Reitpferd, Hamburg, Eisenbahn, Equipage, Freiheitskriege, Fritz Reuter, Wegeverhältnisse, Stavenhagen, Saatkrähen, Nebelkrähen, Quecksilberkugel.
Man war auf den engen Kreis seines Daseins gebannt, denn die schlechten Wege und der Mangel an öffentlichen Verkehrsmitteln machten es schwer oder unmöglich. Sich ohne zwingenden Grund auf weite Reisen zu begeben. Wer nicht über vier zugfeste Pferde verfügte, konnte solche kaum riskieren, es sei denn, daß er als Wandersmann per pedes apostulomm seine Reise bewerkstelligen wollte. Wer über ein Reitpferd verfügte, ritt lieber, als daß er fuhr und war dies jedenfalls Wohl eine den damaligen Wagen und Wegen vorzuziehende Art der Beförderung. Man ritt sogar zur Kirche und stellte die Pferde während des Gottesdienstes auf den Pfarrhof oder irgendwo ein.
Was hinter dem benachbarten preußischen Staat südlich lag, war das sog. „Reich“ oder die österreichischen Erblande; beide lagen aber so entfernt, daß wohl nur die Wenigsten unter den Wohlhabenden und Gebildeten zu einer Reise dorthin jemals gelangten. Diese erstreckte sich ohne besondere Veranlassung kaum über die größeren Städte des Landes hinaus. In Berlin oder Hamburg gewesen zu sein, war bis zur Zeit der Eisenbahnen noch ein großes Ereigniß, an dem man lange zehrte. Als Gegend besonderer Naturschönheit galt Plön und Eutin in Holstein. Dorthin gingen zur schönen Jahreszeit häufig die Hochzeitsreisen.
Die Reisen waren, abgesehen vom Mangel der Verkehrsmittel und passierbaren Straßen, durch viele Schwierigkeiten, Zoll- und Paßplackereien und dgl. erschwert. Ich entsinne mich nicht gehört zu haben, daß einer meiner seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Mecklenburg grundangesessenen Vorfahren damals nach Berlin gereist sei. Die Berichte über Reisen dorthin, und zwar mittels eigener Equipage, beginnen erst aus der Zeit nach den Freiheitskriegen.
Zur Jugendzeit K'S. erbte ein Einwohner des väterlichen Gutes eine namhafte Summe von einem Verwandten aus Böhmen. Er wurde vor den Patrimonial–Richter zitiert, um vor demselben die nötigen Formalitäten damaliger Zeit zur Erhebung der Erbschaft, welche eine Reise nach Böhmen vernotwendigte, zu erledigen. Man ließ ihn nach Eröffnung des Tatbestandes kurze Zeit im Zimmer allein; als der Richter zurückkehrte, hatte der glückliche Erbe die sämtlichen Erbschaftspapiere in den Ofen gefteckt. Die Reise nach Böhmen erschien ihm als etwas so Ungeheuerliches und Gefahrvolles, daß er lieber die betreffenden Dokumente, wie Cortez seine Schiffe nach der Landung in Mexiko, verbrannte, um sich ein für alle Mal selbst zum Verzicht zu zwingen.
Wie schlecht die Wegeverhältnisse und die Posten in Mecklenburg noch 20 Jahre später waren, davon gibt Fritz Reuter noch eine anschauliche Schilderung in „Meine Vaterstadt Stavenhagen“. Napoleon verfügte deshalb auch nach der Okkupation Mecklenburgs nachdrücklich Wegebesserungen auf den von seinen Truppen benutzten Landstraßen. Die Gutsbesitzer und Behörden mußten, wohl oder übel, ganz gegen den gewohnten Schlendrian, sehr energisch ihre Wege meliorieren.
Der Inhalt einer großen Sandgrube an der Landstraße auf einem Gut meiner Familie ist damals gezwungenerweise zur Besserung dieses Weges verbraucht. Die Erinnerung an die Ursache ihrer Entstehung hat sich erhalten.
