Alexanders Verdienste um die innere Verwaltung, Gesetzgebung, Organisation der Staatsbehörden, Staatswirtschaft usw.

Eine höchst schwierige Aufgabe bleibt die innere Einrichtung eines jeden Staats, wenn sie ganz den Verhältnissen gemäß, die höchste unter den Umständen mögliche Wohlfahrt des Ganzen hervorbringen soll. Unendlich wird die an sich schon so große Schwierigkeit erhöht bei einem Staate, welcher Bewohner von den verschiedenartigsten Bildungsstufen, von der höchsten Verfeinerung bis zum niedrigsten Bildungsgrade herab, Bewohner von den verschiedenartigsten Völkerstämmen, Religionen, Sprachen und Sitten umfasst. Diese unermessliche Verschiedenheit der Verhältnisse erhöht die schwere Kunst des Regierens in Russland bis auf einen hohen Grad. Ich rufe hier mit dem geistvollen Engel in seiner Lobrede auf Friedrich den Großen aus:

„Was für ein Geist muss es sein, der sich bis zu der Höhe, wo die Übersicht möglich ist, emporschwingen und mit dem Blick des Adlers den ganzen weiten Kreis überschauen soll!“


Diese Übersicht der unermesslichen Staatsgeschäfte zu erleichtern, wurden unter Alexanders Regierung die hohen Reichskollegien nach einem umfassenden Plane neu organisiert. Der dirigierende Senat erhielt seine Organisation durch den Ukas vom Jahr 1802 , während der Reichsrat und das Staatsministerium ihre Einrichtung durch den Ukas vom Jahre 1810 erhielten. Vielseitigkeit der Beratung und Einheit in der Ausführung wurden durch diese Organisation möglichst befördert. Eine besondere Aufmerksamkeit schenkte der mit großer Besonnenheit das Innere seines Staats überblickende Herrscher der Verbesserung der Gesetze. Gute Gesetze, wenn für ihre strenge Beobachtung gesorgt wird, gewähren Sicherheit des Eigentums und des Lebens, sie erhöhen die Liebe zum Staate, vermehren das Bestreben, sich die Achtung aller Gutgesinnten zu verschaffen, sie schrecken durch Furcht die Bösen, erhöhen den Lebensmut der Guten, sie beleben den rechtlichen Erwerbsfleiß, vernichten den verderblichen Einfluss der Willkür und lösen die Bande, welche die Entwickelung der Kräfte aufhalten. Unter Alexanders Regierung wurden die Strafgesetze milder und zugleich gerechter. Um wo möglich jeden Justizmord zu verhindern, wurde die Einstimmigkeit der Richter bei Zuerkennung der Todesstrafe zum Gesetz erhoben. Die Folter, als ein Schandfleck in der Strafgesetzgebung, durfte nicht mehr angewendet werden; auch die Konfiskation der Güter, als Strafe der Verbrecher, wurde allgemein abgeschafft. Die Einziehung der Güter des Verbrechers straft nicht bloß den Schuldigen, sie straft auch die oft völlig unschuldigen Erben desselben. Die unglücklichen Kinder, welche die Schande eines verbrecherischen Vaters tragen, werden bei Einziehung seiner Güter auch durch Armut gestraft. Die Konfiskation der Güter reizte oft die Habsucht böser Gewalthaber, so wie die Erbitterung der Verarmten, und erzeugte nicht selten Verbrechen, indem sie Verbrechen bestrafte. Der Kaiser Alexander setzte eine eigene Gesetz-Kommission unter Leitung des Fürsten Lapuchin und des Grafen Nowosiltzow nieder, welche bei seinem Hinscheiden ihre Arbeit noch nicht vollendet hatte. Diese Gesetzkommission hat indessen große Vorarbeiten zu den russischen Gesetzbüchern geliefert, deren Vollendung unter der jetzigen höchst kraftvollen Regierung, welche den großen Gegenstand nicht aus dem Auge lässt, bald zu erwarten ist. Unablässig war das Streben des menschenfreundlichen Kaisers dahin gerichtet, in seinem großen Reiche die Leibeigenschaft zu mildern und allmählich völlig abzuschaffen. Die Leibeigenschaft erniedrigt den Menschen zum Tiere, sie befördert Sorglosigkeit, Vernachlässigung des Hauswesens, Trägheit und Stumpfheit des Geistes; versenkt in Armut und Schmutz, hält die Entwickelung der geistigen Kräfte zurück, schwächt das Gefühl der Selbstachtung; und hemmt den Aufschwung zur höhern Sittlichkeit. Die Freiheit der Kronbauern wurde als Gesetz ausgesprochen. Der Adel folgte teilweise dem Vorgange des menschenfreundlichen Kaisers, und besonders geschah in den Ostseeprovinzen viel, das Schicksal der Leibeigenen zu verbessern. Zum Teil muss eine größere Reife der Leibeigenen noch abgewartet werden, wenn das Geschenk der Freiheit ihnen wahrhaft ersprießlich werden soll. Einen ganz besondern Takt besaß der Kaiser Alexander in der Behandlung der neuerworbenen Länder, um sie schnell und innig mit Russland zu verschmelzen. Dadurch bewies er, dass er schon durch seine Persönlichkeit zum Beherrscher eines großen Staats berufen war. Ein Grundsatz gesunder Staatskunst ist, das Schicksal neuerworbener Länder nach Möglichkeit zu verbessern, damit sie schnell den alten Staatsverband vergessen. Länder, in welchen Jahrhunderte lang eine Sehnsucht nach der Rückkehr alter Verhältnisse obwaltet, sind ein feindlicher Staat im Staate, und bewirken oft innere Schwäche, statt die Kraft zu vermehren. Das neuerworbene Königreich Polen erhielt durch Alexanders Sinn für liberale Ideen eine weise, mit Berücksichtigung früherer Verhältnisse entworfene Constitution. Das Aufblühen der Gewerbe, der Künste und Wissenschaften in Polen ist der sicherste Beweis für die Weisheit der Constitution, welche dem Lande zu Teil wurde. Auch das neuerworbene Finnland erhielt eine eigentümliche, seinen Verhältnissen angemessene Verfassung. Der Universität Abo wurden große Begünstigungen zu Teil. Der Kaiser Alexander ernannte den Großfürsten Nikolaus zum Kanzler derselben.

