Abtragen des Alpennutzen und Schlussrechnung der Alpenwirtschaft

Während die Kühe mit den Kränzen auf ihren Hörnern und lustigem Gebrülle die Alpe verlassen, und friedlich und sanft wie Lämmer die rauen holprigen Alpenwegen (Kühtruien) heimwärts ziehen, sind die Leute in der Taie vollauf beschäftiget, den Ziën zu teilen. — Die Kraxen lehnen um die Sennhütte herum, in der Sennhütte stehen die Leute um das lodernde Kesselfeuer herum, oder essen warme Milchsuppe, und einige praktische Männer machen im Keller drinnen den Überschlag, wie viel Käse und Zieger es auf die Schlutte treffe, (wie schon bemerkt, wird alles nach Schlutten oder wie man es in manchen Ortschaften heißt, nach Zoonfass geteilt), zählen dieselben und wägen die Butter. Haben einige Eigentümer nicht eine ganze Schlutte Zoon, so müssen sie die Unterabteilung selber fortsetzen; der Senntum gibt eine Schlutte heraus, und kümmert sich nicht weiter darum. Dieses findet aber nur bei Käs unb Zieger Statt; die Butter wird auf halbe Viertel Pfunde herausgewogen. Der Käs oder Zieger wird dann, je nachdem es notwendig ist, in Viertel, Drittel, Halbe geschnitten, zwischen die Teile wird ein Messer gesteckt, und der eine Teilende fragt seinen Gegenmann, willst Rücken oder Schneide? und so wird die Sache einfach geteilt. Bei der ganzen Berechnung und Teilung geht es mit aller Gewissenhaftigkeit her. Ist alles geteilt, wird das Betreffnis auf die Kraxen gepackt: wobei es oft sehr schwere Trachten, die über 2 Ztr. wiegen, gibt, und alles macht sich auf die Beine, geht der Heimat zu, und auf einmal steht die Alpe und Taie öde und verlassen, und nach dem Glauben in der Volkspoesie ziehen Kasermandlen und Geister ein, um ihr Unwesen fortzusetzen. — Sobald die Kraxenträger auf fahrbarem Wege kommen, laden sie den Zien auf Karren. Da geht es bann gewöhnlich recht gemütlich zu. Der Älteste im Zuge macht gewöhnlich den Vater, gibt den andern bei seinem Karren ganz sonderbare Namen, (denn an solchen Tagen wird das lustige Lanigervölklein nachgeahmt) und unter Gesang und Jauchzen rollen dann die Karren dahin, halten beinahe in jedem Wirtshause, bis sie nach Haus kommen, wo die Kinder mit Sehnsucht auf Butterschnitte, Käs und Zieger warten*). — Der Bergmeister bekömmt für seine Bemühungen den Alpennutzen von einer Schlutte. Doch einige Käse werden bei der 3 Heilung bei Seite gelegt, um sie bei der Alpenrechnung, welche den darauffolgenden Winter stattfindet, bei einem gemeinschaftlichen Male zu verzehren. Da kommen dann die Eigentümer der Kühe in einer großen geräumigen Bauernstube (an vielen Orten im Meßnerhause) zusammen. Da berechnet der Bergmeister mit einigen Männern nach der bekannten kurzen aber bündigen Bauernrechnungsart die Kosten auf der Alpe, verteilt sie gleichmäßig auf jede Kuh, bestellt neue Hirten, Sennerinnen, wenn es nötig ist, und legt dann sein Amt nieder.

Das Ganze beschließt ein kleines ländliches Mahl, woran die Männer der Gemeinde teilnehmen, und so wird das Sennen fröhlich und heiter beschlossen.


*) In manchen Ortschaften Oberinntals wird der verteilte Alpennutzen unter zweimal, und zwar das erstemal ungefähr um Jakobi und das anderemal am Tage nach der Abfahrt unmittelbar auf den Kraxen nach Hause gebracht. Da kommen dann gewöhnlich die Kinder oft weite Strecken ihren Angehörigen entgegen. Alsdann wird eine kleine Rast gemacht, die Kinder werden mit Butter, Käs und Brot beteilt, und erfreut geht dann Alles mit einander der Heimat zu.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Alpenbilder aus Tirol