Auch wußten alte Leute, daß 1806 mit den Franzosen die Schwarzen Krähen, „Saatkrähen“ gegenüber der heimischen „Nebelkrähe“ genannt, zuerst nach Mecklenburg gekommen seien. Früher waren sie hier nicht eingebürgert. Sie zogen hinter den Truppen her, da die verlassenen Lagerplätze willkommene Beute lieferten und blieb genügend für die Nachzucht davon im Lande. Im Volksmunde heißen diese Krähen heute noch vielfach „Dei Franzosen“.
Die Schulbildung war gering, der Aberglaube groß, Mystika besonders anziehend, Wenn sie mit naturwissenschaftlichem Anstrich erschienen. Die praktische Kenntnis der ungebundenen Natur, die Betrachtung derselben und ihrer regelmäßigen Erscheinungen war allerdings größer als heute; daß Bedürfnis nach wissenschaftlicher Erklärung des Zufammenhanges dabei und neuer Lehre rege, entsprechend der Unwissenheit darin.
Rührend war die Naivität, mit der selbst Höherstehende das Unglaubliche glaubten und anderen glaubhaft zu machen suchten. Auch das Uebernatürliche beschäftigte stark die Phantasie.
Ein Herr v. L., gleichfalls Gutsbesitzer, hatte seinen Nachbarn, den Vater des Herrn K., so erzählte letzterer, eines Tages zu einem merkwürdigen, neuen Verfahren des Fischfanges eingeladen: „Er besitze eine Materie, die sei so schwer, daß, wenn man sie in den Teich werfe, die Fische vom Druck betäubt und getötet an die Oberfläche getrieben würden.“ Kopfschüttelnd, aber nicht ganz ungläubig, folgte der alte K. der Einladung. Mit dem wohlverpackten Wundermittel, in Gestalt einer kleinen Kugel, zog man zum Teiche, v. L. warf diese hinein, leicht platschte das Wasser und alles war wie vorher; kein toter oder betäubter Fisch erschien. Verblüffte Gesichter, vergnügtes Lachen K'S.
Es war eine Quecksilberkugel gewesen. Mißverständnis über die spezifische Schwere des Quecksilbers hatte ihm wohl den unheimlichen Ruf einer tödlichen Schwere, gleich einem Sprengstoff wirkend, verschafft.
Was hinter dem benachbarten preußischen Staat südlich lag, war das sog. „Reich“ oder die österreichischen Erblande; beide lagen aber so entfernt, daß wohl nur die Wenigsten unter den Wohlhabenden und Gebildeten zu einer Reise dorthin jemals gelangten. Diese erstreckte sich ohne besondere Veranlassung kaum über die größeren Städte des Landes hinaus. In Berlin oder Hamburg gewesen zu sein, war bis zur Zeit der Eisenbahnen noch ein großes Ereigniß, an dem man lange zehrte. Als Gegend besonderer Naturschönheit galt Plön und Eutin in Holstein. Dorthin gingen zur schönen Jahreszeit häufig die Hochzeitsreisen.
Die Reisen waren, abgesehen vom Mangel der Verkehrsmittel und passierbaren Straßen, durch viele Schwierigkeiten, Zoll- und Paßplackereien und dgl. erschwert. Ich entsinne mich nicht gehört zu haben, daß einer meiner seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Mecklenburg grundangesessenen Vorfahren damals nach Berlin gereist sei. Die Berichte über Reisen dorthin, und zwar mittels eigener Equipage, beginnen erst aus der Zeit nach den Freiheitskriegen.