In einem vorzüglich glänzenden Lichte erscheint die russische Staatswirtschaft unter der Regierung Alexanders, denn überall strebte sie danach, in dem großen Reiche Wohlstand und heitern Lebensgenuss zu verbreiten; kein Zweig der Nationalproduktion wurde von ihr übersehen! Einen unermesslich wohltätigen Einfluss hat eine auf vernünftigen Grundsätzen der Nationalökonomie gegründete Staatswirtschaft, denn das physische Leben des Staatsbürgers steht mit seinem geistigen in wunderbarer Wechselwirkung. Indem die wohlgeregelte Staatswirtschaft den Wohlstand der Nation befördert, wird sie zugleich die geistigen Genüsse sichern, ausdehnen, vermehren. Diese herrliche Wissenschaft lehrt alle Hilfsquellen des Erwerbsfleißes, alle Erzeugnisse des Bodens und der Künste am nützlichsten und mit der möglichst geringsten Arbeit auf die Gesellschaft anwenden; sie sucht die Summe der menschlichen Genüsse zu vermehren. Durch diesen hohen Zweck wird sie eine der ersten unter den Wissenschaften. Ein geistvoller Schriftsteller sagt von ihr mit Recht:

„Die Staatswirtschaft beschränkt sich nicht darauf, den Erwerbsfleiß und den Handel zu leiten, die Quellen des Reichtums zu vervielfältigen, die Genüsse zu vermehren, welche die mechanischen Künste darzubieten im Stande sind; sie ist die gesellschaftliche Wissenschaft im ausgedehntesten Sinne des Worts, und indem man sie vervollkommnet und ihren Vorschriften folgt, kann man es so weit bringen, dass Ordnung, Gerechtigkeit und wahre Freiheit unter den Menschen herrschend, dass alle geistigen und moralischen Verbesserungen vorbereitet, der Geschmack geläutert, die Sitten veredelt werden.“

