Finanzen, Steuern, Abgaben

Die Finanzlage der Kolonie ist bis heutigen Tages eine wenig befriedigende, da das Mutterland, einschließlich der Kosten für das Militär, noch immer große Zuschüsse zu leisten hat, deren Gesamthöhe sich von 1830 bis 1901 auf rund 4.650 Millionen Francs belief. Ein Spezial-Budget für Algerien war zwar schon 1839 eingerichtet, 1845 aber wieder aufgehoben und 1854 durch Generalgouverneur Randon, 1861 durch Marschall Pélissier, 1870 durch Senator Béhic, 1887 durch Generalgouverneur Tirman, 1893 durch Jonnart, 1898 durch das Kabinett Brisson vergebens angeregt worden, bis endlich das Gesetz vom 19. Dezember 1900 ein solches schuf und damit eine weitgehende finanzielle Selbstverwaltung der als Zivilpersönlichkeit anerkannten Kolonie anbahnte. Nach diesem neuen Abkommen beansprucht das Mutterland aus den Einnahmen Algeriens für sich ausschließlich nur noch die Erträge der Staatsmonopole — Post und Telegraph — und der Militärtaxe; dagegen bestreitet Algerien ab 1. Januar 1901 die gesamten Spesen der Zivilverwaltung, der Gendarmerie und die Pensionen der Kolonialbeamten. Alle Militärausgaben — jährlich etwa 55 Millionen Francs — gehen für Rechnung des Mutterlandes, ebenso die Zinsgarantien für die vor dem 1. Januar 1901 in Betrieb genommenen Eisenbahnen, jährlich rund 22 Millionen Francs, letztere aber nur bis zum 1. Januar 1926; alsdann soll Algerien für sein Eisenbahnwesen selbst aufkommen. Sobald der projektierte Reservefonds 5 Millionen Francs übersteigt, soll auch schon vor 1926 ein Drittel der jährlichen Überschüsse zur Deckung dieser Zinsgarantien beitragen.

Die Aufstellung der jährlichen Spezial-Budgets erfolgt durch den Generalgouverneur unter der Kontrolle des Ministers des Innern; es wird sodann den vereinigten Finanzabteilungen der drei Delegationen und dem conseil supérieur de gouvernement zur Beratung vorgelegt und durch Dekret des Präsidenten der Republik genehmigt; dem französischen Parlament ist nur insoweit Stimmrecht für das Spezialbudget reserviert, als die Erhebung der Zölle und Einnahmen durch das jährliche Finanzgesetz autorisiert wird.


Im Jahre 1902 wurde die Kolonie auch ermächtigt, eine in spätestens 60 Jahren rückzahlbare Anleihe von 50 Millionen Francs für öffentliche Arbeiten, Kolonisation und Aufforstung aufzunehmen; die 500 Francs-Stücke dieser mit 3 % zu verzinsenden und zu 480 Francs ausgegebenen Anleihe waren Anfang 1905 mit 460 Francs notiert.

Der Umfang des Budgets ist in der Letztzeit nur geringen Schwankungen unterworfen gewesen.

Der Zurückgang in den Ausgaben ab 1900 erklärt sich dadurch, dass die Zinsgarantien für die Eisenbahnen im Betrage von rund 11 Millionen Francs seitdem direkt vom Mutterland übernommen wurden. Die Budgets von 1903 und 1904 enthalten je 10 Millionen außerordentliche Einnahmen und Ausgaben.

Die ordentlichen Einnahmen des Budgets 1904 weisen an Hauptposten auf: Direkte Steuern 12,4 Millionen, davon 8,1 arabische Steuern; indirekte Steuern 28,8 Millionen, davon 12,3 Zölle; Post und Telegraph 5,8; Domänen und Forste 4,1 Millionen Francs.

Dagegen verteilten sich im gleichen Jahre die ordentlichen Ausgaben auf: Öffentliche Arbeiten 8,3, allgemeine Verwaltung 7,2, Post und Telegraph 6,6, Erhebungskosten 6, Unterrichtswesen 5,7, Strafwesen und Justiz 4,6, öffentliche Sicherheit 3,2, Forste 3, Kolonisation 2 und öffentliche Unterstützung 2,7 Millionen Francs.

Zu dem Budget von 65 Millionen für das eigentliche Algerien kamen 1904 noch fernere 2,3 Millionen in Einnahmen und Ausgaben für die Südterritorien.

