Auszug aus der Konstitutionsakte, welche Kaiser Alexander den Polen verliehen hat

Die katholische Religion, seit den ältesten Zeiten von der größeren Zahl der Einwohner als Volksreligion bekannt, genießt den besondern Schutz der Regierung, ohne jedoch im geringsten die Freiheiten anderer Religionen zu beschränken, die alle die völlige und öffentliche Ausübung dieser Freiheit unter der Aufsicht des Gesetzes genießen. Auch zieht der Unterschied der christlichen Religion keine Verschiedenheit im Genuss der gesellschaftlichen Rechte nach sich. Die ausübende Gewalt und die Regierung sind völlig in der Person des Regenten vereinigt. Niemand kann anders verhaftet werden, als in gesetzlicher Form, und in den durch das Gesetz bestimmten Fällen werden der verhafteten Person auf der Stelle schriftlich die Grunde der Verhaftung eröffnet. Jede verhaftete Person, muss spätestens, in 3 Tagen vor das gehörige Gericht gestellt und in der kürzesten Zeit gerichtet werden, wenn die ersten Verhöre sie nicht sogleich vom Verdacht reinigten. Wer eine vollständige Bürgschaft stellt, wird sogleich in Freiheit gesetzt, wenn nicht ein Gesetz solches verbietet. Kein Vergehen kann anders, als durch ein Erkenntnis des kompetenten Gerichts bestraft werden. Niemand kann über die Grenzen des Königreichs geführt werden, sondern jeder wird nach Urteil und Recht im Lande bestraft. Jeder Ausländer wird sobald er die Grenzen des Königreichs betritt, gleich den übrigen Einwohnern desselben, Schutz der Gesetze und die durch solche versicherten Vorteile genießen. Er kann im Lande bleiben und dasselbe verlassen; Grundeigentum erwerben und das Indigenat nachsuchen. Alles Eigentum ist unverletzlich. Keine Behörde kann dasselbe auf die geringste Weise antasten. Das Gesetz bestimmt die Form, unter der jemand gezwungen werden kann, sein Eigentum nach vorheriger Entschädigung zum öffentlichen Besten abzutreten. Die Auflagen, Abgaben, Taxen und allgemeinen Lasten, wie sie durch das Generalbudjet der Einnahme des öffentlichen Schatzes bestimmt werden, bleiben das Abgabe-System des Staats, und ohne Genehmigung des allgemeinen Reichstags darf im Wesentlichen derselben nichts abgeändert werden. Die jetzt bestehenden Zivil- und Kriminalgesetze (in so weit sie durch die Akte oder besondern königlichen Erkenntnisse nicht abgeändert werden) bleiben in Kraft, bis die neuen Gesetzbücher die königliche Sanktion und Bekanntmachung erhalten haben. In Zukunft werden alle Zivil- und Kriminalgesetze, die Gesetze über Gegenstände des Schatzes und die Eigenschaften der konstitutionellen Landesbehörden dem Reichstag zur Prüfung vorgelegt, und nicht eher Kraft erhalten, bis sie die Genehmigung des Reichstags und die Bestätigung des Regenten erlangt haben. Auch die Verordnungen über das Münzwesen, die Benennungen, das Gewicht und, den Wert der Münzen müssen dem Reichstag zur Prüfung und Bestätigung vorgelegt werden. Öffentliche Ämter können nur durch Eingeborne und solche Personen verwaltet werden, die im Lande angesessen sind, unbewegliches Eigentum erworben und das Indigenat erlangt haben. Gewisse Ämter werden nur durch Grundeigentümer verwaltet werden können. Die Pressefreiheit wird zugestanden; eine Abteilung des Senats (der aus den Prinzen vom kaiserl. und königl. Geblüt, den Bischöfen, Palatinen und Kastellanen besteht) wacht gemeinschaftlich mit der Kommission der Volksaufklärung über ihre Ausübung. Alle öffentlichen Verhandlungen der Verwaltungen und Gerichte ohne Ausnahme werden in polnischer Sprache abgefasst. Die Ausübung der Gesetze und die Verwaltung des Reichs wird einem Staatsrat übertragen, der in Warschau seinen Sitz hat, und in dem der königlichen Statthalter präsidiert. Es werden für das Innere, die Polizei, für das Kriegsdepartement und den Schatz besondere Kommissionen bestehen. Für die Departements der Religionsangelegenheiten, der