Landbeschreibung

Gehen wir nun zur Betrachtung von Land und Leuten über.

Algerien, zwischen Marokko und Tunesien, im mittleren Teil des nordafrikanischen Atlaslandes gelegen und im Süden an das französische Saharagebiet stoßend, dessen Grenzen gegen Marokko und Tripolitanien nur auf gewissen Strecken festgelegt sind, umfasst nach der heutigen Annahme 890.000 qkm mit 4.800.000 Einwohnern, wobei der südlich vom Karawanenweg Ghadames-Tidikelt liegende Teil der Sahara vorläufig Französisch-Westafrika zugerechnet wird. Bewohnbar für Europäer sind davon rund 300.000 qkm, kulturfähig aber nur gegen 150.000 qkm.


Am Mittelmeer bildet die Grenze gegen Marokko nicht der alte Grenzfluss Muluja, sondern laut Vertrag vom 18. März 1845 der 15 km östlich davon mündende Wad Kiß, und gegen Tunis nicht, wie in früheren Zeiten, der Tusca = Uëd es San, sondern das Kap Roux. Die in gerader Linie etwa 1070 km lange Küste zeigt eine wenig gegliederte, steile und felsige Linie mit einigen Kaps und verhältnismäßig wenig guten Häfen, auf der 334 km langen Strecke zwischen Oran und Algier entbehrt die Küste sogar jeder natürlichen Zufluchtsstätte. Die nennenswertesten Küsteneinschnitte sind die Golfe von Oran und Arzeu, die Bai von Algier und die Golfe von Bougie, Collo, Stora und Bone.

Hinter der Küste erhebt sich, meist gebirgig, doch auch von einzelnen Ebenen durchbrochen, das in drei gut gesonderte Teile zerfallende Land: Im Norden finden wir das gebirgige, mit fruchtbaren Tälern durchzogene Kulturland des Teil- oder Kleinen Atlas; in der Mitte ein Hochland mit Steppen und Salzsümpfen, deren größte von West nach Ost die Schotts Schergi, Sahres Gharbi, Sahres Schergi und Hodna sind; im Süden endlich die Sahara mit ihren Oasen.

Der 80 — 200 km breite Teil, am schmalsten in der Provinz Oran, umfasst etwa 12 — 15 Millionen Hektar und zerfällt in eine Reihe von kleinen, parallel mit der Küste streichenden Gebirgsgruppen, von denen die eine in der Landschaft Kabilien im Dschebel Lalla 2308 m, die andere, das Sétif-Gebirge, im Adrar Amellah 1995 m erreicht; die herrliche Dschurdschura in Kabilien und die Aures-Berge sind während sechs Monaten im Jahre, vom November bis Mai, mit Schnee bedeckt. Zwischen die einzelnen Gebirgszüge drängen sich meist fruchtbare und kultivierte Ebenen wie die Metidscha bei Algier, eine 95 km lange und durchschnittlich 15 km breite, etwas wellenförmige Ebene, an deren Südseite der Atlas steil emporsteigt; der Boden ist mit fetter fruchtbarer Dammerde bedeckt, der nördliche Rand aber war, durch die Nachlässigkeit der türkischen Regierung versumpft, eine Brutstätte zahlreicher Moskitos und äußerst ungesund geworden. Die Arbeiten der französischen Regierung haben diesen Übelstand beseitigt, und die Ebene, welche im 12. Jahrhundert 30 ansehnliche Städte zählte, hatte schon 1881 über 30.000 europäische Ansiedler.

Die Mittelzone der Schotts, etwa 11 Millionen Hektar umfassend, ist ein Plateauland von 800 — 1000 m Höhe, in der Provinz Oran 180 km, in der Provinz Constantine nur 80 km breit und ist teils von Gebirgen besetzt, teils eine weite dürre Ebene, deren Salzsümpfe im Sommer von einer blendenden Salzdecke überzogen sind, und die nur in Brunnen süßes Wasser bietet. Hier ist die Region der Schafzucht und stellenweise der Zerealien. Im Süden wird die Hochebene von dem Randgebirge des Großen Atlas überragt, dessen Gipfel im Aures-Gebirge die Höhe von 2312 m erreichen. Auch die Steppenregion der Schotts, im allgemeinen Weideland, weist einzelne Ackerbau-Oasen auf.

