Regel 14, Punkt a bis h, in Doberan...so viel Gutes

Dass in Doberan in dieser Hinsicht so viel Gutes als möglich gestiftet, und aller Schaden, der so leicht von dem regelwidrigen Gebrauche des kalten Seebades, wie eines jeden großen Mittels, entstehen könnte, abgewendet werde, ist mein innigster Wunsch und mein unablässiges Bestreben.
Kalte Bäder sind entweder überhaupt schädlich, oder doch in einzelnen Fällen ohne besondere Vorbereitung nicht anzuwenden. Das Wichtigste davon werden folgende Punkte enthalten:

a) Bei großer Vollblütigkeit und Neigung zu Blutflüssen und Kongestionen des Bluts nach dem Kopfe, der Brust, dem Magen usw. darf man geradezu nicht kalt baden.


Da durch das kalte Bad ein lebhafter Eindruck auf die Haut geschieht, wodurch das Blut auf längere oder kürzere Zeit in einen engern Raum zusammengedrängt, und nach innen getrieben wird und überhaupt das ganze Blutsystem keine geringe Erschütterung erleidet; so begreift man, wie leicht irgendwo im Körper, wo die zumal überfüllten Gefäße von örtlicher Schwäche oder andrer Ursache dem andringenden Blute nicht hinlänglichen Widerstand leisten, das Blut durchbrechen, oder bei gar zu schwacher innerer Reaktion die Kraft des Herzens wohl gar bis zu den gefährlichsten Wirkungen überwältigt werden kann.
Kommt noch eine krampfhafte Disposition dazu, oder hat das Blut eine zu dünne Beschaffenheit, so können um so leichter Blutergießungen und andere schlimme Zufälle erfolgen, die desto bedenklicher sein müssen, je mehr sie die Lungen, das Gehirn, den Darmkanal usw. betreffen.
Ein sonst gesunder, starker, vollblütiger Mann warf unmittelbar nach einer Schwimmexpedition in der See Blut aus. Ich habe gesehen, dass durch unvorsichtiges kaltes Baden das Blut aus den Ohren gedrungen ist.

Es gibt auch, obgleich selten, ganze Familien, von welchen wenigstens die meisten Mitglieder ohne sichtbaren Grund Blutungen unterworfen sind, die zuweilen unaufhaltsam zu einer gefährlichen Höhe steigen. Solche Personen müssen unstreitig auf das Vorsichtigste vor allen Veranlassungen dazu in Acht genommen werden.
Es können Epilepsien und andere Krämpfe, Lähmungen, Kontrakturen, die Brustbräune, heftige Koliken und mehrere andre Übel davon die Folge sein.
Dennoch können auch selbst alle diese Übel unter gewissen Bedingungen und Umständen und bei richtiger Anwendung in dem kalten Seebade ein großes Heilmittel finden. Wie oft sind nicht Epilepsien, Krämpfe aller Art, Neigung zu Blut- und Bauchflüssen usw. in Doberan geheilt worden.

Unter den Blutflüssen darf das Blut nur nicht aus den Lungen kommen. Bei dem geringsten Bluthusten würde ich unter keinerlei Bedingung, und er habe einen Grund, welchen er wolle, das kalte Baden zulassen. Dagegen habe ich gegen Blutflüsse der Gebärmutter das kalte Seebad oft den größten Nutzen leisten gesehen, wenn bloße Erschlaffung und Atonie und habitueller Andrang des Bluts schuld daran waren.
Man sieht, dass gewiss eine wohlbegründete ärztliche Beurteilung dazu gehöre, ob in irgendeinem Falle dieser Art das kalte Baden anwendlich sei und was man Böses oder Gutes davon zu erwarten habe.

b) Die monatliche Periode verbietet an sich immer das kalte Baden. Artet sie aber in einen Mutterblutfluss aus, so kann unter gewissen Bedingungen, die aber der Arzt nur beurteilen kann, das kalte Seebad demselben sehr angemessen sein.

c) Während der Schwangerschaft darf kein krankhafter Zustand zum kalten Baden bewegen. Es kann nicht allein gar keinen Zweck erfüllen, sondern auch geradezu Mutter und Kind in Gefahr bringen. Die Natur empört sich gleichsam in dieser Zeit gegen jede Kur, die mit irgendeiner Gewaltsamkeit, Erschütterung oder auch nur mit einem etwas lebhaften Eindrucke verbunden ist. Viele Beispiele lehren, dass selbst bedeutende Krankheiten keine Fortschritte machen oder gänzlich schweigen, solange die Schwangerschaft dauert. Aus allem leuchtet die weise Absicht der sorgsamen Natur hervor, von der gedeihlichen Entwickelung und Ausbildung der Frucht alle Störung abzuwenden, und Mutter und Kind zu erhalten.

d) Organische Fehler in der Brust, in den Lungen, im Herzen, in den großen Blutgefäßen usw., verbieten durchaus das kalte Baden.

Man hat Ursache, an solche Fehler zu denken, bei fortdauernder Schwierigkeit des Atemholens, die von jeder Anstrengung gleich zunimmt, bei mehreren Unregelmäßigkeiten des Pulses, bei beständigem oder oft wiederkehrendem und von jedem kleinen Reize, von etwas tiefem Einatmen, leicht erregbaren Husten, bei habituellem Herzklopfen, zumal auch bei Blutauswurfe, anhaltenden Beängstigungen usw.