Zuerst richtete die Staatswirtschaft Alexanders ihren Blick auf die Urproduktion und vorzüglich auf die Beförderung der Landwirtschaft in ihrem ganzen Umfange. Die mit der gehörigen Berücksichtigung aller obwaltenden Verhältnisse getriebene Landwirtschaft ist die sicherste Grundlage des Nationalwohlstandes, sie beschäftigt die größere Masse eines Volks auf die angemessenste Weise, sie gewährt am sichersten die dringendsten Bedürfnisse des Lebens, und macht dadurch unabhängig vom Auslande; sie ist die beste Grundlage für die übrigen Gewerbe, sie gewöhnt die Völker an feste Wohnplätze und wird dadurch die erste Veranlassung zur Entstehung der Staaten. Die nomadischen Völkerschaften seines Reichs suchte Alexander zum Betriebe des Ackerbaues hinzuleiten, und es ist ihm gelungen, viele derselben zu fester Ansiedelung zu bewegen. Buräten am Baikalsee, an der Selenga und in der Provinz Nertschinsk, Surjänen in den Statthalterschaften Perm, Tobolsk, Wiatka, Kasan, Nischegorod und dem Kreise Ufa; Mordwinen in den Gonvernements Kasan, Nischegorod, Simbirsk, Pensa und Orenburg, auch mehrere Tungusen und Jakuten in der Statthalterschaft Irkutzk fingen an unter der Regierung Alexanders, sich mit dem Ackerbau zu beschäftigen. Auf seinen Befehl wurden ihnen Aufmunterung und Unterstützung zu Teil. Die meisten derselben sind seit der Zeit, dass sie feste Wohnplätze ergriffen und sich förmlich angesiedelt haben, auch zum Christentum übergegangen. Durch die teilweise Aufhebung und Beschränkung der Leibeigenschaft gewann die Landwirtschaft Russlands einen höhern Aufschwung, denn der freie Mensch arbeitet heiterer, arbeitet mit erhöhter Kraft! Um den höhern rationellen Betrieb zu fördern, wurden hier und da Ackerbauschulen angelegt. Soll die Landwirtschaft, wie sie es so sehr verdient, wissenschaftlich dargestellt werden, so setzt sie höchst umfassende Kenntnisse voraus, welche der bloß mechanische Betrieb nicht geben kann. Unter Alexanders Regierung entstand die ökonomische Gesellschaft zu Moskau, welche auf den rationellen Betrieb der Landwirtschaft einzuwirken sucht, auch bildeten sich Musterökonomien, welche die Grundsätze englischer Landwirte in Ausübung brachten. Fremde Anbauer wurden von Alexander höchst kaiserlich unterstützt, und besonders erfreuten sich die Kolonisten in der Gegend von Odessa und am Kaukasus der huldreichen Unterstützung des Kaisers. Auch die Militärkolonien, welche Alexander begründete, haben auf den Flor des Ackerbaues in Russland wohltätig eingewirkt und werden in der Folge wahrscheinlich einen noch bedeutender n Einfluss gewinnen auf die Urbarmachung der großen Steppen im Innern Russlands. Es sind seit dem Jahre 1816 von der Ostsee an bis zum schwarzen Meere, längs der ganzen westlichen Grenze des russischen Reichs, besonders in den Gouvernements Cherson, Charkow, Nowgorod und Jekaterinoslaw bereits in 385 Dörfern Militärkolonien gegründet worden. Der Einfluss dieser Kolonien auf den Ackerbau, die Bevölkerung und Ersparungen im Staatshaushalte ist von der höchsten Bedeutung. Die veredelte Schaafzucht war ein Gegenstand ernster Beachtung für den alle Zweige der National-Industrie überschauenden Herrscher. In den Jahren 1807 und 1808 wurden auf seinen Befehl einige Tausend Merinos gekauft, um in den Süden Russlands eingeführt zu werden, indem die fruchtbaren Steppenebenen Russlands am schwarzen und kaspischen Meere sich ganz vorzüglich für die Fortpflanzung der Merinos eignen.

