Profan Bauten
Unter den Profanbauten nehmen die durch ihr massiges Äußere, durch ihre weiten von Arkaden und Galerien umzogenen Höfe und die meist besonders ausgestatteten Tore in die Augen fallenden Hane (Abb. 69 — 71) im Stadtbilde eine besondere Stellung ein.
Ursprünglich Raststationen der Karawanen in Wüste und Steppe (Karawansereien), dienen sie in der Stadt zur Herberge der fremden Kaufleute und als Magazine für deren Waren. Sie sind gegenüber den gewöhnlichen Wohnhäusern aus Stein und Siegel erbaut, zum Zwecke der Raumgewinnung sind die oberen Stockwerke ganz oder teilweise über die unteren vorgebaut. Der Wechsel der Stein- und Ziegelschichten gibt meist Anlass zu farbig ornamentaler Behandlung.
Einer der größten Hane ist der Walide-Han (Abb. 71), in dem alljährlich von den dort ansässigen Persern die schauerliche Totenklage über den in der Schlacht von Kerbela (680) gefallenen Märtyrer Hussein gefeiert wird.
Basare
Die Hane liegen naturgemäß in der Nähe der Basare, deren größter, der
Große Basar
als ein ganzes Stadtviertel überwölbter Straßenhallen (s. Panorama II) erscheint, deren jede einer bestimmten Art von Handwerk zugewiesen ist (Abb. 83). Das Zentrum bildet der alte Waffenbasar (Besestan), eine riesige Halle mit neun Kuppeln, die selbst wieder einer kleinen hölzernen Moschee Raum gewährt und in der sich die orientalische Art gegenüber dem einströmenden Europäismus noch am reinsten durch die Ruhe und Gelassenheit des Betriebes zu erkennen gibt.
Wohnhäuser
Gegenüber den Monumentalgebäuden erweckt das Äußere der Wohnhäuser [Abb. 74, 75] einen bescheidenen, meist sogar dürftigen Eindruck. Sie bestehen gewöhnlich nur aus Holz, vereinzelt liegt auch eine Art Fachwerk bloß. Doch bietet die Art des Aufbaues im einzelnen, wie auch in der Gesamtheit des Straßenbildes [Abb. 75] Lösungen, die von einem feinen natürlichen Gefühl für eine wirksame Auswertung des zwecklich und konstruktiv Gegebenen Zeugnis geben. Das charakteristische Überkragen des oberen Stockwerks auf einfachen oder durch Schnitzereien verkleideten Holzkonsolen, der Kontrast der Holzverschalungen mit getünchten Wandteilen, die durchbrochenen Muschrabien (Holzgitter) der Harems, die vorspringenden Erker und Dächer ergeben zusammen mit dem stark schauenden Sonnenlichte malerische Bilder von reicher Abwechslung. Eine besondere Art von Häusern, die die Prinzipien des Holzbaues in die wuchtigen Formen des Steinmaterials umsetzt, bilden die sogenannten
Fanariotenhäuser [Abb. 72, 73, 77], die die handeltreibenden Venezianer, Genuesen und Griechen als feuersichere Warenlager und Wohnhäuser vorzüglich in den Vierteln am Goldenen Horn (Fanar, Balat, Galata, s. oben) erbauten. Gegenüber der Einfachheit des Äußeren auch des vornehmeren türkischen Hauses bietet das Innere ein Bild von Wohlbehagen und Prachtliebe. Wandnischen, Sofas, Teppiche und Kissen ersetzen die europäischen Möbel (Abb. 80).
