Preußen, Mühlhausen, 1. Dezember 1847.

Seit langer Zeit haben Sie keine Nachricht über den Zustand unserer Gemeinde erhalten, aber sein Sie versichert, dass wenn auch nicht alles Gute und Lobenswerte, was in unserer Mitte geschieht, der Öffentlichkeit übergeben wird, so schreiten wir nicht desto weniger auf dem einmal betretenen Pfad weiter und die Einigkeit, die bei uns herrscht, wirkt segensreich zum Gedeihen des zeitgemäßen Fortschrittes.

Ein Verein zur Beförderung des Ackerbaus und der Handwerke unter den Juden wurde hier vor Kurzem begründet und hat allgemein Teilnahme gefunden.


Unser vor Jahren begründeter Frauenverein, der den wohltätigen Zweck hat, arme, kranke Frauen zu unterstützen und eine Mitgift an unbescholtene Jungfrauen bei deren Verheiratung zu verabreichen, ist in steter Wirksamkeit und hat schon manche drückende Not erleichtert, manche Träne des Kummers getrocknet, und dabei einen Fonds gebildet, der ihm eine immerwährende Dauer sichert.

Aber der Zweck meines heutigen Schreibens ist die Beschreibung eines Festes, das von allen Mitgliedern unserer Gemeinde aufs Herzlichste gefeiert wurde. – Unser erster Vorsteher, Herr S. A. Oppé, feierte am vergangenen 20. November sein 25jähriges Dienstjubiläum als Vorsteher unserer Gemeinde. Viel Gutes hat der wackere Mann während seiner Amtsführung für die hiesige Gemeinde gewirkt, und er bestrebte sich stets Einigkeit und Frieden zu erhalten. Und wie sehr dieses Streben und Wirken anerkannt wurde, das zeigte die herzliche Teilnahme, die man dem Jubilar an den Tag legte. – Wenn unter unseren christlichen Mitbürgern ein vom Staate gut besoldeter Beamter sein Amtsjubiläum feiert, wird ihm von oben herab eine Belohnung dargereicht. Dem jüdischen Beamten, der honoris causa eine Stelle verwaltet, ihm reicht sein Gewissen und die Liebe seiner Gemeinde den noch schöneren Lohn, der vorzüglich im Bewusstsein, Gutes und Herrliches bewirkt und für das Wohl seiner Glaubensbrüder gestrebt zu haben, besteht.

Da das Fest gerade auf Sonnabend fiel, so wurde dasselbe auch in der Synagoge durch Predigt und passende Gesänge gefeiert. Das Thema der Predigt, die zum Texte die zweite Hälfte des 6. Verses des 29. Kap. in Sprüche Salom. hatten, war: „Die Freuden, welche die Tugend schon in diesem Erdenleben gewährt.“

Nach Beendigung des Gottesdienstes begab sich eine Deputation der Gemeinde ins Haus des Jubilars und überreichte demselben einen silbernen Pokal, als einen geringen Beweis seiner vielen Verdienste und der Zuneigung und Liebe der ganzen Gemeinde. Die Anrede, die Herr David Mankiewitz bei dieser Gelegenheit an den Jubilar hielt, war schön, und schilderte das segensreiche Wirken des wackeren Greises, und tief gerührt dankte darauf der gute Mann. Abends versammelte der Herr Oppé alle Mitglieder der Gemeinde, Männer und Frauen in seinem Hause zu einem fröhlichen Mahle, dessen Freuden durch die Herzlichkeit, welche bei demselben herrschte, erhöhet wurden, und wobei mancher schöne und treffende Toast schallte. So endete dieses schöne Fest, dessen Andenken noch lange bei uns sich erhalten wird, und ein Jeder von uns hegt wohl den innigen Wunsch: „dass der liebe Gott noch lange den geliebten Jubilar in der Fülle seiner Kraft uns erhalte!“