Hohe Sorgfalt widmete Alexander dem russischen Bergbau, und seit Peter dem Großen hat kein Regent so viel für denselben getan. Der Bergbau ist ein höchst wichtiger Gegenstand für die Staatswirtschaft, denn er erhöht den Wohlstand, beschäftigt auf eine höchst gemeinnützige Weise Tausende von Händen, gibt Veranlassung zur Erweiterung menschlicher Kenntnisse, und ist besonders für große Staaten unentbehrlich, indem er die übrigens oft völlig unfruchtbaren Gebirgsstrecken vorteilhaft benutzen lehrt. Der für das Glück seines großen Staats stets besorgte Monarch veranstaltete mineralogische Reisen, welche zum Teil zu höchst wichtigen Entdeckungen führten. Die Goldgruben im Uralgebirge wurden unter seiner Regierung zuerst eröffnet, und gaben eine höchst bedeutende Ausbeute. Um den Bergbau zu ermuntern, besuchte der unermüdete Monarch im Monat Oktober 1824 die Minen und Hüttenwerke im Orenburgischen Gouvernement, bei welcher Gelegenheit ihm in dem Bergwerke Zarewo-AIexandrowskoi ein Stück massives Gold von 8 Pfund Schwere überreicht wurde. Gegen das Ende der Regierung Alexanders lieferte Russland schon halb so viel Gold als Brasilien; indessen vermehrt sieh dieser Ertrag alljährlich, da sein erhabener Nachfolger diesem wichtigen Zweige der russischen Staatswirtschaft ebenfalls seine hohe Sorgfalt widmet. Im Jahr 1823 sendete der so hochverdiente Herrscher den Professor Fuchs zur Bereisung des Uralgebirges ab, welcher in den Sandflötzen desselben Platina entdeckte. So wetteifert Russland nun auch in dieser Beziehung mit Amerika, und der ruhmvolle Nachfolger Alexanders beabsichtigt, die Piatina zu russischen Staatsmünzen benutzen zu lassen. Der Weinbau in den südlichen Provinzen des Reichs, besonders in der Krim, hat während der Regierung Alexanders bedeutend zugenommen, so dass man den jährlichen Gewinn auf dieser Halbinsel auf 300.000 Eimer berechnete. Es wurden sogar Versuche gemacht, auf dieser Halbinsel die Cochenille zu gewinnen, indem man die Cactus opuntia dort zu dem Zwecke anpflanzte. Um die für Russland so höchst wichtige Fischerei auf dem kaspischen Meere zu noch höherer Ausdehnung zu bringen, „wurden mehrere begünstigende Verordnungen erlassen. Eine vorzügliche Sorgfalt widmete der ruhmvolle Herrscher der Erhaltung und Verbesserung der Kronwaldungen. In einigen Gegenden des Reichs waren durch Mangel an Aufsicht die Kronwaldungen bedeutend verwüstet, weil der Überfluss gleichgültig gegen den Besitz gemacht hatte; auch fehlte es vor Alexanders Regierung an wissenschaftlich gebildeten Forstbeamten fast gänzlich. Es wurden deshalb Forstschulen zu Zarskoje-Selò und Kaluga errichtet. In einem Staate, dessen Provinzen großenteils ein nördliches Klima haben, war diese Sorgfalt notwendig. Um Ordnung in die Verwaltung der Kronforsten zu bringen, errichtete Alexander schon im Jahr 1802 ein eigenes Walddepartement. Den Seidenbau in den südlichen Provinzen aufzumuntern, wurden während seiner Regierung eine große Menge von Maulbeerbäumen angepflanzt, so dass in der Folge Russland seinen Bedarf an Seide großenteils selbst gewinnen wird.