Was die Steuern anbetrifft, so sind darin die Franzosen bzw. Europäer in Algerien günstiger gestellt, als in Frankreich, ein Vorzug, der seine frühere Berechtigung heute wohl kaum noch hat. Die Europäer bezahlen an direkten Steuern nur eine Gewerbesteuer seit 1847, erst seit 1884 eine Grundsteuer und zwar nur auf bebaute Terrains, daneben Überschreibungs- und Stempelgebühren. Dagegen haben die Eingeborenen neben den französischen Steuern auch noch die sogenannten „Arabischen Steuern“ zu entrichten, wie diese seinerzeit von den Türken in natura erhoben, von den Franzosen beibehalten, aber seit 1845 in bar erhoben wurden. Es sind dies folgende vier korangemäße Abgaben:

Der Aschur, der Zehnte der Getreideernte, dessen Berechnungseinheit die Dschebda bildet, d. h. das mit einem Paare Rindern zu pflügende Land. Dazu tritt in der Provinz Constantine als Zuschlag noch der von Abd el Kader in den Provinzen Constantine und Algier abgeschaffte

Hockor, die alte Karadsch -Steuer auf die von dem siegreichen Islam den ursprünglichen Eigentümern überlassenen Arch-Ländereien.

Der Zekkat oder die Viehsteuer, früher bei den verschiedenen Tieren in verschiedenem Verhältnis in natura erhoben, beträgt heute in bar 4 Francs für jedes Kamel, 3 Francs für das Rind, 25 Centimes für die Ziege, 20 Centimes für das Schaf; Pferde, Maultiere und Esel sind frei.

Die Lezma wird als Kopfsteuer in der Kabilei und einigen anderen Gegenden Algeriens von solchen Eingeborenen entrichtet, welche weder Aschur noch Zekkat zahlen, und teils nach Individuen, teils nach Feuerstellen, teils nach Stämmen bemessen; dazu tritt im Süden der Departements Algier und Constantine noch die Palmen-Lezma von 25 — 50 Centimes auf jede Dattelpalme.

Diese arabischen Steuern werden von den Eingeborenen-Chefs eingetrieben, welche davon 10% für ihre Bemühungen behalten; der Reinertrag fließt zur einen Hälfte dem Spezial-Budget, zur andern Hälfte den Departements -Budgets zu.

Fraglos sind die von den Eingeborenen im Verhältnis zu den von den Europäern getragenen Steuern viel zu hoch. Schätzte man doch 1891, dass von den für Staat, Departements und Kommunen aufgebrachten Einnahmen von 80 Millionen Francs etwas mehr als die Hälfte, 40,8 Millionen, von den Eingeborenen geliefert wurden. Aber da die arabischen Steuern auf den Bestimmungen des Koran beruhen, fügt sich der Moslim in dessen Vorschriften.

Die Einnahmen der drei Departements, bestehend aus der Hälfte der arabischen Steuern, Zuschlägen zur Gebäude- und Gewerbesteuer und Beiträgen von Staat, Gemeinden und Privaten zu Departementsarbeiten, beliefen sich 1901 auf 19,4, die Ausgaben auf 15,2 Millionen, die von den drei Departements aufgenommenen Anleihen auf 53 Millionen Francs.

Die Kommunen Algeriens, deren Einnahmen aus dem Oktroi, Zuschlag zur arabischen Steuer, 1/10 Überweisung der Gewerbesteuer und einer Reihe städtischer Abgaben fließen, brachten im Jahre 1901 im ganzen 36 3/4 Millionen Francs auf, und sie schuldeten an Anleihen 66 2/3 Millionen Francs.

Die ungünstigen finanziellen und anderen Resultate, die Algerien bislang aufweist, sind nicht zum geringsten Teile der französischen Regierungspolitik gegenüber den Eingeborenen beizumessen, die planlos zwischen drei Systemen schwankte: 1. Verdrängung der Eingeborenen über den Atlas hinaus; 2. Assimilierung derselben mit den europäischen Kolonisten; 3. vollständige Aufrechterhaltung ihrer Nationalität. Das erste System ist ungerecht und schwer durchführbar, das letzte wäre gleichbedeutend mit Verzichtleistung auf die Kolonie. Die Assimilierung aber, welche natürlich nie eine vollkommene sein kann, wird dadurch erleichtert, dass die Eingeborenen keine homogene Nation sind. Von den Kabilen trennt die Europäer nur die Religion, von dem Araber und arabisierten Berber aber auch Stammesverfassung, Kollektiveigentum und Polygamie. Eins der wichtigsten Werkzeuge der Assimilation wäre der Unterricht, der aber seitens der Regierung längst nicht die Förderung findet, die er verdiente, während sich die französische Gerichtsbarkeit stetig auf Kosten der muselmanischen ausbreitet. Sehr bedauerlich und das gegenseitige Verstehen und Ineinanderfinden erschwerend ist auch der Umstand, dass nur wenige der in Algier lebenden Kolonisten einigermaßen des Arabischen mächtig sind; sowie ferner die geringe Stabilität der französischen Beamten und das Fehlen eines besonderen Korps algerischer Funktionäre.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Algerien