Berlin, 02. Januar 1847.

Bekanntlich hat die Stadtverordnetenversammlung über die Frage, ob an die märkischen Landstände ein Antrag auf die Emanzipation der Juden von der Stadt zu richten sei? eine Deputation gewählt. Dieser Antrag hat in der Deputation die Mehrheit erhalten und wird ohne Zweifel gleichfalls von den Stadtverordneten genehmigt werden.

—. Die hiesige Voss. Ztg. vom 29. Dezember enthält folgenden leitenden Artikel:


Sehen wir uns nach dem Verhalten der deutschen Ständeversammlungen in der Frage wegen Emanzipation der Juden um, so begegnen wir einer Reihe sehr erfreulicher Bestrebungen, in Folge deren hoffentlich bald die, Buntheit der unzähligen Gesetzbestimmungen über die Juden aus Deutschland verschwinden wird. Je nach den einzelnen deutschen Ländern sind die Juden verschiedenen Stufen von Einschränkungen unterworfen, als: Schutzgeld, Verbot Grundbesitz zu erwerben, oder zünftige Gewerbe zu betreiben, oder aus einem Landesteile in den andern überzusiedeln, oder Gemeindeämter zu bekleiden, oder Staatsdienste zu versehen etc. Gegen alle solche Beschränkungen hat in neuerer Zeit die öffentliche Meinung häufig Einspruch getan, nicht etwa bloß die Zeitungen, welche bei einigen Personen und Parteien als befangen gelten, obwohl die gedruckten Meinungen nichts Anderes als die gedachten und gesprochenen sind, sondern auch die Landstände, welche als amtliches Organ der Volksmeinung betrachtet werden sollen. Sogar der mecklenburgische Landtag beweist sich der Judenemanzipation günstig. Von besonderer Wichtigkeit ist der kürzlich errungene Sieg der Wahrheit und Gerechtigkeit in der badischen zweiten Kammer, welche früher auf die Emanzipation nicht eingehen wollte und damit die Achillesferse ihres Liberalismus zeigte. Was die preußischen Provinzialstände anbelangt, so haben sie sich überwiegend der Emanzipation zugeneigt. Die Provinz Sachsen zwar, getreu ihrer Herkunft aus dem Königreiche Sachsen, wo die Juden in sehr gedrückten Verhältnissen leben, sprach auf dem Landtage von 1845 fast einstimmig gegen die Emanzipation derselben, selbst gegen Revision der Gesetzgebung über die Juden überhaupt. Die Provinz Preußen dagegen wünschte 1843 einstimmig Wiederherstellung und Erweiterung des Gesetzes vom 11. März 1812, jedoch mit Ausschluss der ständischen Rechte; schon 1841 hatte sie die Zulassung von israelitischen Stadtverordneten bei der Wahl der Landtagsabgeordneten abgelehnt. Die Provinzen Schlesien und Posen beantragten mit großer Mehrheit die Ausführung des Gesetzes von 1812; eben so war Brandenburg für Wiederherstellung und Revision dieses Gesetzes. Alle genannten Provinzen traten gegen die vollständige Emanzipation der Jüdin, gegen ihre völlige bürgerliche und politische Gleichstellung mit den Christen auf. Bloß eine Provinz, die rheinische, hat sich schon zweimal, 1843 und 1845 den Ruhm erworben, mit sehr starker Mehrheit (zuerst 54 gegen 19, dann 56 gegen 16) auf jenen von Deutschlands Würde geforderten Schritt anzutragen. Sind nun die Provinzialstände, wie das Gesetz vom 5. Juni 1823 besagt, „das gesetzmäßige Organ der verschiedenen Stände Unserer getreuen Untertanen in jeder Provinz," so darf man nicht wohl bezweifeln, dass die Überzeugung von fünf Provinzen auf die Gesetzgebung Einfluss üben werde. Mindestens ist die Erwartung gerechtfertigt, dass die außer den im ganzen Lande obwaltenden Judenverhältnissen noch bestehenden vierzehn besonderen Gesetzgebungen über die Juden, je nachdem diese verschiedenen Landesteilen mit verschiedener Geschichte angehören, endlich einer gemeinsamen für den ganzen Staat gültigen Gesetzgebung weichen. Das Gesetz vom 11. März 1812 würde als Grundlage und erneuerter Ausgangspunkt dienen können, und es bedürfte nur noch der nachträglichen dort schon in Aussicht gestellten Bestimmung, dass die Juden auch zu Staatsämtern berechtigt seien. Hiermit wäre, da die Ehe zwischen Juden und Christen schon längst landrechtlich zulässig ist, das Werk der Emanzipation geschlossen. Ohnehin darf nicht übersehen werden, dass die Zurücknahme verschiedener Bestimmungen des Gesetzes von 1812, also die Schmälerung bereits erworbener Rechte der Juden, mit dem deutschen Bundesrecht unvereinbar ist. Besagtes Gesetz wurde für die sogenannten alten Provinzen (Preußen, Pommern, Brandenburg, Schlesien in ihren Hauptbestandteilen), wie der Tilsiter Friede sie beließ, gegeben und fiel daher ohne den geringsten Zweifel unter die Bestimmung des 16. Art. der deutschen Bundesakte von 1815, nach welcher bis zu der verheißenen „bürgerlichen Verbesserung der Bekenner des jüdischen Glaubens in Deutschland" — „den Bekennern dieses Glaubens die denselben von den einzelnen Bundesstaaten bereits eingeräumten Rechte erhalten werden." Aus dieser Verbürgung von Bundeswegen folgt, dass das Gesetz vom 11. März 1812 in den alten Provinzen Preußens noch heute zu Recht besteht.