diese Vorzüge in unendlicher Mannigfaltigkeit. Das war nämlich die ,,in leerem Formenkram erstarrte klassizistische Wiener Kunst,“ von der heute noch gefaselt wird.

Die Brüder Albert und Karl Schindler, aus jener begabten Familie, die uns später den bedeutendsten Wiener-Landschafter, Jakob Emil Schindler, bescherte, lernten bei Fendi die treuherzige farbige Wiedergabe von Volksszenen; sie wählten ihre Sujets am liebsten aus dem Soldatenleben, ohne aber ins Schlachtenmalen zu geraten. Auch von der Monotonie der Friedländerschen Invalidenszenen halten sich diese Bildchen, welche sozusagen den Menschen im Soldaten schildern, mit Glück fern. Wie köstlich gesehen und wie keck gemalt ist beispielsweise die hier in Abbildung wiedergegebene Darstellung einer Rekrutenaushebung auf dem Lande! Diese Werke werden heute auf Auktionen fast ebenso hoch bezahlt, wie diejenigen von Waldmüller. Ein Liebling unserer ,,Alt-Wien“-Sammler ist auch der oben schon erwähnte Johann Mathias Ranftl (1805 — 54). Friedrich Treml (1816 — 52) ist mit Schindler wesensverwandt, während Eduard Ritter (1808—53) mit bescheidenen Kräften den Spuren Danhausers folgt. Auch den Spuren einiger bisher zu wenig beachteter Sittenschilderer, wie Josef Mansfeld, Karl Svoboda, Johann Nep. Mayer, Wilhelm Richter, geht man in jüngster Zeit sorgfältig nach. Franz Eybl (1806—80), dessen Stärke im Porträt lag, wäre auch als Genremaler hier zu nennen. Mit viel Humor zeichnete und malte der gleichfalls jetzt sehr gesuchte Anton Straßgschwandtner (1826 — 81) alle die wechselvollen Aventüren des Kriegslebens. Als Pferde-Porträtist hatte er großen Ruf. Mit Pettenkofen lithographierte er 1850 ,,Die österreichische Armee“ und die ,,Ehrenhalle“. Zwischen Sittenbild, Historie, Soldaten- und Schlachtenbild bestehen damals nur kleine Verschiedenheiten in Auffassung und Behandlung. Künstler wie J. N. Geiger, Peter Krafft, Höchle, l'Allemand, Karl und Leander Ruß z. B. haben auf diesen verwandten Gebieten Tüchtiges geleistet.

Auch Schwind gehört mit einigen seiner früheren, noch in Wien entstandenen Werken in diese Gruppe. Sein Schubert-Abend, auf dem 42 Persönlichkeiten der damaligen schöngeistigen Gesellschaft, neben Schubert Grillparzer, Feuchtersieben, Castelli, Kupelwieser, Josef und Anton v. Spaun, Baron Doblhoff, J. M. Vogl, Franz Lachner und eine Menge schöner Damen in der charakteristischen, hübschen Tracht der Zeit zu einer belebten Gruppe vereinigt sind, gehört zu den bekanntesten Dokumenten Alt-Wiens. Die reizenden ,, Gesellschaftsszenen“, deren eine die Wiener ,, Moderne Galerie“ besitzt, viele köstliche Zeichnungen, die auf das lustige Treiben des Freundeskreises — Schwind, Schubert, Bauernfeld, Lachner — Bezug haben, zeigen echt Wienerische Stimmung. Doch gehen auch die ernsteren Werke, welche die romantische Strömung in der Malerei einleiten, auf Eindrücke und Anregungen seines Wiener Aufenthaltes zurück.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Alt-Wien
Jos. Danhauser, Die Brautwerbung

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Karl Schindler, Rekruten-Aushebung

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J. Kriehuber, Studienköpfe

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J. V. Führich, Jakob und Rahel

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Balth. Wigand, Exerzierplatz

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