öffentlichen Aufklärung, der Justiz, des Innern, der Polizei, des Krieges und der Finanzen werden eigene Minister ernannt. Der Minister-Staats-Sekretär wird sich stets bei der Person des Königs befinden. Eine Commission der öffentlichen Aufklärung wird sich zugleich mit den Rechten der verschiedenen Religionsparteien beschäftigen und mit dem Staatsrat in Rücksicht ihrer Verwaltungszweige in Verbindung treten. Die Funktionen des Justizministers werden dem höchsten Tribunal übertragen. Der Staatsrat legt jährlich im Allgemeinen Rechenschaft von dem Zustande des Reichs ab, gegründet auf die Rechnungen und Berichte jedes Zweiges der Verwaltung, die dem Senat vorgelegt, durch ihn geprüft und vom Reichstag durch den Druck öffentlich bekannt gemacht werden. Die Gesetze werden bestimmen, in welchen Fällen und nach welchen Formen die Minister und Mitglieder des Staatsrats verantwortlich sind. In Sachen der Art ist der Senat das höchste Tribunal. Die bisherige Einteilung des Landes nach Kreisen wird bloß in Rücksicht der Nationalrepräsentation und der Wahlen beibehalten. In jeder Woiwodschaft wacht eine Kommission über die Ausübung der Gesetze und Verordnungen, und über die Ordnung und Tätigkeit im öffentlichen Dienste in allen Verwaltungszweigen. Ihr Präsident ist ein besonders bevollmächtigter und mit gewissen Befugnissen als ausübender Beförderer bekleideter Beamter. Die Eigentümer oder ihre Stellvertreter in den Dörfern, die Dorfgemeinden und die Munizipalitäten in den Städten bilden das letzte Glied der Verwaltung, und führen die ihnen durch die Bezirkskommissionen zugestellten Befehle der Woiwodschaftskommissionen aus. In jeder Woiwodschaft ist ein Rat der Einwohner, der aus den durch die Mehrheit der Stimmen auf den Kreistagen und Gemeindeversammlungen erwählten Mitgliedern besteht, und außer dem den jetzigen Departementsräten angewiesenen Wirkungskreise, die Liste der Kandidaten zu Verwaltungsstellen anlegt. Alle öffentliche Beamte in der Verwaltung können durch den Willen der Behörde, die sie ernannt hat, abberufen werden, und sind für ihre Verwaltung verantwortlich. Die Entscheidung der Prozesse in Verwaltungsangelegenheiten, die bisher den Präfekturalräten und dem Staatsrat beigelegt war, gehört künftig vor die Tribunäle und gewöhnlichen Gerichtshöfe. In jeder Woiwodschaft ist eine gewisse Anzahl Landgerichte erster Instanz für die Zivil- und Stadtgerichte, für die Kriminalsachen, und für das ganze Königreich 2 Appellationstribunäle und ein höchstes Tribunal letzter Instanz in Warschau, das mit dem Senat verbunden wird. Die vom Regenten ernannten Richter bleiben auf Lebenszeit, und können von ihren Ämtern und Würden nicht entfernt werden. Zwei Dritteile der Richter bei den Gerichtshöfen der beiden ersten Instanzen werden erwählt, und können gleichfalls nicht während der bestimmten Dauer ihres Amtes entsetzt werden. Kein Richter kann anders als im Fall eines erwiesenen Vergehens abgesetzt werden. Die Verwaltung der gewöhnlichen und Besserungspolizei wird den Ortsbehörden anvertraut. Friedensrichter für alle Klassen der Einwohner sorgen für die Versöhnung. Die Justiz bleibt der Konstitution nicht unterworfen. Die Disziplin der Justizbeamten und die Aussicht auf die vollständige Ausübung des öffentlichen Dienstes gehört vor das höchste Tribunal. Das Begnadigungsrecht bleibt dem Regenten; er allein kann, die Strafen erlassen oder abändern. Kein Prozess kann außerhalb Landes geführt werden. Das neue Gesetzbuch über das Verfahren (Gerichtsordnung und Justizverfassung), das sich, dem alten polnischen Zivilrecht nähern und von einer durch den König dazu ernannten Committée entworfen werden soll, wird das jetziges Verfahren vorläufig vertreten. Die niedern Untergerichte, die öffentlichen Notarien und Zivilbeamte sind aufgehoben. Die öffentlichen Bücher (Landesakten) werden wieder eingeführt.

