Aus dem Fürstentum Birkenfeld, 20. Dezember 1846.

Es ist eine wahrhafte Erquickung, neben den vielen gehässigen Stimmen der Christen gegen Juden auch hier und da die der Liebe und Gerechtigkeit zu hören und das Streben eines Mannes dankbar anzuerkennen, der nicht hinter der vorgehängten Maske der Toleranz starren glaubensparteilichen Egoismus verbirgt, sondern sich zur Aufgabe gemacht zu haben scheint, bei allen sich als geeignet darbietenden Gelegenheiten den Judenhass und die Judenvorurteile zu vernichten, für die Rechte unserer Glaubensgenossen in die Schranken zu treten und zum Bau des großen Friedensdoms gewürdigter Menschheit seinen Teil beizutragen. Dieser würdige Mann ist der Staatsrat Fischer in Birkenfeld. Ihm verdanken die hiesigen Juden unendlich Vieles. Ohne ihn wären sie vielleicht noch jetzt ohne eigne Rabbiner und Lehrer, ohne geordnetes Synagogen- und Gemeindewesen. Es ist derselbe Staatsrat, der schon im Jahre 1836 vor einer großen Menge Zuhörer von verschiedenen Konfessionen über die ungerechten Zurücksetzungen der Juden einen ansprechenden und warmen Vortrag hielt; derselbe, der in Privatzirkeln und Gesellschaften, wenn die Rede von den Juden ist, sie in Schutz nimmt, und jetzt wieder die erste Nummer seines soeben erschienenen Volksblattes („Vertrauliche Unterhaltungen mit den Bewohnern des Fürstentums Birkenfeld") zur Abwendung eines tiefwurzelnden Vorurteils gegen die Juden benutzt. Nachdem er in dieser Nummer unter dem Titel: „der rechte Weg der Seelsorge", die traurige Lage einer verarmten Familie und einen treugesinnten Geistlichen geschildert, der mühevoll aber doch endlich den Weg zum Herzen der gemütskranken Frau gewann und heilend auf den zerrütteten Seelenstand derselben gewirkt hat, fährt er fort:

„Die vorstehende traurige Geschichte veranlasste mich zur Nachfrage, wodurch denn jene Familie in so tiefen Vermögensverfall geraten sei, und die Antwort war: Einzig durch die Judenhändel!


Dass so viele Untertanen jährlich durch die Juden zu Grunde gerichtet werden, ist eine Klage, die ich nicht bloß von Untertanen, sondern auch von den Behörden sehr oft gehört habe. Sie ist übrigens nicht neu, sie besteht so lange als der Viehhandel in den Händen der Juden fast ausschließlich betrieben wird, und ist in ganz Deutschland überein. Hat das Judentum, die israelitische Religion hieran die Schuld? Ich glaube es nicht, denn es gibt keine jüdische Vorschrift, welche den unerlaubten Wucher in Schutz nahm. Es ist daher mehr Wucherhandel als der Judenhandel der Gegenstand der Anklage und es liegt weniger in dem Judentume als vielmehr in der Eigentümlichkeit dieses Handels der Nachteil für das Volk.

Warum rufen aber die Benachteiligten nicht den Schutz der Gesetze gegen diese Übervorteilungen an? Es ist merkwürdig, dass in den 13 Jahren, seit welchen ich bei dem Justizsenat der Regierung tätig war, nur ein einziger Fall von einer solchen Wucheranklage mir vorgekommen ist, und nach einer langen umständlichen Untersuchung mussten die Angeklagten freigesprochen werden! Wie geht das zu? Sind die Beamten und Richter vielleicht so gewaltige Judenfreunde, dass sie den Juden durch die Finger sehen, oder wohl gar das Recht beugen? Diesen Vorwurf habe ich noch nie gehört, und es wird sich durch die Tatsachen widerlegen, dass überhaupt wenig Klagen und gegründete Anzeigen über Ungesetzlichkeiten der Juden bei den Gerichten vorgebracht werden. Alle jene Klagen drehen sich um einen Punkt. Wenn ein Bauer durch Unglücksfälle, oder was öfter der Fall ist, durch Trägheit, Liederlichkeit oder verkehrte Wirtschaft so weit heruntergekommen ist, dass er sein Vieh verkauft und wieder anderes anschaffen muss und keinen Kredit mehr findet, dann wendet er sich an den Juden, weil dieser der Einzige ist, der ihm Vieh und Kredit gibt. Der Zins wird allerdings nur landesüblich bedungen, allein der Jude sagt: ich muss mein kleines Kapital höher nutzen, als zu fünf Prozent, wenn ich davon leben soll. Für die Ochsen also, die er gegen bare Zahlung sehr gern um 100 Thaler geben würde, fordert er nun 130 Thaler. Er sagt: wenn ich meine hundert Thaler zehnmal im Jahre im Ochsenhandel umschlagen und bei jedem Barhandel nur 5 Thaler verdiene, so gewinne ich mehr als 50 Thaler. — Hat der Jude Unrecht? etc."

—. Mehrere Beschlüsse der Rabbinerversammlung sind in unserm Fürstentum in Praxis übergegangen; namentlich wurde in Oberstein die Doppelfeier der Festtage von der Mehrheit der dortigen Gemeinde außer Geltung gesetzt. H.