Zur Jugendzeit K'S. erbte ein Einwohner des väterlichen Gutes eine namhafte Summe von einem Verwandten aus Böhmen. Er wurde vor den Patrimonial–Richter zitiert, um vor demselben die nötigen Formalitäten damaliger Zeit zur Erhebung der Erbschaft, welche eine Reise nach Böhmen vernotwendigte, zu erledigen. Man ließ ihn nach Eröffnung des Tatbestandes kurze Zeit im Zimmer allein; als der Richter zurückkehrte, hatte der glückliche Erbe die sämtlichen Erbschaftspapiere in den Ofen gefteckt. Die Reise nach Böhmen erschien ihm als etwas so Ungeheuerliches und Gefahrvolles, daß er lieber die betreffenden Dokumente, wie Cortez seine Schiffe nach der Landung in Mexiko, verbrannte, um sich ein für alle Mal selbst zum Verzicht zu zwingen.
Wie schlecht die Wegeverhältnisse und die Posten in Mecklenburg noch 20 Jahre später waren, davon gibt Fritz Reuter noch eine anschauliche Schilderung in „Meine Vaterstadt Stavenhagen“. Napoleon verfügte deshalb auch nach der Okkupation Mecklenburgs nachdrücklich Wegebesserungen auf den von seinen Truppen benutzten Landstraßen. Die Gutsbesitzer und Behörden mußten, wohl oder übel, ganz gegen den gewohnten Schlendrian, sehr energisch ihre Wege meliorieren.
Der Inhalt einer großen Sandgrube an der Landstraße auf einem Gut meiner Familie ist damals gezwungenerweise zur Besserung dieses Weges verbraucht. Die Erinnerung an die Ursache ihrer Entstehung hat sich erhalten.
Auch wußten alte Leute, daß 1806 mit den Franzosen die Schwarzen Krähen, „Saatkrähen“ gegenüber der heimischen „Nebelkrähe“ genannt, zuerst nach Mecklenburg gekommen seien. Früher waren sie hier nicht eingebürgert. Sie zogen hinter den Truppen her, da die verlassenen Lagerplätze willkommene Beute lieferten und blieb genügend für die Nachzucht davon im Lande. Im Volksmunde heißen diese Krähen heute noch vielfach „Dei Franzosen“.
Die Schulbildung war gering, der Aberglaube groß, Mystika besonders anziehend, Wenn sie mit naturwissenschaftlichem Anstrich erschienen. Die praktische Kenntnis der ungebundenen Natur, die Betrachtung derselben und ihrer regelmäßigen Erscheinungen war allerdings größer als heute; daß Bedürfnis nach wissenschaftlicher Erklärung des Zufammenhanges dabei und neuer Lehre rege, entsprechend der Unwissenheit darin.
Rührend war die Naivität, mit der selbst Höherstehende das Unglaubliche glaubten und anderen glaubhaft zu machen suchten. Auch das Uebernatürliche beschäftigte stark die Phantasie.
Ein Herr v. L., gleichfalls Gutsbesitzer, hatte seinen Nachbarn, den Vater des Herrn K., so erzählte letzterer, eines Tages zu einem merkwürdigen, neuen Verfahren des Fischfanges eingeladen: „Er besitze eine Materie, die sei so schwer, daß, wenn man sie in den Teich werfe, die Fische vom Druck betäubt und getötet an die Oberfläche getrieben würden.“ Kopfschüttelnd, aber nicht ganz ungläubig, folgte der alte K. der Einladung. Mit dem wohlverpackten Wundermittel, in Gestalt einer kleinen Kugel, zog man zum Teiche, v. L. warf diese hinein, leicht platschte das Wasser und alles war wie vorher; kein toter oder betäubter Fisch erschien. Verblüffte Gesichter, vergnügtes Lachen K'S.
Es war eine Quecksilberkugel gewesen. Mißverständnis über die spezifische Schwere des Quecksilbers hatte ihm wohl den unheimlichen Ruf einer tödlichen Schwere, gleich einem Sprengstoff wirkend, verschafft.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Alt-Mecklenburg, Erzählungen aus der sogenannten guten alten Zeit