Der Handel

Schnellere Fortschritte als sämtliche übrigen Erwerbszweige hat in Algerien der Handel gemacht. Der innere Verkehr, vielfach noch Tauschhandel, beschränkt sich auf gewisse Marktplätze, auf denen die Eingeborenen an bestimmten Wochentagen ihre Produkte gegen europäische Waren austauschen, und zwar sind dies besonders folgende Plätze. In der Provinz Oran: Tlemsen, Mostaganem, Oran, Mascara, Ain Temuschent und Tiaret; in der Provinz Algier: Arba, Bufarik, Algier, Orleansville, Tenes, Medea, Arib und Boghar; in der Provinz Constantine: Constantine, Gelma, Bone und Setif; Hauptmarkt für Wolle ist Tiaret, für Rindvieh Gelma, für Getreide Arba.

Auch der Karawanenhandel ist ziemlich bedeutend. Nachdem Biskra schon 1869—1884 eine Art „Freihafen“ für den Saharahandel gewesen, wurden durch Dekret des Generalgouverneurs Cambon 1896 vier Freihandelsniederlagen im Süden Algeriens als eine Art Wüstenhäfen geschaffen, nämlich in Tuggurt, Gardaia, Ain Sefra und Lalla Marnia. Bis dahin bezahlten von Frankreich kommende und nach dem Süden und nach Marokko gehende Waren in Algerien einen hohen Durchgangszoll, der auf Zucker z. B. 60 Francs für den Zentner betrug; infolge dessen konnte Südmarokko seinen Zucker billiger von Osten her über Tripolis oder von Westen her über Kap Dschubi beziehen. Nunmehr aber wurde bestimmt, dass auf gewisse vom Ausland kommende Waren — Zucker, Kaffee, Tee, Gewürze, Petroleum, Alkohol, seit 1902 auch Baumwollwaren — der an der algerischen Küste erhobene Zoll zurückerstattet wird, sobald nachgewiesen werden kann, dass sie wirklich nach dem Süden weitergingen und nicht nach algerischem Gebiet zurück geschmuggelt wurden. Infolge dieser Maßregel hat die Ausfuhr Algeriens über Figig nach Marokko denn auch rasch zugenommen: Zucker stieg von 700 kg in 1896 auf 2.027 Tons in 1901, Kaffee von 11.500 kg in 1896 auf 71.000 kg in 1901, Tee von in 1896 auf 12.700 kg in 1901 und die Gesamtausfuhr Südalgeriens nach Marokko im Jahre 1902 wertete 749.000 Francs. Im Jahre 1904 glaubte man in Beni Unif, dem Terminus der Süd-Oran-Bahn, einen Transitverkehr von fünf Millionen Francs zu erreichen.


Für den fremden Handel kommen hauptsächlich die Hafenplätze Oran, Algier, Bougie, Bone, Philippeville, Tenes, Mostaganem und Nemours in Betracht. Während des Jahrzehnts 1830 — 1840 wies die Einfuhr jährlich nur 3 — 4 Millionen Francs und noch 1850 erst fünf Millionen Francs auf, während die Ausfuhr von sieben Millionen in 1830 bereits im Jahre 1840 auf 40 Millionen Francs gestiegen war.

Zwischen Algerien und Frankreich besteht seit 1867, mit Ausnahme von Tabak, Alkohol, Zündhölzchen, Zucker, Kaffee und anderen Kolonialwaren keine Zollgrenze, französische Waren, mit Ausnahme von Zucker, und in Frankreich nationalisierte Waren gehen in Algerien zollfrei ein und auch französischer Zucker und französischer Kolonialzucker sind vor fremdem begünstigt; anderseits werden algerische Produkte, mit Ausnahme von Tabak und Zucker, in Frankreich zollfrei eingelassen, und der algerische Überschuss sucht und findet infolge dessen sein erstes Absatzfeld im Mutterland. So fällt denn der Löwenanteil von Algeriens Außenhandel an Frankreich, und was man in Algerien dadurch an Zolleinnahmen verliert, sucht man seit 1844 durch Auferlegung einer Verbrauchssteuer, des octroi de mer. wett zu machen, welcher eine Anzahl Konsumartikel französischer wie fremder Abstammung mit einem hohen Aufschlag belastet und wesentlich zur allgemeinen Verteuerung beiträgt.

