Berlin, 28. Dezember 1846.

Am 23. d. M. starb hier eine der achtungswürdigsten Persönlichkeiten unter den hiesigen Israeliten, Herr Itzig Goldschmidt, Pflegevater der Gesellschaft der Freunde, in seinem 80sten Lebensjahre. In der Todesanzeige sagt der Ausschuss dieser, über 400 Mitglieder zählenden Gesellschaft:

„Seit dem Jahre 1797 ist in unsrer Gesellschaft kein Krankheits-, kein Unglücks- und Trauerfall vorgekommen, bei welchem er nicht Trost und Hilfe zu bringen bestrebt war und wirklich auch gebracht hat."


—. Von jeher hat es den Neid und Verdruss vieler Beteiligten geweckt, dass den Juden der ärztliche Stand noch offen steht, dass derselbe nicht eben so wie die Advokatur, Professur, das Lehramt etc. ihnen verboten ist — wofür freilich die Konsequenz keine Verteidigung heranzubringen hat. Was man praktisch nicht erwirken konnte, da weder das Publikum noch der Staat sich hat hierzu heranlassen wollen, sucht man von Zeit zu Zeit theoretisch zu erschüttern, und die schriftstellerischen Manoeuvres von Rosas u. A. in Wien, zu deren nachdrücklicher Bekämpfung die A. Z. d. Jud. mannhaft beigetragen, sind noch in gutem Angedenken. Vorkurzem tauchte ein ähnlicher Versuch hier in Berlin auf, und zwar — in der bekannten (!) „literarischen Zeitung", wo dem Juden geradezu die Befähigung abgesprochen wird, „ein wahrer Irren-Arzt oder Schriftsteller zu sein." Natürlich — weil er nicht christlichen Glaubens ist. Mit der „literar. Zeitung" darüber zu streiten, ob die Lehren der jüdischen Religion weniger — wir behaupten sogar viel mehr — geeignet seien einen irren Geist zur Gesundheit zurückzuführen, ob die Zusicherung, begangene Sünden durch ein reuiges Bewusstsein vom einigen Erbarmer vergeben zu erhalten, nicht viel eher die Beruhigung des Gemütes herbeizuführen vermöge, als der Glaube der literar. Zeit, an die „Erbsünde", und so fort — wäre sehr nutzlos. Bekannt ist es aber, dass in der neuesten Zeit eine große, große Zahl Menschen durch die pietistischen Schriften und Bestrebungen geisteswirre geworden — nun, vielleicht meint der Urheber jener Behauptung, dass der homöopathische Grundsatz similia similibus auch bei Irren anwendbar ist, so dass um einen solchen Irren zu heilen, das, wodurch er irre geworden, am Wirksamsten sei. Dann müsste freilich der Irrenarzt Hengstenbergische Kollegia gehört haben! Hat man überhaupt eine Erfahrung dafür, dass ein Irrer durch kirchliche Dogmen kuriert worden? Schwerlich!!!