Nach dem Innern zu schließt sich an das Plateauland und die Randgebirge eine fast völlig kahle, von zahlreichen Schluchten durchfurchte Vorterrasse, welche bei Bresina 833, bei El Aghuat 780 m hoch ist und sich nach Süden und Osten allmählich abdacht; es folgt die weite, heiße Tiefebene der algerischen Sahara, auch Angab genannt, bei Biskra 125 m, bei Tuggurt 50 m über dem Meere, im Schott Melrir 31 m unter den Meeresspiegel hinabreichend und nur in vereinzelten Oasen Bodenanbau gestattend. Ist der Ostteil der algerischen Sahara niedrig und sandig, so bildet der westliche Teil bis nach Marokko hinein ein felsiges Steppenhochland, das nur in seinen Depressionen mit Sand angefüllt ist und nirgends unter 400 m Höhe herabgeht. Die größeren Oasen der algerischen Sahara sind, von Ost nach West zu aufgeführt, die folgenden: Wadi Suf, Wadi Rhir (Tuggurt), Wadi Timassinin, Wargla, El Golea, die Oasen der Beni Mzab und der Uled Sidi Scheich.

Fast alle Flüsse, welche vom Atlas in das Mittelmeer fließen, haben bedeutende Krümmungen, trägen Lauf, sumpfige Ufer und enge, öfters durch Sandbänke verstopfte Mündungen; kein einziger derselben ist schiffbar, und dieser Umstand, verbunden mit dem Mangel an guten Häfen, trug dazu bei, dem Lande einen abgeschlossenen Charakter zu verleihen. Die meisten Flussläufe gehen von Süd nach Nord, nur der Scheliff macht eine bemerkenswerte Ausnahme. Die bedeutendsten der zahlreichen, in das Mittelmeer mündenden Flüsse sind, von Ost nach West: Mafrag und Sebuse, welche in den Golf von Bone münden; Wad el Kebir (Rummel), der wiederholt unter Felsen verschwindet; der Wad es Sahel oder Sumam, der einen der bedeutendsten Querrücken des Atlas durchbricht und im Golf von Bougie mündet; dann Buberak, Isser, Harrach und Mazafran; der durch eine fruchtbare Ebene fließende, 650 km lange und nördlich von Mostaganem mündende Scheliff; die Makta und endlich die Tafna, der westlichste Fluss Algeriens. Die Flüsse Algeriens haben eine ganz besondere Bedeutung gewonnen, seitdem man angefangen hat, sie in großartigem Maßstab zur Bewässerung zu verwenden. Das System der riesigen Wehrbauten (Barrages), wahrscheinlich zuerst von den Karthagern angewandt und von den Römern und Arabern fortgesetzt, verfiel unter der Türkenherrschaft, wurde aber 1843 wieder in Tätigkeit gesetzt. Die vom südlichen Abhang des Atlas abfließenden Gewässer versiegen im Sande oder münden in oft umfangreichen Salzsümpfen, deren bemerkenswertester der Schott Melrir in der Fortsetzung der südtunesischen Depression ist. Die in den Becken der Sahara lagernden Sedimente sind in der Tiefe von Wasser durchdrungen, welches, durch artesische Brunnen nach oben geleitet, zahlreiche fruchtbare Oasen ins Leben gerufen hat. Die Oasen Algeriens werden teils durch aufgestaute und kanalisierte Wasserläufe gebildet, wie im Ziban (Biskra), teils auf wasserhaltigen Schichten angelegt, welche entweder durch gegrabene Brunnen, wie z. B. im Ulad Dschellal, oder durch artesische Brunnen wie in Tuggurt und Wargla, oder endlich dadurch erschlossen werden, dass man die über ihnen liegende Gipsdecke abträgt und dadurch die „ausgegrabenen Oasen“ wie im Suf schafft.

Moräste finden sich nahe der Küste, namentlich um Oran in der Tlelat-Ebene, bei Bone und im Süden von La Calle.

Mineralquellen kennt man über 100, und die Ruinen von Badebassins und Tempeln, welche man in der Nähe dieser Quellen häufig antrifft, deuten darauf hin, dass schon die Römer die Wirksamkeit derselben gekannt und sie benutzt haben. Am berühmtesten sind im Departement Algier die heißen Quellen von Hammam Meluan und des letzthin sehr in Aufnahme gekommene Hammam Righa; im Departement Oran diejenigen von Bains de la Reine; vor allen aber im Departement Constantine die heißesten (95°C) von Hammam Meskutin, deren Sinterterrassen ein kleines Gegenstück zum Yellowstone-Park und zu Neuseelands Geisergebiet bilden.

Erdbeben sind in Algerien verhältnismäßig häufig, aber selten stark.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Algerien