Die Bevölkerung

Die Bevölkerungsziffer Algeriens wurde 1901 auf Bevölkerung einem Gebiet von 478.971 qkm mit 4.739.000 Köpfen angegeben und verteilte sich wie folgt: Araber und Berber 4.072.000, Franzosen in Frankreich geboren 121.000, in Algerien geboren 171.000, naturalisierte Fremde 72.000, naturalisierte Juden 57.000, Spanier 155.000, Italiener 39.000, Malteser 13.000. Marokkaner 24.000, Tunesier 2.000, andere Fremde: Deutsche, Schweizer, Belgier, Engländer usw. 12.000. Es entfielen dabei auf die einzelnen drei Departements Algier 1.641.000, Oran 1.107.000 und Constantine 1.991.000 Seelen.

Abgesehen von einigen kleineren Stämmen und Rassen gehören die eigentlichen Eingeborenen den Arabern und Berbern an, und zwar zählte man deren 1896 bei einer Gesamtbevölkerung von 4.403.000 Köpfen 3.035.000 Araber und 692.000 Berber.


Zu den Arabern rechnet man die Beduinen, die Zeltbewohner des freien Landes, echte Nomaden, meist Nachkommen der dritten arabischen Invasion aus dem 11. Jahrhundert, die ihre Namen und Stammbäume erhalten und sich teilweise, bis zum heutigen Tage, mit den Berbern vermischt haben. Im Teil, den sie zum großen Teil bewohnen, treiben die Beduinen Ackerbau und Viehzucht, in der Sahara nur letztere, und zwar leben sie in Zelten oder Reiserhütten (Gurbis). Die Araber leben in patriarchalisch zusammengehaltenen Familien, mehrere Familiengruppen bilden das Zeltdorf, Duar, mehrere Duars die Ferka, welche unter einem, vom obersten Machthaber des Stammes ernannten Scheich steht. Am wenigsten nomadisch ist die Bevölkerung im Departement Constantine, dem fruchtbarsten und wald- und erzreichsten.

Die sesshaften Eingeborenen in den Städten, die sogenannten Mauren, etwa zwei Millionen an der Zahl, die sich selbst Hadar, d. h. „Hausbewohner“, im Gegensatz zu den Hal-bid-etschaar d. h. „Zeltbewohnern“ oder Beduinen nennen, sind meist wohl Nachkommen der romanisierten alten Mauretanier, also ursprünglich berberischer Rasse, aber längst arabisiert, teils auch echte Araber und Nachkommen der aus Spanien vertriebenen Mauren. Sie sind, mit Ausnahme der oberen Klassen, ein verarmtes und im Abnehmen begriffenes Volk, das seinen Unterhalt im Kleinhandel, besonders aber als Handwerker und Tagelöhner findet und von der „europäischen Zivilisation“ nur die schlechten Seiten angenommen hat. Ein Mittelstand ist unter den algerischen Arabern kaum vertreten, es gibt unter ihnen vielmehr fast nur Reiche und Proletariat.

Die Kabilen, wie man hier die Nachkommen der am wenigsten vermischten alten Berber nennt, etwa 700.000 Köpfe, bewohnen größtenteils die Provinz Constantine, das alte Numidien, leben in Dörfern mit gemauerten Häusern und treiben sorgsamen Ackerbau und ein wenig Industrie. Die politische Einheit der Kabilen bildet nicht die Familie, sondern das Dorf, die Dechra, unter einem Amin, der von seinen Untergebenen gewählt wird; im Gegensatz zu der patriarchalisch-aristokratischen Verfassung der Araber ist die der Kabilen mehr demokratisch. Die Kabilen sind arbeitsam und sehr mäßig, den Fortschritten europäischer Kultur in mancher Beziehung leichter zugänglich als die Araber, aber anderseits fanatisch, barbarisch, schmutzig und geizig. Auch die in den Aures-Bergen lebenden Zenati, die aus den Oasen des Ziban stammenden Biskrih und die Leute vom Stamme der Beni Mzab sind verhältnismäßig reine Berber.

Der wichtigste Berberstamm der Sahara sind die Tuaregs, die Nachkommen der alten Gätuler und Garamanten, fanatische und treulose Gesellen, welche in mehreren, meist einander feindlichen Stämmen, zwischen Niger und Tibesti hausen, hauptsächlich in den Oasen des Tuat und in den Landschaften Asgar und Ahaggar, und raubend und Viehzucht treibend, die Wüste durchstreifen.

Die Tuat-Oasen besitzen in 350 Siedelungen gegen 200.000 Bewohner, und daneben sind noch etwa ebensoviel Nomaden zu rechnen.

Zum Glück für die Franzosen sind die Eingeborenen Algeriens sehr verschiedener Abstammung, hassen sich untereinander und haben keine gemeinsame Vaterlandsliebe; nur der Islam bildet ein mächtiges Bindeglied unter ihnen.

Eine Mischung von Türken und eingeborenen Weibern sind die Kuluglis.

Die Juden, meist Nachkommen der 1492 gänzlich aus Spanien vertriebenen Israeliten, die aber in Algerien schon ältere Judengemeinden antrafen, wurden unter der Türkenherrschaft misshandelt und unterdrückt, durch die Franzosen aber mit allen bürgerlichen Rechten ausgestattet und 1870 vollständig emanzipiert. Sie haben sich trotzdem aber keineswegs mit den Europäern verschmolzen, sondern sind auf ihrer alten Kulturstufe geblieben, wenn sie im allgemeinen auch höher stehen, als die tunesischen und besonders die marokkanischen Juden. Trotz ihrer geringen Allgemeinbildung den Mauren im Handel überlegen, erwerben sie teilweise schnell Reichtum, beuten die Bevölkerung vielfach durch Wucher aus und werden von dieser bitter gehasst. Sie betreiben in Algerien übrigens auch die verschiedensten Handwerke.

Die Landessprache der Eingeborenen ist bei den Arabern und Juden ein korrumpiertes, mit den verschiedenartigsten fremden Brocken vermischtes Arabisch, bei den Kabilen ein Berberdialekt, stark mit arabischen und auch schon mit einer Reihe französischer Worte durchsetzt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Algerien
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