Allgemeine Regeln beim Gebrauche der kalten Bäder.

Eigentlich ist der Begriff von kaltem Bade ganz relativ. Was dem einen noch warm oder lau ist, ist dem andern schon kalt.
Zwischen 85 und 80 Grad Fahrenh. oder 23 ½ und etwas über 20 Gr. Raum. finden die meisten das Bad von der Temperatur, dass es ihnen kalt scheint und die Wirkungen eines kalten Bades hat. Ein solches Bad kann aber durch die öftere Wiederholung seine Eigenschaften und Einwirkungen als kaltes Bad allmählich verlieren, und tritt bei einer kälteren Temperatur erst wieder in seine Rechte ein.
Oft lässt sich in einzelnen Individuen durch Bäder, deren Kälte noch bei weitem nicht einen gewissen Grad erreicht hat, so viel Nutzen erzielen und erhalten, als bei andern durch die möglich größte Kälte.

Ich bemerke dies ausdrücklich zur Beruhigung derjenigen, welche, wie ich oft erfahren habe, glauben, der Zweck des kalten Seebades sei für sie verloren, weil sie nicht haben in der See selbst baden können. Durch Bäder von 85 bis 80 Grad Kälte kann man nach den Umständen von mancherlei Übeln befreiet werden, und zu einer guten, festen Gesundheit gelangen.
Übrigens ist im Allgemeinen vom Baden in der offenen See selbst die Rede, wenn man von kalten Seebädern spricht. Ihre Temperatur ist aber zu verschiedenen Zeiten sehr verschieden, von 72 bis 50 Grad Fahrenh. Gewöhnlich verändert sich die Temperatur auch an demselben Tage um mehrere Grade, zumal wenn die Sonnenhitze auf die See wirkt.
Im vorigen Sommer waren während der Badezeit die Extreme der Temperatur (die in der Regel jeden Tag des Morgens 7 Uhr und Nachmittags 4 Uhr gemessen wird), von 53 bis 60 Grad Fahrenh. Jener fand am 25sten Junius und dieser am 12ten Julius statt. Die äußersten Grade in den vorhergehenden Jahren 1815, 1814, 1813 waren 50 bis 73.


Außerdem ist noch zu merken, dass der Eindruck, den die dermalige Kälte des Bades auf die Haut und die Empfindung macht, zum Teil von der Temperatur abhängt, worin sich um diese Zeit die Atmosphäre oder das Medium befindet, woraus man in das Bad geht, oder worein man aus demselben kommt. Daher rühren die verschiedenen Urteile, wonach öfters behauptet wird, die offene See sei wärmer, als ein kaltes Bad im Badehause. Das Thermometer zeigt keinen Unterschied, aber die Temperatur der Luft in dem Badezimmer ist mehrerer Ursachen wegen wärmer, als die Temperatur der freien Seeluft.
Noch ist es nützlich zu wissen, dass die Kälte in gleichen Graden viel schneller zunimmt, als die Wärme, woraus sich manche Erscheinungen erklären lassen.
Da das Seewasser täglich frisch aus der See in das Badehaus und die dasigen Bäder geleitet wird, so kann insofern kein Unterschied in dem Wasser selbst stattfinden. Durch jede Erwärmung wird es vielmehr stärker und sein Salzgehalt konzentrierter. Es ist sonst nicht zu leugnen, dass das Baden in der See selbst, wenn alles ist, wie es sein soll, durch die frische Seeluft, durch die Bewegungen oder den so genannten Wellenschlag der See, durch den freieren Spielraum, durch das besondere Vergnügen, welches dasselbe bei günstigen Umständen mit sich bringt usw. manche belohnende Vorzüge hat, wenn man bis dahin hat kommen können.

Indem ich nun die Regeln angeben will, deren Beobachtung das kalte Bad, wenn es nutzen und nicht schaden soll, erfordert, so muss ich noch zuvor der Bemerkung begegnen, die ich nicht selten habe machen gehört: ,,dass täglich so viel tausend Menschen ohne allen Nachteil und mit großer Lust in Flüssen, Seen usw. kalt baden, ohne dass sie sich um die vielen und subtilen Regeln bekümmern, welche die Ärzte befolgt wissen wollen.“ - Teils sind das aber, wenigstens die meisten, gesunde und an kaltes Baden gewohnte Menschen, da in Doberan usw. nur von kranken und schwächlichen die Rede ist, teils müssen gewiss viele von jenen, die ohne alle Regeln und Vorsicht baden, dies teuer büßen. Auch macht starke Bewegung, Schwimmen im Wasser einen Unterschied; und dass man bei mancherlei Umständen, z. B. erhitzt oder mit Schweiß bedeckt nicht baden dürfe, weiß doch schon jedes Kind.

Es folgen die Regeln.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Allgemeine Baderegeln
Der Kamp in Doberan

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Sommerzeit ist Badezeit

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Badefreuden um 1890

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