Alexanders Staatswirtschaft umfasste mit gleicher Sorgfalt auch die industrielle Produktion seines unermesslichen Staats. Vor Peter dem Großen hatte Russland fast alle seine Erzeugnisse roh versenden müssen. Dieser Monarch, groß durch Tätigkeit und seltene Charakterstärke, legte den ersten Grund für die industrielle Produktion Russlands; ihm eiferte Katharina II. mit glücklichem Erfolge nach, aber erst unter Alexander erregte sie die Aufmerksamkeit des Auslandes. Die industrielle Produktion eines Volks ist eine Hauptquelle seines Wohlstandes, seines behaglichen, unabhängigen Daseins; sie vervielfacht den Lebensgenuss, erweitert Kunst und Wissenschaft, entwöhnt von Müßiggang, und gibt den Gegenständen der Urproduktion oft einen unendlich höhern Wert für den inländischen und auswärtigen Verkehr. Durch den russischen Zolltarif vom Jahr 1810 wurde den Erzeugnissen auswärtiger Fabriken und Manufakturen der Eingang in das russische Gebiet erschwert, um die inländische Fabrikation zu heben. Seit dieser Zeit hat die industrielle Produktion im russischen Reiche einen mächtigen Aufschwung genommen, so dass Russland itzt industrielle Erzeugnisse in das Ausland versenden kann, welche es vor Alexanders Thronbesteigung von demselben beziehen musste. Petersburg und Moskau zeichneten sich durch ihre Fabriken und Manufakturen vorzüglich aus. Die unter Alexanders Regierung entstandene große Gewehrfabrik zu Isch im Sarapulischen Kreise der Statthalterschaft Wiatka liefert einen glänzenden Beweis von der großartigen Entwickelung des Fabrikwesens im Innern des russischen Reichs. Bis zum Jahr 1807 befand sich zu Isch bloß ein Eisenhammer, welcher das rohe Eisen besonders aus Kuschwa erhielt. Auf den Vorschlag des Oberberghauptmanns Deräbin wurde im Jahr 1807 vom Kaiser Alexander die Anlegung dieser Gewehrfabrik genehmigt, indem er zur ersten Einrichtung 1,700,000 Rubel und 7000 Rekruten zu Arbeitern bewilligte. Zur jährlichen Unterhaltung wurden 142.460 Rubel bestimmt. In der Folge, nachdem im Jahr 1810 der Artillerie-Obrist Gren die Direktion der Anstalt übernommen hatte, wurde sie so bedeutend, dass sie im Jahr 1816 bereits 15.000 Flinten von ausgezeichneter Beschaffenheit liefern konnte und künftig, nach Vollendung des ganzen Baues, 50 bis 75.000 liefern soll. Diese Fabrik ist vielleicht in Absicht auf die Großartigkeit ihrer ganzen Anlage die vorzüglichste Gewehrfabrik in ganz Europa.

Zur Belebung der industriellen Produktion Russlands, genehmigte der verewigte Kaiser auf den Vorschlag des Finanzministers noch kurz vor seinem Hinscheiden die Gründung eines technischen Instituts zu Moskau. Diese Anstalt bezweckt die Verbreitung solcher Kenntnisse, welche unentbehrlich sind, wenn der Erwerbsfleiß empor gebracht werden soll. Junge Leute aus dem Stande der Freien, von 16-24 Jahren werden darin aufgenommen und unendgeldlich in den Handlungswissenschaften, in der Fabrikstatistik, Warenkenntnis, Chemie, Technologie, in der auf Fabrikation angewendeten Mechanik und Hydrotechnik, so wie im Zeichnen unterrichtet. Dieser vorbereitende Unterricht wird 2 Jahre fortgesetzt. Hierauf können die Schüler nach ihrem Berufe oder ihrer besondern Neigung die Lehrstunden für einzelne Fächer besuchen, wo ein detaillierterer Unterricht erteilt wird. Dieser Lehrgang dauert ein Jahr. Dann treten die Schüler aus der Anstalt und erhalten über ihre erworbenen Kenntnisse Zeugnisse. Man berechnet, dass vom Jahr 1812- 1815 allein 931 neue Fabriken im russischen Reiche entstanden sind, also während eines Zeitraums, in welchem Russland einen so großen Kampf zu vollenden hatte. Diese große Erscheinung ist nur erklärbar, wenn man erwägt, welchen unermesslichen Markt der russische Fabrikant in seinem Vaterlande hat, in welchem die Konkurrenz der Ausländer durch den Zolltarif vom Jahr 1810 zum Besten der inländischen Fabrikation erschwert wird. Auf der Leipziger Ostermesse des Jahrs 1828 kamen russische Manufakturwaren für Rechnung russischer Manufakturristen aus Moskau an, welche allen Kennern einen überraschenden Anblick gewährten, indem namentlich die seidenen Stoffe, die baumwollenen Zeuge, Nankings, Tücher und ähnliche Waren an Vortrefflichkeit alle Erwartung übertrafen. Es wurde von Sachkennern anerkannt, dass die russische Industrie erstaunenswürdige Fortschritte gemacht habe und dass besonders Moskau bereits Waren liefert, welche in Absicht ihrer Vollendung fast Alles übertreffen, was itzt das übrige Europa liefert, wo zwar höchst wohlfeile, aber auch zum Teil sehr leichte Ware fabriziert wird. Diese Waren würden nach dem Urteile der Kenner noch größeren Absatz finden, wenn man ihnen durchaus eigentümliche, doch aber möglichst geschmackvolle Muster gäbe.

