Warasdin (Kroatien), 25. November 1847. (Ein Wort zur Gründung allgemeiner Schulfonds für die israelitischen Gemeinden Ungarns, von H. Rosenmark, öffentl. Lehrer)

Schon vor ungefähr anderthalben Dezennien erklärten Sie, hochgeehrter Herr Redakteur, in Ihrem israel. Predigt- und Schulmagazin:

„So lange für die Jugend nicht vollständig gesorgt ist, mit Herz und Geist gesorgt ist, alle Bestrebungen für unnütz.“ Die Wahrheit dieses Ausspruches stellt heutzutage. Keiner mehr in Abrede. Selbst Rabbiner und Gemeinden, die im Rufe strenger Orthodoxie stehen, wenden nunmehr gegen das Bestehen oder Einführen öffentlicher Schulen Nichts mehr ein. Pressburg, das der Sitz des Oberhauptes der ungarischen Strenggläubigkeit ist, hat drei treffliche israelitische Unterrichtsanstalten: die königl. National-, die Primär- und die Mädchenschule, und in Papa, wo ein Teil der Gemeinde gegen Löw protestierte, erhebt sich gegen die dort in Bälde ins Leben tretende, großartige Jugendschule auch nicht eine Stimme. Trotz aller dieser günstigen Auspizien wird dennoch eine allgemeine Einführung öffentlicher Schulen, in solange man deren Erhalt von dem vom Familienvater zu zahlenden Schulgelde abhängig machen werde, schwerlich je, oder wenigstens nicht sobald erzielet werden. Um dies Hemmnis wie möglich aus dem Wege zu räumen, wollte ich schon 1840 die Idee, dass die vereinte Kraft sämtlicher Gemeinden in jedem Lande einen allgemeinen Schulfonds gründen möge, und zwar nach ungefährem Plane, nach welchem 6 Jahre später die Steuerenthebungskapitale in Ungarn und Böhmen zu Stande gebracht, in Anregung bringen. Ich teilte dies Vorhaben einigen einsichtsvollen Freunden mit, aber diese meinten – so sehr sie auch die Möglichkeit der Ausführbarkeit dieses Projektes einsahen – dass ich Worte in die Wüste reden werde. Dies, wie die Tatsache, dass Ihr so hoch wichtiger, mit so viel Seele und Gemüt erlassener Aufruf zur Gründung einer jüdisch-theologischen Fakultät Anfangs nur schwache Wirkung tat und zuletzt leider ganz verhallte, schüchterte mich ein damals mit einem Projekte ans Licht zu treten, das in Anbetreff der Summenhöhe das Ihrige noch um das Zehnfache überragte. Jetzt aber, da der Weg durch die Zustandebringung des Toleranzsteuer-Enthebungsfondes so gut angebahnt ist, kann wohl Niemanden mehr der Vorschlag:


Nach Abzahlung der Toleranzsteuer-Enthebungsanleihe einen allgemeinen Schulfonds für Ungarn auf eben die Weise ins Dasein zu rufen, wie man den Toleranzsteuer-Enthebungsfonds zu Stande gebracht, als ein Hirngespinnst erscheinen. Es darf nur ein abermaliges energisches Zusammentreten des Herrn Kunewalder und seiner gleich Hoch- und Edelgesinnten, und ihrer Weisheit, Umsicht und Ausdauer wird es gelingen, das große Werk ins Dasein zu zaubern, durch welches sie ihren Glaubenslandesbrüdern, wie früher eine materielle so jetzt eine Geisteslast für ewige Zeiten abbürden werden. Die Schulen können wahrlich nur dann eine allgemein beglückende Wohltat werden, nur dann zur erfreulichen und gedeihlichen Blüte gelangen, wenn der Familienvater von der ihn oft nur zu drückenden Sorge des Schulgeldes enthoben sein werde.

