Allgemeine Zeitung des Judentums, 12. Jahrgang, 10. Januar 1848 - Zeitungsnachrichten

Ein unparteiisches Organ für alles jüdische Interesse in Betreff von Politik, Religion, Literatur, Geschichte, Sprachkunde und Belletristik
Autor: Herausgegeben von Philippson, Ludwig Dr. (1811-1889) deutscher Schriftsteller und Rabbiner. 1837 begründete er die Allgemeine Zeitung des Judentums, die er bis zu seinem Tode im Jahr 1889 herausgab und redigierte., Erscheinungsjahr: 1848
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Deutschland, Mecklenburg-Vorpommern, Preußen, Juden, Judentum, Geschichte der Juden in Deutschland, Gesellschaft, Literatur, Geschichte, Sitten und Gebräuche, Bürgerrechte, Gleichberechtigung, Gleichheit, Religion,
Die Allgemeine Zeitung des Judentums, war eine deutsche jüdische Zeitung, die vom 2. Mai 1837 bis 1922 erschien. Ihr Untertitel lautete „Ein unparteiisches Organ für alles jüdische Interesse in Betreff von Politik, Religion, Literatur, Geschichte, Sprachkunde und Belletristik“. Sie erschien anfangs zweimal pro Woche, später wöchentlich. Sie wurde die erfolgreichste jüdische Zeitschrift in Deutschland.

Die AZJ wurde 1837 von Rabbiner Ludwig Philippson in Leipzig gegründet, der sie bis zu seinem Tod im Jahr 1889 herausgab. 1890 bis 1909 wurde die Zeitung von Gustav Karpeles herausgegeben, seit 1890 im Verlag von Rudolf Mosse; ein regelmäßiger Autor in diesen Jahren war Saul Raphael Landau. 1909 bis 1919 lag die Herausgeberschaft in den Händen von Ludwig Geiger, danach bei Albert Katz.
Die letzte Nummer der Zeitung erschien am 28. April 1922. Sie wurde abgelöst von der ebenfalls bei Rudolf Mosse erscheinenden CV-Zeitung des Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens.
Das Internetarchiv jüdischer Periodika Compact Memory enthält den vollständigen Bestand der Zeitschrift. (Wikipedia)
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Zeitungsnachrichten.

                              Die Schweiz.

Lengnau, im Dezember 1847. (Privatmitteilung)
Beim Ausbruche des Kampfes gegen den Sonderbund beurkundeten die aargauischen Israeliten ihre Sympathien für ihre Regierung und die gute Sache der Eidgenossenschaft durch Beiträge teils für die im Felde stehenden Soldaten aus ihren Gemeinden, teils zur Unterstützung der Verwundeten und der Hinterlassenen der Gefallenen im eidgenössischen Heere. Tätigen Anteil nehmen im Kampfe für das Vaterland darf der Schweizerjude noch nicht. Ein diesfälliger Artikel im „Schweizerboten“ No. 141 drückt sich hierüber also aus:

„Verhältnisse, die der Israelit nicht selber geschaffen, verhindern seine Teilnahme am ernstheiligen Kampf. Man hat den Israeliten in Friedenszeiten, ihrer wiederholten Bitten ungeachtet, nicht gestattet Teil zu nehmen an den Waffenübungen aargauischer Wehrmänner. Wolle man aber deswegen die Sympathien nicht verkennen, die in den Herzen der Israeliten für das Wohl der Eidgenossenschaft sich regen. Sie können das Schwert nicht ergreifen. Aber beten können sie und erheben darum ihre Wünsche zum Allvater, der über den Sternen thronet, der alle Menschenkinder mit gleicher Liebe liebt, flehen wollen sie zum Urquell des Lichtes, zum heiligen Wesen, vor dem Heuchelei und Frömmelei ein Gräuel, dass er recht bald das Verderben des Krieges von unserm Vaterlande abwende und Ruhe und Frieden, Ordnung und Gesetz in demselben herstellen wolle.“

Der sechste August war es, der einen großen Teil der Bevölkerung hiesiger Umgegend in Bewegung brachte, um einem noch nie gesehenen Feste beizuwohnen, nämlich der Einweihung der hiesigen neuerbauten Synagoge. Wenn es wahr ist, dass die Israeliten aller Orten gewöhnt sind, zur Erhaltung und Befestigung ihrer religiösen Institutionen ungewöhnliche Opfer zu bringen, so lässt sich diese Wahrheit auch auf die Israeliten in der Schweiz anwenden. Die hiesige Gemeinde besoldet einen Rabbinen, zwei Lehrer, eine Lehrerin für weibliche Arbeiten, einen Vorsänger, sie unterstützt mit enormen Summen ihre Armen, und doch hat sie sich, wenn auch keineswegs zu den reichen Gemeinden gehörig, entschlossen, ihre im Jahre . . . erbaute hölzerne Synagoge in Anbetracht ihrer wachsenden Baufälligkeit durch ein neues massives Gebäude zu ersetzen. Am 6. August wurde dieses feierlich eingeweiht. Die Teilnahme der höchsten Landes-, der Bezirks- und Schulbehörde an diesem Feste war in der Tat bemerkenswert. Dr. Schaufenbuhl und Dr. Berner erschienen als Repräsentanten des Kantons Aargau, aus den benachbarten Kantonen, selbst aus Zürich, aus dem Kurorte Baden waren Notabilitäten zugegen. Bei der Einweihung wurden außer . . . und dem 111. Psalm deutsche Choräle vorgetragen. Bei dem Festmahle brachten die Abgeordneten, sowie der Seminardirektor Keller, der gefeierte Redner, Toaste aus und sprachen von den schönen Hoffnungen, die für die Zukunft Israels aufgegangen.
Bernheim, Oberlehrer.

