Verhalten im Bade.

1) Man muss den rechten Grad der Wärme des Bades zu treffen suchen.

Derjenige Grad, der dem Gefühle im Bade fortdauernd und am längsten angenehm und behaglich ist, ist der rechte. Der erste Eindruck kann zu kühl oder kalt scheinen, nach einem kurzen Aufenthalte und einiger Bewegung im Bade aber verliert sich dies kalte Gefühl und man findet nun die Temperatur bleibend angemessen.
Oft ist der erste Eindruck ganz angenehm, man bemerkt aber bald, dass das Wasser zu warm ist und eine beschwerliche Erhitzung macht. Das bloße Gefühl der Hand trügt, was auch die Badeknechte oder Badeweiber in manchen Bädern für eine Übung darin haben wollen. Durch das Thermometer kann der rechte Grad nach Erwägung aller Umstände meistens getroffen, und dann desto sicherer weiterhin, wie er sein soll, gemessen, und die nötige Abänderung der Wärme gemacht werden. Kleine Abweichungen kommen wenig oder gar nicht in Betracht. Diese Bestimmung übernehme ich in jedem mir aufgetragenen Falle mit der erforderlichen Aufmerksamkeit und Umsicht selbst.
Oft ist es nötig und zweckmäßig, an einzelnen Tagen nach dem besondern Befinden des Badenden mit der Temperatur zu wechseln.
Vormals verließ ich mich mehr auf das Gefühl der Hand, aber die Erfahrung hat mich belehrt, dass hierbei viel leichter ein Versehen vorgehen kann, als wenn das Thermometer gebraucht wird. Dieses zeigt immer ganz genau den Grad der Temperatur an, da das Gefühl der Hand, welches ohnehin mit der Empfindlichkeit der übrigen Haut nicht übereinstimmt, durch innere und äußere Ursachen leicht abgeändert wird.


Da sich das anfangs in einem gewissen Grade erwärmte Wasser während des Aufenthalts im Bade, wenn er einige Zeit dauert, abkühlt, und also die ihm zuerst gegebene Temperatur verliert; so kann es nötig und nützlich sein, durch Öffnung des heißen Hahns dieselbe Temperatur zu erhalten und herzustellen. Dies wird aber nur sehr selten stattfinden dürfen, teils weil sich die Wärme des Wassers durch die Wärme des darin befindlichen Körpers usw. allermeistens lange genug erhält, und teils weil die stundenlangen Bäder den Absichten des Seebades in der Regel nicht angemessen sind.

Sehr oft gewöhnt sich auch der Körper mit Nutzen und ohne Beschwerde an eine langsam abnehmende Wärme. Es ist selbst in vielen Fällen dem Zwecke gemäß, dass das Bad allmählich kühler werde, und dann sucht man durch fleißige Rührung der Glieder und des Körpers im Bade das etwa widrige Gefühl zu dämpfen. Zuweilen ist die erste Empfindung des Kühlerwerdens des Bades das Signal, dass man das Bad verlassen müsse.

Hat man die Absicht, wie sehr oft, sich durch das warme Bad zu dem kältern und eigentlichen Seebade vorzubereiten, so bedarf es nach einem oder dem andern angenehm warmen Bade, worin man sitzend sich mehrenteils ruhig verhält, der vollen Wärme nicht. Weil man sich dabei schneller expediert und sich ungefähr gleich so nimmt, als wenn man schon kalt bade, so wird man von jener weniger warmen Temperatur wenig affiziert, oder man wird sie kaum gewahr.

2) In einem warmen Bade verweilet man nach den verschiedenen Absichten eine halbe bis ganze Stunde und drüber, und sucht auf mancherlei Art in dieser Zeit möglichst die Langeweile, und vollends auch das Einschlafen, zu verhüten.

Die Dauer jedes Bades bei einzelnen Krankheitsfällen muss der Arzt bestimmen. Im Allgemeinen darf man so lange darin bleiben, als das Befinden gut ist, und dies wird oft mit jeder Minute besser, wenn alle Umstände so günstig als möglich sind. Der Puls wird langsamer, das Herz schlägt ruhiger, die Nerven befinden sich in einem behaglichen Zustande. Je heiterer und froher der Geist im Bade ist, desto zuträglicher wird es sein. Auf mancherlei Weise lässt sich dieser Zweck erreichen, wenn die Seele nur nicht ganz stumpf und unempfänglich oder verschlossen gegen alle Freuden ist.
Manche haben in sich selbst einen solchen Fond von Frohsinn, dass es nur kleiner Anregungen bedarf, um ihn zu erwecken und rege zu machen.

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Besonders ist es heilsam, dem Wasser oft einen eigenen Trieb auf den Unterleib zu geben, indem man dasselbe mit beiden Händen auf diesen zustößt. Den Eindruck oder Schlag davon fühlt man sehr deutlich.

3) Das Wasser im Bade muss die Schultern gehörig bedecken und also über solche herübergehen.

Wird dies versäumt, so werden bei Schwachen und Empfindlichen die Schultern und auch wohl der Nacken leicht erkältet.

Etwas anderes ist es, wenn das Bad absichtlich nur dem halben Körper gelten, das heißt, das Wasser nur bis an die Brust gehen soll. Dazu müssen die aus dem Wasser hervorragenden Teile besonders bedeckt werden. Das Nähere hiervon wird in jedem Falle angewiesen.

4) Den Kopf kann man im Bade bedecken oder nicht, wie man es am behaglichsten findet oder gewohnt ist, wenn nicht besondere Absichten eine eigene Behandlung des Kopfes erfordern.

Zuweilen kann man durch Belegung des Kopfes mit kalt durchnässten Tüchern oder Schwämmen, oder auch mit einer von kaltem Wasser angefüllten Rinderblase während des warmen Bades, bei manchen Kopfleiden sehr wohltätige Zwecke erfüllen, über die jedoch nur der Arzt das Erforderliche anordnen kann. Aber in warmem Wasser muss man den Kopf nie baden. Die gewohnt sind, den Kopf stets zu bedecken, können und dürfen ihn auch im Bade nicht unbedeckt lassen.

5) Der übrige ganze Körper muss völlig unbedeckt sein.

Also kein Badehemd oder sonstige Bekleidung wird zugestanden, wodurch nicht allein die freie nützliche Einwirkung und Einsaugung des Wassers gestört, das Reiben verhindert, sondern auch nachher zu Erkältungen Anlass gegeben wird, wie auch schon oben bei den Regeln für die kalten Bäder umständlich bemerkt worden ist.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Allgemeine Baderegeln