Vorrede

Ich hoffe, dass diese Schrift guten Nutzen stiften und mancherlei Bedürfnisse befriedigen wird.

Sie kann ihre Brauchbarkeit, wenn sie ist was sie sein soll, sehr weit verbreiten, viele Vorteile bringen und Schaden verhüten, und auch jungen Badeärzten zum Leitfaden bei ihren Anweisungen zur schicklichen Anwendung der Bäder dienen. Denn sie ist aus vielen Erfahrungen geschöpft.
Schriftliche Regeln machen einen sicherern, bleibenderen Eindruck, als wenn sie bloß mündlich erteilt werden. Viele Menschen halten eine gedruckte Vorschrift für ernsthafter, reifer durchdacht und treffender, und heften ihre Aufmerksamkeit genauer darauf, als wenn sie mündlich gegeben wird. Zerstreuung und manche andere Störung fallen weg, und hindern ihr vollständiges Auffassen und Behalten nicht. Ihre Erneuerung im Gedächtnisse, sowie ihre nähere Betrachtung und Zergliederung, können nach Gefallen und zu jeder Zeit verschafft und angestellt werden.
Von der andern Seite wird den Badeärzten, welche im großen Gedränge der Ratsuchenden auf jedes einzelne Subjekt sofort nicht immer gleiche Aufmerksamkeit zu richten imstande sind, oder sich nicht verständlich und umständlich genug ausdrücken möchten, ihre Arbeit ungemein erleichtert, wenn sie ihren Badegästen eine solche genaue, pünktliche und hinlänglich deutliche Belehrung in die Hände geben können. Daraus werden diese mit aller Muße und Bedachtsamkeit für sich bemerken und abnehmen, was ihnen zum gedeihlichen Gebrauche des Bades in jeder Rücksicht und unter allerlei Umständen nur irgend zu wissen erforderlich sein kann. Solchergestalt vorbereitet haben sie dann von dem Arzte nur noch das Nähere, was sich etwa auf ihren Zustand besonders bezieht, zu erfahren, oder auch einen oder den andern Zweifel sich von demselben lösen zu lassen.


Außerdem geschieht es oft, dass Badelustige sich aus irgendeiner Ursache des rätlichen Beistandes des Badearztes nicht bedienen wollen. Diese werden durch jenen Unterricht, wenn sie ihn gehörig benutzen, vor Schaden geschützt oder doch gewarnt.
Es wird kaum einer Bemerkung bedürfen, wie höchst nötig und wichtig es sei, von dem Baden im Allgemeinen und in jedem einzelnen Falle die rechte Anwendung zu machen, wenn es seinen Zweck erfüllen soll. Wäre es allen Umständen nach auch noch so passlich, und hätte man unter den nötigen Bedingungen mit noch so großer Wahrscheinlichkeit den besten Nutzen davon zu erwarten, so kann es im gegenseitigen Falle, das heißt, bei schlechter, regelloser, unvorsichtiger Verfahrungsart, ebenso nachteilig werden. Besonders gilt dies von den kalten Bädern, aber auch von den so genannten warmen, und überhaupt von jedem Heilmittel, desto mehr, je wirksamer und stärker es ist.
Ich habe binnen den 24 Jahren, welche das Doberaner Seebad besucht und gebraucht wird, Gelegenheit genug gehabt zu sehen, wie schädlich unrichtiges Baden und ein verkehrtes Benehmen dabei werden können. Und in der Tat, es ist oft gar nicht so leicht, Fehler in diesem Benehmen zu vermeiden und zu verhüten. Einige sind zu dreist, unbedachtsam oder leichtsinnig andere zu furchtsam; jene achten zu wenig auf ihre Empfindungen, diese zu viel.

Manche machen alles zu langsam, unbeholfen, bedenklich. Andre verhalten sich auf umgekehrte Weise. Mehreren ist die Sache nicht angelegentlich und ernst genug. Bei Verschiedenen ist es selbst mit vieler Schwierigkeit und mit beträchtlichem Zeitaufwande verbunden, ihnen die Manier des Badens recht begreiflich zu machen usw.

Zum Glück verbessert die Natur nicht selten manchen begangenen Fehler, und dann lehrt die Übung oft bald das bessere und richtigere Verfahren. Häufig genug entsteht aber auch mehr und weniger Unheil daher. Auf allen Fall wird die Absicht vereitelt, auf deren Erfüllung im Gegenteil so sicher hätte gerechnet werden können.