Um die Industrie zu beleben, wurden von Zeit zu Zeit Prämien verteilt, auch wurde eine eigene Comittee der Manufakturen niedergesetzt, welche namentlich sehr wohltätig auf die russischen Wollmanufakturen eingewirkt hat. Die Minister des Innern legten von Zeit zu Zeit öffentlich Rechenschaft über den Zustand der Gewerbe ab. Auch Fremde wurden nach Russland berufen, um Fabriken und Manufakturen zu begründen, besonders bediente sich Alexander ausgewanderter Schottländer, um in den Gegenden am Kaukasus dergleichen ins Dasein zu rufen. Durch eine Verordnung vom 28sten Dezember 1818 wurde auch den Bauern erlaubt, Fabriken und Manufakturen anzulegen.

Alexanders Staatswirtschaft verlor keinen Augenblick die verschiedenen Zweige des russischen Handels aus dem Auge. Ein blühender Handel hat einen unermesslichen Einfluss auf die Macht der Völker, er vermehrt die Mittel des Genusses und der Belehrung, er ist eine der ersten Grundlagen des Nationalwohlstandes, er gibt den Erzeugnissen der Urproduktion und der Industrie einen erhöhten Wert, und eben dadurch beiden eine frischere, lebendigere Regsamkeit. Als die Franzosen im Jahr 1812 im Begriff waren, in das Innere Russlands einzudringen, machte eine französische Zeitschrift aufmerksam auf die Wichtigkeit des russischen Handels, indem sie sehr wahr bemerkte:

„Zwischen Asien und Europa in der Mitte kann Russland mit fast allen Erdbewohnern Handel treiben. Über das kaspische Meer besteht sein Verkehr mit Persien und Indien, mit China führt es einen bedeutenden Karawanenhandel. Das asowsche und schwarze Meer führt die Erzeugnisse des Nordens in das mittelländische Meer. Kamtschatka führt die russische Handelsflagge auf Meere, die von der einen Seite nach Amerika, auf der andern nach Japan und China führen.“

