Der Ackerbau

Im allgemeinen wird der Ackerbau seitens der Eingeborenen noch sehr primitiv und mit Ausnahme der Kabilei nirgends intensiv betrieben, das Land nicht tief gepflügt und nicht gedüngt, und dementsprechend ist auch der Ertrag gering; selbst europäische Kolonisten wenden Tiefkultur, regelmäßiger reichlicher Düngung und Wechselwirtschaft häufig nicht die erforderliche Beachtung zu, und die Ernten leiden darunter in Höhe und Regelmäßigkeit. Besonders schwankend sind die Erträge auf der Hochebene, welche nach nassen Wintern das 150— 200 fache liefert, während bei nicht gründlich durchweichtem Boden kaum das Saatkorn zurückgewonnen wird. Man beginnt mit Pflügen nach den ersten Herbstregen und fährt damit bis in den Februar hinein fort. Spätfröste und die ausdörrenden Sciroccowinde werden allen Kulturen zeitweilig verderblich, den Zerealien außerdem häufig die Trockenheit der Monate April und Mai.

Wird der Landbau von Eingeborenen in Pacht betrieben, meist auf Flächen von 10 ha, so entfallen 4/5 des Ernteertrags an den Besitzer, welcher Pflug, Ochsen, Saatkorn und Geldvorschuss zum Lebensunterhalt bis zur Ernte liefert und 1/2 der Ernte an den Pächter oder Khammes. Bei Pachtverträgen mit Europäern auf drei, sechs oder neun Jahre erhält der Verpächter entweder bestimmte Pachtsummen in bar, oder, je nach der Höhe seiner Leistungen, 1/2 — 2/3vom Ernteertrag; auch Erbpachtverträge auf die Dauer von 20 — 99 Jahren werden abgeschlossen.


Man sucht den Ackerbau der Eingeborenen durch Belehrung und kostenlose Verteilung von Pflügen, welche für den nordafrikanischen Boden besonders geeignet sind, mit Erfolg zu heben; bislang liefert allerdings ein Hektar unter Eingeborenen Bebauung nur 6 dz Ertrag, gegen 9 dz bei Bewirtschaftung durch Europäer. Auch englische Mäh- und Dreschmaschinen und französische und amerikanische Pflüge werden mehr und mehr eingeführt.

Algeriens Getreideüberschuss geht meist nach Frankreich, besonders Marseille und Dünkirchen.
Die Ausfuhr von Zerealien und Gemüsen von Algerien nach Frankreich begann erst 1871, heute liefern Algerien und Tunesien etwa 96 % der französischen Gesamteinfuhr von Weizen und Gerste.

Gerste, früher nur als Viehfutter benutzt, ist erst in neuerer Zeit in Algerien stärker angebaut worden, steht heute aber bereits an erster Stelle; weicher Weizen, Mais und Roggen sind überhaupt erst von den Kolonisten eingeführt worden. Die Algier-Gerste ist in Frankreich für Brauzwecke beliebt, und auch die von Hülsenfrüchten besonders stark angebauten großen Bohnen gehen teilweise nach Frankreich, wo ihr Mehl zur Herstellung eines besonders nahrhaften Brotes mit Weizenmehl gemischt wird. Auch Heu bildet einen Ausfuhrartikel Algeriens, der freilich unter der Zunahme elektrischer Straßenbahnen in England gelitten hat, und der Anbau von Leinsaat hat besonders in Oran zugenommen. Flachs wird ebenfalls gebaut.

Jede Provinz hat ihre Ackerbaukammer.

Von außerordentlichem Erfolg ist, besonders in der Metidscha, der Anbau von Kartoffeln und von Frühgemüse, wie Artischocken, Blumenkohl, Bohnen, Erbsen und Tomaten, die hier im Dezember und Januar reifen und während des Winters frisch nach allen Teilen Europas ausgeführt werden. Im Jahre 1902 exportierte Algier 315.000 Zentner Kartoffeln und 218.000 Zentner Frühgemüse.

Noch bedeutender ist die Ausfuhr von frischen und getrockneten Früchten, besonders Orangen, Mandarinen, Limonen, Trauben, grünen Mandeln und getrockneten Feigen, die man in Österreich zur Herstellung von Feigen Kaffee verwendet. Eine 1901 ins Leben gerufene Dampferlinie Mediterranee -Manche zwischen Algier, Nordfrankreich und England hat ihre Dampfer mit Kühlräumen für frische Gemüse und Obst eingerichtet, dagegen ist das Einkochen zu Obstmus und das Fruchtdörren noch nicht eingeführt. Die Früchte des Feigenkaktus, welcher überall und ohne Pflege gedeiht und nach zwei oder drei Jahren reichlich und sicher trägt, bilden die Nahrung des Armen, und nicht wenige Eingeborene leben fast ausschließlich von ihnen. Das Johannisbrot liefert ein sehr geschätztes Viehfutter, sowohl für den inländischen Bedarf, wie für die Ausfuhr — im Jahre 1900: 140.000 Zentner — und die Regierung sucht daher die Anpflanzung des Baums durch Prämien zu fördern.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Algerien