Paläste
In den Palästen tritt der bunte Fliesenschmuck der Wände, die Intarsien in Holz, Elfenbein und Perlmutter [Abb. 80) hinzu, der kunstgewerbliche Geist, der auch dem letzten Gebrauchsgegenstände anhaftet, zeugt von einer hochentwickelten Wohnkultur, bei der der Sinn für edles Handwerk noch nicht der verallgemeinerten Dutzendarbeit zum Opfer gefallen ist. Die reichsten Schätze dieser Art bietet das
Top-kapu-Serai
auf der äußersten Spitze der Stadt, dem alten Akropolishügel [Abb. 4 und Panorama I und II], dessen Bau bereits von Mohammed dem Eroberer begonnen wurde und das der Sitz der Herrscher bis zum 19. Jahrh. (jetzt ist es Dolmabagtsche am Bosporus, s. Panor. I) war. Inmitten eines üppigen Parks gelegen, besteht der Hauptreiz der ganzen Anlage nicht etwa in einer monumentalen Zusammenfassung von Raumfluchten und repräsentativer Fassadenbildung, als vielmehr in der zwanglosen Verteilung kleiner leichter Bauten (Kiöske) [Abb. 76, 78], in der Einführung intimer Garten- und Hofanlagen mit Teichen und Springbrunnen [Abb. 79], wie überhaupt das verschlossene Privatleben des Orientalen eine Aufdringlichkeit nach außen nicht kennt. Neben dem
Bagdadkiösk als vorzüglichem Beispiel glanzvoller Innenausstattung [Abb. 78] ist eines der schönsten und ältesten Gebilde türkischer Profanarchitektur der nach seinem Fliesendekor benannte
Tschinilikiösk [Abb. 76], der heute als Museum der türkischen Altertümer dient.
Grabstätten (Grabbauten [Türben] und Friedhöfe)
Zum schönsten, was Kunst und Natur bieten kann, gehören die Grabbauten und Friedhöfe Konstantinopels. Die Gepflogenheit, die Toten bei den Moscheen und an besonders verehrten Orten zu begraben, ließ in den Moscheegärten die prächtigsten Kuppelgräber (Türben) der Stifterfamilien und in deren weiterem Umkreis die Zypressenfriedhöfe erstehen, die besonders bei Skutari [Abb. 90] und vor den Stadtmauern bei Ejub [Abb. 3]. der Grabstätte des Fahnenträgers Mohammeds, ungeheure Ausdehnungen erreichen. Die Türben [Abb. 30, 57, 84, 87] sind polygonale kuppelgedeckte Rundbauten von reichster architektonischer Ausstattung, die im Innern [Abb. 87] den mit dem Turban und mit Teppichen und Stickereien geschmückten Kenotaph des Herrschers oder Prinzen neben den kleineren seiner Familie innerhalb kunstvoller hölzerner Gitter einschließen. Riesige Leuchter und schön eingelegte Koranpulte dienen zur Feier und zum Gebete für den Toten. In geringerem Maßstabe erscheinen die Gräber hervorragender Personen von einem Säulenbaldachin [Abb. 85, 88] umgeben, der an den Seiten durch feingearbeitete Bronzegitter und statt der Kuppel durch schmiedeeiserne Bekrönungen abgeschlossen ist. Die gewöhnlichen Gräber zeigen auf der marmornen Deckplatte oder auf dem Kopfende des Grabhügels eine aufrechte, mit Ranken und Inschriften verzierte Stele, deren Bekrönung [Turban oder Fez, bzw. Blumenkörbe) die Gräber der Männer oder Frauen kenntlich macht [Abb. 89, 90].
003. Goldenes Horn vom Friedhofe von Ejub aus
004. Leanderturm, Altes Serai (rechts), Aja Sophia und Achmedmoschee (Mitte) und Seemauern
030. Aja Sophia, Westansicht mit Vorhallen
069. Bojuk Jeni Han
070. Alter Han in Galata
071. Valide Han, dritter Hof
072. Häuser fanariotischer Griechen
073. Häuser fanariotischer Griechen
074. Türkisches Wohnhaus
075. Straße in Türkischem Viertel
076. Tschinili Kiösk im Pop Kapu Serai (jetzt Museum der türkischen Altertümer)
077a. Wohnräume aus Häusern fanariotischer Griechen
077b. Wohnräume aus Häusern fanariotischer Griechen
078. Altes (Topkapu) Serai, Bagdadkiösk
079. Altes (Topkapu) Serai, Teich beim Saal des hl. Gewandes (Hirkai-Scherif-Odasi)
083. Blick in den großen Bazar
084. Türbe Suleimansi I. (gest. 1566)
085. Partie aus dem großen Friedhof von Skutari
086. Vegetationsbild von den Uferhängen des Bosporus
087. Inneres der Türbe (Grabbau) Sultan Mustafa III. und Selim III. Ermordet 1807, an der Südseite der Aja Sophia
088. Grabtürbe am Diwan Jolu in Stambul
089. Türkischer Friedhof. Die mit Turban oder Fez bekrönten Grabsteine bezeichnen Männergräber
090. Türkische Frauen an Gräbern. Die mit Blumenkörben oder Ranken bekrönten Grabsteine bezeichnen Frauengräber
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