Fremde Waren unterliegen dem französischen Zolltarif, und nur an den Landgrenzen Algeriens besteht insofern ein Unterschied, als eigene Produkte der Nachbarländer frei eingehen, während fremde Waren auch hier dieselben Zölle, wie in den Häfen bezahlen. So ließ Algerien seit 1867 alle Waren marokkanischen Ursprungs für den algerischen Konsum, soweit sie auf dem Landweg kommen, zollfrei ein, unterwarf sie 1872-95 nur einer niedrigen statistischen Abgabe und erhob dann nur noch 10 Centimes „droit sanitaire“ für jedes Stück eingeführten marokkanischen Viehs. Um die algerischen Kolonisten und Eingeborenen aber gegen die billige marokkanische Konkurrenz zu schützen, und um dem algerischen Budget eine neue Einnahmequelle zu erschließen, deren jährlichen Ertrag man auf 7 — 800.000 Francs schätzt, ist Anfang 1905 diese seit 1895 bestehende Zollfreiheit wieder aufgehoben worden. An der langen, schlecht bewachten algerisch -marokkanischen Grenze findet übrigens beiderseits ein lebhafter Schmuggel statt.

Der große Rückgang in der Ausfuhr nach Frankreich von 1899 zu 1900 erklärt sich durch die bereits besprochene Krisis im Weinhandel. In der Einfuhr aber hat es Frankreich dank seiner Zollgesetzgebung erreicht, dass es den Markt in Industrieerzeugnissen fast vollständig beherrscht und in Algerien vom nichtfranzösischen Ausland überwiegend nur solche Produkte eingeführt werden, welche das Mutterland überhaupt nicht erzeugt. So besteht denn auch die Einfuhr aus England ganz überwiegend nur in Kohlen, während seine Baumwollwaren durch den hohen Zoll ausgeschlossen sind.

Auch der deutsche Handel ist fünfmal so stark an Algeriens Ausfuhr, als an der Einfuhr beteiligt, und zwar gibt die deutsche Reichsstatistik folgende Zahlen für das deutsche Zollgebiet: Ausfuhr nach Algerien 1897: 78.000 Mark und mit ständiger Steigerung 1901: 536.000 Mark, 1902: 526.000 Mark; 1903: 899.000 Mark. Einfuhr von Algerien 1897: 2,8, 1899:4,9, 1900: 8,3, 1901: 6,6, 1902: 8,6, 1903: 9,1 Millionen Mark. Im Jahre 1903 bestand unsere Einfuhr aus den Hauptposten: Phosphate 2.964, Eisenerz 1.623, Pflanzenhaar 875, Ziegen- und Schaffelle 751, Korkholz 717, Wein 369, Zinkerz 331 Tausend Mark, sodann aus Tafeltrauben, Kartoffeln, Weinhefe, Zigaretten, getrockneten Feigen usw., während unsere kleine Ausfuhr nach Algerien 1903 in erster Linie Kohlen mit 227, Maschinen mit 172, Rohtabak mit 95 und ätherische Öle mit 85 Tausend Mark umfasste und angesichts der Zollschranken einer wirklich nennenswerten Ausdehnung kaum fähig scheint. Tatsächlich ist die deutsche Ausfuhr nach Algerien übrigens erheblicher, als die Reichsstatistik annehmen lässt, da ein großer Teil deutscher Waren wegen der seltenen Schiffsverbindung zwischen deutschen und algerischen Plätzen zunächst nach anderen Ländern, insbesondere nach Frankreich ging und durch deren Vermittlung nach Algerien gelangte. Nachdem bis dahin nur die deutsche Levantelinie regelmäßig algerische Häfen angelaufen, nahm im Januar 1900 auch die adriatische Linie der Hamburg-Südamerikanischen Dampfschifffahrtsgesellschaft diesen Dienst auf.

Eine Handelsbörse besteht in Algier schon seit 1852, Handelskammern gibt es in Algier, Oran, Constantine, Bone, Philippeville und Bougie.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Algerien