                              Italien.

Rom, 21. Dezember 1847. Der „Felsiero“ von Bologna erhebt sich gegen die in mehren Provinzen des Kirchenstaats stattfindende Ausschließung der Juden vom Dienste in der Bürgergarde, und spricht sich bei dieser Gelegenheit zu Gunsten ihrer Emanzipation in folgender Weise aus:

„Wird denn etwa ihr Geld in den öffentlichen Kassen zurückgewiesen? Und wenn Allen ohne Unterschied des Glaubens das Gesetz die Verpflichtung auflegt, mit ihrem Vermögen zu den Bedürfnissen des Staates beizutragen, warum sollte diese Unterscheidung nötig sein, wo es sich um persönliche Dienste handelt? Warum nimmt man die Protestanten auf, und weist die Juden zurück? Warum zeigt die Regierung Toleranz und Kourtoisie gegen den Kaiser der Türken, während sie gegen die eigenen israelitischen Untertanen bei ihrer Härte verharret? Dieser unglückliche Stamm, von Gesetzen, welche durch so viele Jahrhunderte herrschten, in dem traurigsten Zustande erhalten, musste in notwendiger Reaktion gegen die Unterdrückung feindselige Gesinnung hegen gegen die Herrschenden, die ihn unwürdig des Charakters von Menschen und Bürgern hielten. Aber um sie zu besseren Gefühlen der Gerechtigkeit und Liebe zurückzuführen, um sie zu einem vollkommneren Glauben (!!!) einzuladen, wollen wir doch bei der allgemeinen Wiedergeburt nicht für sie allein jene Sonne der Freiheit verdunkeln, die uns Allen leuchtet und erwärmt.“

                        Deutschland.

Darmstadt, 21. Dezember 1847. (Gr. Hess. Ztg.) In der heutigen Sitzung der zweiten Kammer kam auch der Antrag vor: die Kammer wolle die Staatsregierung um Vorlage eines die Aufhebung aller zivilrechtlichen und zivil-prozessualischen Spezialverordnungen gegen die Juden bezweckenden Gesetzes ersuchen. (An den 2. Ausschuss)

Karlsruhe, 18. Dezember 1847. Manche erwarteten auch von dem jetzigen Ministerium Bekk-Trefurt ein Gesetz über die Emanzipation der Juden, da diese beiden Staatsmänner von den Bänken der Abgeordneten aus stets mit Wärme für die Gleichstellung der Israeliten sich ausgesprochen; allein dafür ist wenigstens auf diesem Landtage noch keine Aussicht, so wünschenswert es auch gewesen wäre, die völlige Gleichstellung wenigstens durch einzelne Bestimmungen vorzubereiten.

Aus dem Rabbinatsbezirk Langenschwalbach (Nassau), 30. Dezember 1847. (Privatmitteilung) Unlängst hat die hohe Landesregierung eine sehr treffliche Einrichtung getroffen. Die Sache betrifft die Ausbildung von Jünglingen zum jüdischen Religionslehramte, in welcher Beziehung unser Rabbiner, Herr Dr. Höchstädter, an die Spitze einer zu diesem Ende zu Langenschwalbach errichteten Anstalt gestellt wurde. Die Einrichtung ist folgende: die Zöglinge besuchen die dortige Realschule – mit Ausnahme mancher Lehrstunden, die nicht strikte notwendig sind – und Herr Dr. Höchstädter, unter dessen Aufsicht die Zöglinge sind, erteilt denselben theoretischen und praktischen (in der dortigen Religionsschule) Unterricht in allen betreffenden jüdischen Lehrfächern. Auch wird von der Regierung ein besonderer Musiklehrer hierfür besoldet. Diese ganz unter den Staat gestellte Anstalt wird von demselben hierdurch in Flor zu bringen gesucht, dass er jährlich fünf Stipendien von je 75 Fl. für die Unbemittelten bewilligt, damit dieselben – außer freiem Unterrichte – auch Kost und Wohnung auf diese Weise sich leicht stellen können. Auch wird künftig nur derjenige, welcher diese Anstalt besucht hat, im Lande als Religionslehrer angestellt. Mehler.

