Rittergutsbesitzer, Nibelungenhort, Vasallen, Carl I., Ludwig XIV., Junker.

Der Grundstein zu manchem Vermögen, das die bösen, nachfolgenden Kriegsläufte überstand, wurde damals gelegt. Aber eine Hochkonjunktur der Güterpreise und ein Güterhandel entwickelten sich, die manchen, der zu teuer kaufte und pachtete, bei den nachfolgenden, schlechten Zeiten ins Unglück stürzten. Ein großes, schönes Gut, das damals ungefähr 45 Last Ackers (gleich 2.250 Morg.) meist Weizboden und etwa 10 Last schöne Wiesen und Koppeln enthielt, wurde in den neunziger Jahren des 18. Jahrhunderts bereits für 7.000 Taler Gold verpachtet, also etwa für 23.000 Mk., die nach dem damaligen Kaufwert des Geldes aber eine sehr viel größere Summe bedeuten, als heute 23.000 Mk. wert sind, denn die Kaufkraft des Geldes war eine unendlich viel größere. Es gab wenig bares Geld und das Wenige war außerdem schwer erhältlich. Öffentliche Banken bestanden nicht; man war beim Geldverkehr auf die Geschäftsleute und Advokaten, die damals den Geldumsatz vermittelten, angewiesen, deren Sicherheit meistens auf ihre persönliche Vertrauenswürdigkeit beschränkt war. Da, wie es bei Privat–Bankiers immer der Fall sein wird, dies persönliche Vertrauen gelegentlich zu Enttäuschungen und Verlusten führte, auch die öffentliche Sicherheit, die in Kriegszeiten ganz mangelte, nicht der heutigen gleichstand, behielt der Sparsame sein Geld am liebsten im Haufe, in Truhen, Oefen usw., auch in Strümpfen, die zu allen Zeiten ein beliebter Aufbewahrungsort für Geld gewesen sind, versteckt.

Ein vermögender Rittergutsbesitzer, der im vierten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts hoch betagt starb, hatte immer ca. 40.000 Taler in barer Münze, meist wohl in Louisd'or, im Hause. Es war sein Vergnügen, auf langen Tischen, die in sein Zimmer gestellt wurden, sonntäglich diese Summen nachzuzählen. Nach Richtigbefund wurden sie wieder in große Kisten verpackt, die in seinem Schlafzimmer standen. Der Schwiegersohn des alten Herrn, des Besitzers dieses Nibelungenhortes, machte denselben darauf aufmerksam, daß das Geld in den Holzkisten nur höchst unsicher verwahrt sei, man könne diese mit einem gewöhnlichen Nagel öffnen. Der Alte bezweifelte dies. Da erbot sich der Schwiegersohn, ihm zum Beweise das Oeffnen der Kisten mit einem Nagel vorzumachen und führte dies vor den Augen des Schwiegervaters aus. Mißtrauisch sah ihn darauf der alte Herr an: „Herr Swiegersöhn, dat känen Sei uck?“ Von dem Moment war es mit seinem Vertrauen vorbei, obwohl der Schwiegersohn dasselbe vorder in besonderem Maße besessen hatte. Man war in alten Zeiten nicht allein in wirtschaftspolitischer Hinsicht sondern auch im privaten Leben engherziger, kleinlicher und mißtrauischer als der größere und freiere Zuschnitt aller Verhältnisse heute solche Eigenschaften zu entwickeln gestattet. Die Kisten aber scheinen für das vorhandene Geldquantum nicht gereicht zu haben, denn nach seinem Tode war der alte, vertraute Diener allein in der Lage, den nicht orientierten Erben noch große Summen nachzuweisen, die, nur ihm bekannt, in Oefen und sonstigen Schlupfwinkeln verborgen lagen. Er hätte unbemerkt viel davon für sich behalten können, lieferte aber alles ehrlich ab, ein Mecklenburger der guten, alten Art und jener Dienenden, die ein volles Maß von Selbstachtung und Persönlichkeit besaßen, sich dabei aber durchaus in ihrem Stande und als die Untergebenen ihres Herrn fühlten.


Der Zug der Diensttreue findet sich in allen gesunden, aufsteigenden Zeiten des Volkslebens, wo das Dienen nicht als eine Verminderung des persönlichen Wertes, als eine Schande, sondern als eine bewußte und notwendige Unterordnung aufgefaßt wird, aus dem natürlichen Instinkt heraus, daß die Allgemeinheit sich am besten dabeisteht, wenn der Berufene Herr ist und man ihm unbedingt gehorcht.

Sie gipfelt und findet ihre poetische Verklärung in der Königstreue der Vasallen, der seinem Lehnsherrn ritterlich Gut und Blut opfert, dessen höchster Ehrbegriff sich in der unbedingten Treue formuliert, seiner eigenen Ehre, seinem Gott und seinem Herren gegenüber :

„A Dieu mon âme
Ma vie au roi
Mon coeur aux dames
L'honneur pour moi.“

Dieser Ehrbegriff der Treue führte die Schwerter der mittelalterlichen Ritter. Die Kavaliere Carl I. und Ludwig XIV. fochten in seinem Zeichen unter dem Diestel- und Lilienbanner, Friedrich der Große und sein Vater lehrten ihn ihrem ganzen Volke und erhoben es dadurch zur höheren Gesittung des Staatsbegriffes. Dieser Erziehung und den Degenklingen der königstreuen, preußischen Junker verdanken wir den preußischen Staat und mit ihm die Grundlage der Wiedergeburt Deutschlands.