Gesetzt die sämtlichen Gemeinden Ungarns hätten zur Erhaltung ihrer Schulen eine Summe von 100.000 F. K. M. jährlich nötig, so müssten sie eine Anleihe in solidum machen, welche jährlich ein solches Kapital an Interessen abwirft. Die teilweise Rückzahlung dieser Anleihe könnte, um sie so wenig als möglich fühlbar zu machen, auf noch kleinere Quoten repartiert und auf viel größeren Zeitraum ausgedehnt werden, als bei der Toleranzanleihe. An die willige und leichte Verständigung auch zur Darbringung dieses Opfers von Seite der Gemeinden kann, oder sollte wenigstens, da es doch offenbar in ihrem eigenen hochwichtigen Interesse ebensowohl, als in dem ihrer spätesten Nachkommen am Tage liege, vernünftiger Weise nicht gezweifelt werden. Ein Vernunftargument ist jedoch für einen vielköpfigen Körper selten auch ein sicheres Fundament. – Es ist daher ein festerer, zuversichtlicherer Stützpunkt nötig, worauf dieses Riesengebäude mit Sicherheit ins Werk gesetzt, und seiner Vollendung zugeführt werden könnte. Zu diesem Behufe wäre es, nach meiner unmaßgeblichen Meinung, geraten, dass jenes ehrsame Komité, welches sich zur Aufgabe gestellt, die Interessen der Israeliten Ungarns und der Nebenländer nach Kräften auf gesetzlichem Wege zu fördern, bei dem jetzigen Landtage um die Erlassung eines Gesetzes petitioniere, vermöge welches, nach Ablauf eines gewissen, bestimmten Zeitraumes, jede Israelitengemeinde Ungarns und der Nebenländer, gleich jenen in den deutschen Erbstaaten, eine öffentliche Schule haben muss.

Nötigt nun ein solches Gesetz jede Gemeinde zur Einführung einer öffentlichen Schule, so ist ihr zugleich dadurch, dass sie bemüßigt wird den zersplitterten Unterricht wie die zersplitterten Unterrichtskosten auf eine Schule zu konzentrieren, vor der Hand auch ohne Fonds ein ausreichendes Mittel geboten, sie gehörig unterhalten zu können*). Zwar befiehlt eine, schon seit 62 Jahren bestehende, und unter dem 4. Juni 1843 neuerdings eingeschärfte, allerhöchste Verordnung:

„Keinem Israeliten die Heiratsbewilligung zu erteilen, der nicht ein Zeugnis des empfangenen Normalunterrichtes aufweisen kann“, allein diese hat nur wenig gefruchtet, und wird auch da, wo auf die geistige Hebung einer Gemeinde weiter Nichts als diese Palliative influiert, nimmer ersprießlich fruchten. Die Richtigkeit dieser Behauptung beweist am schlagendsten Galizien, allwo noch beinahe 19/20 seiner israelitischen Einwohnerschaft nicht einmal deutsch lesen kann, obschon diese Verordnung dort seit 1786 viel strenger gehandhabt wird, als hier in Ungarn. Nur ein Landtagsgesetz also, das die Einführung öffentlicher Schulen an befiehlt, vermag das Übel radikal zu heilen, und zugleich zum Zustandebringen eines allgemeinen Schulfonds die mächtigste Stütze zu bieten.

*) Welche ungeheure Summen ein so zersplitterter, und meist sehr zweckloser Unterricht jährlich verschlingt, ersieht man aus Dr. Lilienthals „Russisch-jüdische Skizzen in dieser Zeitung (No. 41 v. J.). Nur die drei Gemeinden Kaminiez, Balta und Mohilew verwendeten für den Unterricht ihrer Kinder in einem Jahre, nach genauen Daten, 10.302 Rubel Silb. d. i. 16.481 Fl. 36 Kr. K. M. und die sämtlichen Gemeinden Russlands verausgaben hierfür 2–3 Millionen Rubel jährlich, also ungefähr 4–5 Millionen Gulden K. M. Welch" eine herrliche Unterrichtsanstalt könnte da nicht in jeder Gemeinde unterhalten, und wie viel, bei weiter Verwaltung noch erspart werden! Korresp.