Fürth, 23. Dezember 1847. (Privatmitteilung) Einer Ihrer bayrischen Korrespondenten schrieb neulich, dass in Bayern der Jude zum Staatsdienste unfähig ist; dass dem nicht so ist, finden Sie in der Verfassungsurkunde Tit. IV. §. 1–5. – Dr. Grünfeld dahier ist nicht unter dem hochseligen Max Joseph, sondern 1829, im fünften Regierungsjahre des Königs Ludwig angestellt. Der verstorbene Kreis- und Stadtgerichtsarzt in Kaiserslautern, Dr. Baer, wurde ebenfalls unter der jetzigen Regierung angestellt. Wir haben bei der Armee einen Hauptmann, Herrn Marx, der zwar unter der vorigen Regierung schon Lieutenant war, aber unter der jetzigen, ohne Anziennetät, schon dreimal avancierte. Ebenso ist Postkondukteur Wassermann Staatsdiener, und ein Bataillonsarzt und mehrere Unterärzte haben bereits Staatsanstellungen.
M. A. Aub, Rechnenlehrer.

Hamburg, 30. Dezember 1847. (Magd. Zeit.) Die von der Kommerzdeputation beantragte und schon am 23. d. M. der Kaufmannschaft proponierte neue Börsensaalordnung ist in der gestrigen Versammlung abgelehnt worden; die Stimmenzahl war 196 gegen 119. Sonach ist die, wenn auch nicht allgemein, doch teilweise genährte Hoffnung, den israelitischen Kaufleuten den Eintritt in das Kommerzium gestattet zu sehen, vorläufig wieder gescheitert. Allerdings ist es nicht sowohl Abneigung gegen diese allein, als mehrere Bestimmungen dieser neuen Ordnung, welche das Projektverwerfen machten. Mehrere Hauptredner sprachen sich sogar für eine allgemeine Emanzipation aus. Unterdessen bildet sich jetzt ein Verein, allein aus Christen bestehend, der die Emanzipation der Juden fördern will.

                                Österreich.

Wien, 20. Dezember 1847. Die vereinigte Hofkanzlei ist gegenwärtig mit der Ausarbeitung eines neuen zeitgemäßen Judengesetzes für die Provinzen Böhmen und Mähren beschäftigt, wo daselbe wegen der zahlreichen Einwohnerschaft dieser Religionsgenossen dringend notwendig erscheint.

Pressburg, 14. Dezember 1847. (Bresl. Z) Das Gesetz über die Einwanderung und Einbürgerung in Ungarn ist der Gegenstand der Beratungen in den letzten Sitzungen der Ständetafel gewesen. Die Bedingung, nach welcher die Einbürgerung an das Bekenntnis einer der drei rezipierten Religionen geknüpft, und somit nicht nur Juden, sondern auch Deutschkatholiken usw. ausgeschlossen sein würden, ward mit Stimmenmehrheit verworfen, gleich wie das Erfordernis, dass jeder Einwanderer die Kenntnis der ungarischen Sprache sich angeeignet habe.

Wien, im Dezember 1847. (Privatmitteilung Verschiedenes) Vor einiger Zeit war der Vorstand der Prager Gemeinde hier anwesend, um eine Petition wegen Aufhebung oder Erweiterung des für die jüdische Bevölkerung so drückenden Ghettos persönlich anzubringen. – Ebenso war der Rabbiner Dr. Kohn aus Lemberg hier, um in einer Privataudienz die Lage der galizischen Juden zu schildern. Ein sehr gut geschriebenes Gesuch weist insonders das Demoralisierende der bestehenden Heiratsverordnungen und der Lichtsteuer nach. – In Galizien melden sich sehr viele Juden um freie Ausübung des Schankrechtes, nur um dadurch einen Vorwand zu haben, die damit verknüpfte Bedingung, die europäische Tracht anzunehmen, zu erfüllen. Der Fanatismus will die Ablegung der polnischen Tracht, welche so vielen Vorurteiles, so vieler Spaltung Ursache ist, noch immer hintertreiben, aber sichtlich mit immer schwächerem Erfolge.

Wien, 28. Dezember 1847. Die hiesige Israelitengemeinschaft ist bei Sr. Maj. dem Kaiser in einem Immediatbittgesuche um staatsbürgerliche Emanzipation eingekommen; sie haben ihr Gesuch hauptsächlich auf drei Punkte: nämlich um Aufhebung der Judensteuer, Abschaffung der Aufenthaltstaxe und um Verleihung der Meister- und Bürgerrechte, zusammengefasst. Die Landesregierung soll, dem Vernehmen nach, die Eingabe im Ganzen günstig begutachtet haben.

Philippson, Ludwig Dr. (1811-1889) deutscher Schriftsteller und Rabiner. 1837 begründete er die Allgemeine Zeitung des Judentums, die er bis zu seinem Tode im Jahr 1889 herausgab und redigierte.

Philippson, Ludwig Dr. (1811-1889) deutscher Schriftsteller und Rabiner. 1837 begründete er die Allgemeine Zeitung des Judentums, die er bis zu seinem Tode im Jahr 1889 herausgab und redigierte.

Philippson, Ludwig Dr. (1811-1889) deutscher Schriftsteller und Rabiner. Grabstein auf dem jüdischen Friedhof in Bonn-CastellJPG

Philippson, Ludwig Dr. (1811-1889) deutscher Schriftsteller und Rabiner. Grabstein auf dem jüdischen Friedhof in Bonn-CastellJPG