Die Landessekretäre, die zugleich Hypothekenverwahrer und Aufseher der Gerichtsrepositorien sind, werden auf den Kreisversammlungen erwählt, und leisten Kaution. — Das polnische Militär behält seine eigene Bekleidung und alles, was seine Nationalität bezeichnet, und wird von der Nation unterhalten; das stehende Heer auf ganzem Solde macht zur Friedenszeit nur einen Teil der Streitkräfte aus, und ist stets schlagfertig. Es ist zur Verteidigung der Grenzen Polens bestimmt, hat seine Standquartiere im Lande, und wird bloß in Europa gebraucht. Das durch das Königreich marschierende russische Militär wird auf Kosten des kaiserlichen Schatzes unterhalten. — Die Katholiken und die Geistlichen der griechischen unierten Kirche erhalten jährlich eine bestimmte Einnahme von zwei Millionen polnische Fl. in Nationalgütern angewiesen, und benutzen sie als völlig unverlierbares Eigentum. Diese neuen Fonds verbunden mit andern, welche die Geistlichkeit schon besaß, werden unter sämtliche Kirchen so verteilt, dass das Los der Priester verbessert und die gehörige Unterhaltung des Küchendienstes, der Seminarien und Erziehungshäuser gesichert wird. Aus den bisherigen Gesetzen und Verordnungen wird alles entfernt, was der geistlichen Disziplin oder den anerkannten Rechten der Kirche Eintrag tun kann. Die Summe, welche die Regierung zur Unterstützung der reformierten und lutherischen Geistlichkeit bezahlt, beträgt 100.000 Fl. poln. jährlich. — Der öffentliche Unterricht ist national und unendgeldlich. Die Kommission, der dieser Gegenstand und die Angelegenheiten der Religionsparteien anvertraut werden, nimmt den ersten Platz der Kommissionen der Landesverwaltung ein, und hat zu ihrem Präsidenten einen Senator. Der Fond der öffentlichen Erziehung wird auf 2 Millionen Fl. poln. (333.333 Rthlr. 8 gr.) erhöht. Alle den Städten gewisse Rechte, Freiheiten und Privilegien beilegende Festsetzungen werden beibehalten. Das Kommunalvermögen der Städte wird durch ihre besondern Beamten verwaltet. Den Landleuten wird ihre persönliche Freiheit und das Recht, Grundeigentum zu erwerben, erhalten. Ihnen wird sicherer Schutz und wohlfeile Rechtspflege zugesichert. Der jüdischen Nation werden die von den bisherigen Gesetzen und Verordnungen ihr zugesicherten Zivilrechte belassen. Nach der durch die Akte veränderten Konstitutionsurkunde des ehemaligen Herzogtums Warschau vom 21sten Juli 1807 besteht der Reichstag aus 2 Kammern, des Senats und der Landboten; er kommt alle 2 Jahre zu der vom König bestimmten Zeit zusammen. Die Sitzung dauert 30 Tage, und hat zum Gegenstande die Beratschlagungen über die Auflagegesetze und die Gesetze, die sich auf die in der Zivil- und Kriminalgesetzgebung oder der Münzverfassung zu machenden Veränderungen beziehen. Die im Staatsrat abgefassten Gesetzentwürfe werden auf Befehl des Königs dem Reichstag zugestellt, in der Landbotenkammer unter Stimmenmehrheit diskutiert und der Genehmigung des Senats vorgelegt. Der Senat besteht aus 30 Mitgliedern, 10 Bischöfen (die vom Könige ernannt, aber vom Papst bestätigt werden), 10 Woiwoden und 10 Kastellanen, die vom Senate ernannt werden. Im Senat präsidiert das vom Könige dazu ernannte Mitglied desselben. Die Stellen der Senatoren sind auf Lebenszeit. Die in der Landbotenkammer diskutierten Gesetze werden der Genehmigung des Senats vorgelegt, der dem Gesetz seine Bestimmung erteilt, ausgenommen 1) wenn über das Gesetz nicht auf eine konstitutionsmäßige Weise beratschlagt, oder die Beratschlagungen durch gewalttätige Handlungen gestört worden; 2) wenn das Gesetz nicht durch Stimmenmehrheit angenommen ist; 3) wenn das Gesetz der Sicherheit des Staats oder der Constitution zuwider ist. Hat der Senat einem Gesetz seine Genehmigung widerrechtlich verweigert, so kann der König ihn aufheben, der auch die Landbotenkammer aufheben und neue Wahlen verordnen kann, wenn die Unordnungen in der Sitzung der Versammlung oder in der Beratschlagungsform erneuert werden. Wenn der Senat seine Bestimmung: gegeben, oder wenn den König ungeachtet der Deliberationsgründe des Senats die Bekanntmachung desselben verordnet, so wird dieser Entwurf als ein Gesetz etabliert.


Die Landbotenkammer besteht 1) aus 77 von den Landtagen oder den Adelsversammlungen der Distrikte ernannten Landboten, die wenigstens 40 Jahre alt sein müssen; 2) aus 51 Gemeindedeputierten. Das Königreich ist in 77 Bezirke und 51 Gemeindeversammlungen geteilt, 8 für die Stadt Warschau, und 43 für das übrige Gebiet. Jede Gemeindeversammlung muss wenigstens 600 stimmfähige Bürger enthalten. Die Mitglieder der Landbotenkammer bleiben 6 Jahre in Funktion, und werden alle 2 Jahre zum Drittteil erneuert. Das Los entscheidet über die abgehenden Mitglieder. In der Landbotenkammer führt ein aus ihrer Mitte erwählter und vom Könige bestätigter Marschall das Präsidium; sie beratschlagt über die Gesetzesentwürfe, die hernach der Genehmigung des Senats vorgelegt werden. Die Mitglieder des Staatsrats sind geborne Mitglieder der Landbotenkammer und haben Sitz und deliberierende Stimme. Die Landbotenkammer ernennt 3 Kommissionen und 5 Mitglieder für die Finanz-, Zivil- und Kriminalgesetze und nur diese Kommissionen und die Minister haben das Recht, in Versammlungen zu sprechen; die andern entscheiden nur nach geheimer Abstimmung. —: Hofbeamte sind: der Krongroßstallmeister, Kronoberjägermeister, Hofmarschall; dann Kammerherren und Kammerjunker. —