Ist man dennoch ungewiss, ob diesen Erscheinungen nicht vielleicht unbedeutendere und dem kalten Bade nicht widersprechende Ursachen zugrunde liegen, ist man vielleicht selbst dieser Beschwerden wegen von Ärzten an das kalte Seebad verwiesen, so versäume man doch ja nicht, vorher den Badearzt zu Rate zu ziehen, insofern von ihm zu erwarten ist, dass er die Verhältnisse des kalten Seebades zu Übeln dieser Art, von welchen Ursachen sie herrühren mögen, genau kennt.
Bei keinem Hindernisse der Respiration darf man kalt baden, wenn dies nicht vielleicht von bloßer Schwäche oder periodischer Nervenaffektion herrührt.

e) Aufgetriebener harter Leib, fest-sitzende Stockungen im Unterleibe, mehrtägige Obstipation, belegte Zunge, Mangel an Esslust, Ekel und Neigung zum Brechen, übel beschaffene Ausleerungen u. d. gl. überhaupt alle Krankheiten, die von groben materiellen Ursachen herstammen, stehen mit dem kalten Bade in geradem Widerspruche.

In allen diesen Fällen kann das kalte Seebad nie eine heilsame Wirkung hervorbringen, wohl aber recht vielen und großen Schaden tun. Solche Kranke haben auch schon in der Regel eine natürliche Abneigung dagegen, welche die Sache noch schlimmer macht. Totenbleich oder feuerrot, hinfällig, eiskalt ohne sich erwärmen zu können mit Schwindel, eingenommenem Kopfe, beengter Brust, ängstlich und elend, kommen sie aus dem Bade.

Lassen sie sich dennoch nicht warnen, so setzen sie sich den schlimmsten Zufällen aus. Ich könnte von dem allen Beispiele genug anführen.

f) Entzündungen, Rosen, Schwindel und Kopfschmerzen, die sowohl im Kopfe selbst ihren Sitz haben, als aus dem Unterleibe entstehen, Wassergeschwülste, Zerstörungen und grobe materielle Fehler in den Eingeweiden, vollends Brustwassersucht, hitzige Gichtanfälle, große Schwäche, unterdrückte Menstruation, das venerische Übel und noch mehrere andere Krankheitszustände, leiden in der Regel und geradezu das kalte Bad nicht.
Mit einigen Worten muss ich noch besonders eines Erkältungszustandes gedenken, der sich durch Schnupfen, Husten, Durchfall, Frösteln usw., bei sonstigem Wohlbefinden, ausdrückt, und der oft die Frage veranlasst, ob unter solchen Umständen das Baden auch fortgesetzt werden dürfe. Personen, die bereits länger mit gutem Erfolge gebadet haben, die einer sonst gesunden Brust sich erfreuen, und die sich bei dem Baden sonst gehörig benehmen, auch von jenen Beschwerden nur wenig leiden, werden mit der gehörigen Vorsicht ihr Bad ungestört fortsetzen können. Dagegen ist allen, bei welchen dies nicht stattfindet, die einen solchen Katarrh in starkem Maße haben, das Baden noch wenig gewohnt sind, nicht recht bald darauf wieder warm werden können usw. sehr zu raten, das kalte Bad auszusetzen und sich eines mäßig warmen Regimes zu befleißigen, oder auch einige warme Bäder zu nehmen. Diese werden nach erreichtem Zwecke keinesweges hindern, mit den kalten Bädern fortzufahren.

Ein Drang zum Harnlassen nach dem Bade, er entstehe nun entweder vom Konsensus und Reize der Haut, oder von stärkerem Triebe des Blutes nach den Nieren, hat in der Regel gewiss keine Erkältung zum Grunde. Eben das gilt von einigen Leibschmerzen und schnellen Stühlen, welche zuweilen nach dem Bade erfolgen.

Wenn es außerdem einzelne Fälle und Umstände gibt, wo und unter welchen örtliche oder allgemeine kalte Bäder dennoch stattfinden und nützlich sein können, so kann dies nur von dem Arzte entschieden werden, dessen Untersuchung und Rat hier also abermals unentbehrlich sind.



Das hohe Alter erfordert Wärme von innen und außen. Der Lebensprozess erkaltet allmählich, die besten Teile werden immer steifer, die Gefäße und Kanäle in ihren Bewegungen träger und unzugänglicher, die Haut trockner, die Ausleerungen bleiben zurück usw. Es bedarf wenig Einsicht, um zu begreifen, dass bei solchen Umständen vom kalten Baden nichts Gutes zu erwarten ist.
Es hat indessen zuweilen ein Beispiel gegeben, das ein alter Mann oder ein altes Mütterchen ihr Heil in der See versucht, und sich dadurch restauriert und gestärkt gefunden haben. Das sind Ausnahmen von der Regel, da alte Leute zuweilen noch sehr regsam und biegsam sind, und Lebensart, Gewohnheit, Konstitution usw. einen großen Unterschied im Alter machen können.

h) Das kalte Baden schadet endlich auch bei Neigung zu Schlagflüssen, gewohnten örtlichen Schweißen, besonders übel riechenden Fuß- und Achselschweißen, mehreren Ausschlägen der Haut, großer Reizbarkeit und Konvulsibilität der Nerven, zu großem allgemeinen Kraftmangel.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Allgemeine Baderegeln