Aus Mecklenburg-Schwerin, Teterow, 15. Dezember 1847.

Dem Beispiele der Unterlassung der Beschneidung, welches in Frankfurt a. M., Berlin, Breslau und Hamburg sich zeigte, ist ein gewisser Herr Hirsch in Teterow (Mecklenburg-Schwerin) gefolgt. Genannter wollte ebenfalls den Akt der Beschneidung an seinem neugeborenen Sohne nicht vollziehen lassen, weshalb der dortige Religionslehrer, Herr Salinger, die Anfrage an den israelitischen Oberrat stellte, ob dem unbeschnittenen Kinde des obengenannten Herrn Hirach israelitischer Seits ein Name zu erteilen sei. Die Entscheidung darüber vom Landesrabbiner Herrn Dr. Einhorn im Namen des Oberrats vom 25. November macht es Herrn S., nachdem daselbst von talmudischem Standpunkte aus motiviert wird, dass der Beschneidungsakt die Aufnahme in die jüdische Glaubensgenossenschaft gesetzlich nicht bedinge, zur Pflicht, dem unbeschnittenen Sohne des Herrn H., nach Anweisung der Synagogenordnung für Mecklenburg-Schwerin S. 68, einen Namen in der Synagoge zu erteilen und schließt mit folgenden Worten: „Möge Gott dieses Kind segnen und es schmücken mit den Tugenden eines Israeliten beschnittenen Herzens, und möchten alle diejenigen, welche durch solche Vorgänge den Fortbestand unserer göttlichen Religion, die unsere Vorvordern tausendmal als einen Bund zwischen Gott und Israel und der gesamten Menschheit mit ihrem edlen Blute besiegelten, bedrohet sehen, und deshalb in innerster Seele sich betrüben, den Gedanken sich zur Beruhigung dienen lassen, dass das Göttliche, seiner Natur nach, unvergänglich ist und dass das Judentum auf den unerschütterlichen Säulen des Rechts, der Wahrheit und des Friedens beruhet; Säulen, die nimmer wanken, wenn auch die Erde wie ein Kleid altere und die Himmel wie Rauch zerflössen.“

Die Namenserteilung ist bereits am verflossenen Sabbat-Chanuka vom Religionslehrer Herrn S. in der Synagoge zu T. auch geschehen. Indem ich mich vorläufig aller und jeder Bemerkung über diesen, in Mecklenburg sonst unerhörten Vorgang enthalte, mache ich nur darauf aufmerksam, dass gleich darauf ein Aufsatz (Rostocker Zeitung vom 12. Dezember, No. 198) von Herrn Professor Delitzsch in Rostock erschienen ist, der kräftig und wissenschaftlich, von talmudischem Standpunkte sowohl als auch von biblischem die Motivierung der Einhornschen Behauptungen in Betreff der Beschneidung widerlegt; und ist demnach jeder Bekenner des Judentums, er gehöre zu welcher Richtung er wolle, dem edlen Verf. genannten Aufsatzes, da er christlicher Konfession ist, herzlichen Dank schuldig.
Aus diesem trefflichen Aufsatz heben wir Folgendes hervor:
„Als das Synedrium noch bestand, nahm es die Kinder, für deren Beschneidung die Eltern nicht sorgten, und vollzog an ihnen die elterliche Pflicht, damit kein Unbeschnittener in Israel sei. In unserer Zeit, wo man erkannt hat, dass in Sachen der Religion keine andere Gewalt als die der Überzeugung des Widerstrebenden gilt, hätte wohl Mancher vom israelitischen Oberrate erwartet, dass er den widerstrebenden Vater von der Verbindlichkeit und dem Sinne des Beschneidungsgebots zu überzeugen gesucht hätte. Statt dessen hat er ihn durch Gründe bestärkt, von denen ein großer Teil der israelitischen Bevölkerung Mecklenburgs sagen wird, dass sie in der Luft fliegen und keinen Grund haben.“ In Bezug auf die Verhältnisse der Juden des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin ist dahin zu berichten, dass am 14. d. M. der gegenwärtige Landtag zu Sternberg die an denselben gestellte landesherrliche Proposition: die Juden in bürgerlicher Beziehung, mit Einschluss der Zulassung zur Advokatur, mit den christlichen Untertanen gleichzustellen, mit 52 gegen 49 Stimmen angenommen hat. Dagegen wird es den Juden auch noch fernerhin benommen sein, weiteren als städtischen Grundbesitz zu erwerben, die Apothekerprofession auszuüben und richterliche Ämter (außer der Advokatur) zu bekleiden.