Fast ein jedes Individuum muss seine eigene Art zu baden befolgen, welche aber nicht ganz vorgeschrieben werden kann, sondern die eigene Beachtung, Leitung und Bestimmung des Badenden bedarf. Diese kann jedoch nur bei genauer Aufmerksamkeit auf alle dabei zu beobachtenden Regeln stattfinden. Bei manchen Kranken, die sich ihrer nicht recht mächtig oder bewusst sind, die sich nicht bedeuten lassen, bei Kindern usw. hat die Sache daher desto mehr Schwierigkeit.

Unter den Dingen, die mein Vertrauen zu dem glücklichen Gelingen der Badekur eines Kranken bei sonst gleichen Umständen vorzüglich beleben, gehört besonders sein individuelles Betragen beim Baden. Dieses wird aber hauptsächlich durch seinen Trieb zur Sache, seine Beurteilung, Festigkeit, sein Savoir faire, bedingt, geleitet, modifiziert. Dies erstreckt sich selbst auch auf kluge, wohlgezogene Kinder, die ihre Gefühle richtig anzugeben wissen, aufmerksam sind, und bereitwillig alles beobachten, was ihnen vorgeschrieben wird. Das Vorhaben geht um so leichter und besser vonstatten, wenn ein solches Subjekt schon mehrmals gebadet hat und mit den Eindrücken des Wassers auf die Haut bekannt ist.

Vor nun bald zwanzig Jahren habe ich in meinen Seebade-Annalen bereits eine ähnliche Vorschrift, als diese, entworfen. Seit jener Zeit ist mir aber bei so viel tausend Badegästen, die unter meiner Leitung in Doberan gebadet haben, manches vorgekommen, was meine Kenntnis und Erfahrung in diesem Fache befestigt und bereichert hat. Dies werde ich treulich und mit Vergnügen hier mitteilen, in der angenehmen Hoffnung, dass viele Menschen dies wohlgetan finden werden.
Ich werde die Regeln in derselben Folge, wie sie auf der Diele des Badehauses mit kurzen Worten angeschlagen stehen, hier umständlicher verzeichnen, und einer jeden die nötigen Gründe und Erläuterungen hinzufügen, wodurch sie nach Möglichkeit für jedermann fasslich, überzeugend, und leicht zu beobachten sein werden. Dabei wird es häufig Gelegenheit geben, über mehrere Dinge, die das Baden und seine nützlichen und schädlichen Wirkungen betreffen, zu reden.
Von besonderer Wichtigkeit ist, dass alle Kranken, die mit irgendeinem bedeutenden und zumal alten Übel behaftet nach Doberan zur Kur kommen, eine möglichst genaue Krankheitsgeschichte, nebst einer Anzeige der dagegen gebrauchten Mittel und deren Erfolge, von ihrem Arzte mitbringen, damit ich sofort mit dem Zustande des Patienten bekannt werde. Noch wünschenswerter würde es für mich sein, wenn sie mir diese Nachrichten vorher schon zu schicken geneigen wollten, damit ich, falls die Verhältnisse ihres Zustandes zu dem Seebade in der gehörigen Beziehung stehen, noch vor ihrer Ankunft einen ungefähren Entwurf ihrer Seebadekur machen könne, im entgegengesetzten Falle aber, wenn das Seebad ihrer Krankheit nicht angemessen sein sollte, Gelegenheiten erhalte, ihnen diese Kur zu widerraten.

Sollten etwa Vorbereitungen durch Aderlassen, Abführungen usw. nötig sein, so würden diese am schicklichsten erst zu Hause vorgenommen werden müssen. An sich und ohne bestimmte Gründe werden aber keine Vorbereitungen erfordert. Die schwächenden würden zumal für zärtliche und kraftbedürfende Subjekte sehr nachteilig sein müssen.

Hoffentlich habe ich nichts vergessen, worüber beim Baden die Frage sein kann, die besondern Krankheitszustände ausgenommen, welche eine Beratung mit dem Arzte und dessen nähere Bestimmung unvermeidlich machen.

Was an diesen Regeln zu berichtigen, zu verbessern, ihnen zuzusetzen sein möchte, werde ich in der Folge auszurichten und nachzuholen nicht verfehlen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Allgemeine Baderegeln
Der Kamp in Doberan

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Bademode um 1900 am Ostseestrand

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Badenixe um 1900

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