Doch noch viel bedeutender als der auswärtige, ist der russische Binnenhandel, weil er ein unermessliches Gebiet, einen fast unübersehbaren Spielraum hat. Schon Peter der Große und Katharina II. haben viel für den russischen Handel getan, allein Alexander hat in dieser Beziehung noch weit mehr geleistet. Es sei mir erlaubt, aus der großen Masse von Tatsachen nur die Hauptmomente hervorzuheben, da die engen Grenzen dieser Denkschrift es nicht gestatten, die Einwirkung Alexanders auf den russischen Handel in ihrem ganzen Umfange zu schildern. Um den russischen Handel nach dem Auslande auf festere Grundlagen zu stellen, wurden Handels- und Schifffahrtsverträge mit mehreren Regierungen abgeschlossen. Die Gesandtschaften nach China, Cochinsina, Persien und Japan bezogen sich großenteils auf die Erweiterung des Verkehrs mit diesen Ländern, Des Handels wegen erwarb Alexander die Hauptmündung der Donau für den russischen Staat. Die großen Seereisen Krusensterns, Kotzebues und anderer russischer Seefahrer hatten neben wissenschaftlichen Zwecken auch die Absicht, für den russischen Welthandel neue Verbindungen anzuknüpfen. Um eine Uebersicht des russischen Handels zu gewinnen, entwarf, auf Alexanders Befehl, der Minister Graf Nicolaus von Romanzow eine Übersicht des russischen Handels für die Jahre 1802-1805. Das Resultat war für die russische Handelsbilanz im hohen Grade günstig, denn es ergab sich, dass schon damals die Ausfuhr viel bedeutender war, als die Einfuhr. In den folgenden Jahren wurde die Bilanz noch günstiger, denn im Jahr 1819 überstieg der Betrag der Ausfuhr, den der Einfuhr um 42 Millionen Rubel. Zur Beförderung des Handels legte Alexander Schulen für den Schiffbau und die Bildung der Steuerleute an. Die demidowsche Handlungsschule wurde von Moskau nach Petersburg verlegt, weil die Zöglinge hier aus eigener Ansicht mit dem Seehandel sich besser bekannt machen können. Unter Genehmigung des Kaisers bildete sich zu St. Petersburg eine Südwest-Compagnie zur Beschulung des schwarzen Meeres und der Ostsee mittelst der Kanalsysteme des Dnieper und Niemen, auch wurden neue Niederlassungen auf der Nordwestküste von Amerika gegründet, ja selbst nach Chiwa gingen russische Agenten, um in Zentralasien Verbindungen anzuknüpfen. Die Aufmerksamkeit des unermüdeten Herrschers war indessen auf den russischen Binnenhandel gerichtet. Ein lebhafter Binnenhandel bringt das Betriebskapital einer Nation in den frischesten, lebendigsten Umlauf, er weckt die schlummernden Kräfte der Urproduzenten und belebt die Industrie. Er gleicht dem gesunden Umlaufe des Bluts in einem kraftvollen Körper. So wie der Blutumlauf jedem einzelnen Teile des Körpers Nahrung zuführt und alle Teile mit frischer Tätigkeit erfüllt, so bringt der Binnenhandel die Erzeugnisse aller Provinzen eines Reichs in Umlauf. Für den Flor des Binnenhandels haben die hydraulischen Anstalten eines Staats, wenn sie gehörig geleitet werden, eine höchst bedeutende Wichtigkeit. In einem höhern Grade sind sie wichtig für einen Riesenstaat, wie Russland , der nach Verhältnis seiner Größe nur geringe Berührung mit dem Weltmeere hat. Die Natur hat dem Innern von Russland als Entschädigung eine große Anzahl kleiner und großer Flüsse gegeben, auch ist wohl nicht leicht ein Land so reich an Landseen, von denen einige eine bedeutende Ausdehnung haben, wie der Baikal- und Aralsee, der Ladoga und Onega, der Peipussee und ähnliche. Für den Binnenhandel Russlands kam es nun darauf an, diesen Wasserreichtum möglichst zu benutzen und die Wasserkommunikation zu vervielfältigen. Schon Peter der Große, der gewaltigste Herrscher seines Jahrhunderts, lenkte seine Alles umfassende Tätigkeit auf die Verbesserung der Wasserverbindungen seines großen Reichs, und seine Nachfolger haben diesen großen Gegenstand fast nie ganz aus den Augen verloren; doch auch hier ist die fünf und zwanzigjährige Regierung Alexanders als Epoche machend zu betrachten. Im Jahr 1810 wurden auf seinen Befehl die hydraulischen Anstalten des Reichs neu organisiert. Alle Kommunikationen zu Wasser und zu Lande, die Flusssysteme, Landseen u. dgl. wurden in 10 Arrondissements geteilt. Auf seinen Befehl bildete sich eine eigene Kanalpolizei und eine Ingenieurschule für 80 Zöglinge, welche zu Beamten im Wasserbau bestimmt sind. Zunächst wurden die bereits angefangenen Kanäle vollendet. Dies war der Fall mit dem Nowgorodischen Kanal, welcher die Msta unmittelbar mit der Wolchow verbindet. Schon im zweiten Regierungsjahre Alexanders, im Jahre 1802, erhielt dieser wichtige Kanal seine Vollendung, durch welchen die Ostsee und das kaspische Meer in Verbindung gesetzt werden. Zwar bestand diese Verbindung schon durch den Kanal von Wischnei-Wolotschock, allein durch diesen war zwar der Weg vom kaspischen Meere ins baltische möglich, doch nicht der Rückweg, weil die Wasserfälle der Wolchow und Msta unübersteigliche Hindernisse waren. Schon dieser Kanal gibt eine Idee von der Wichtigkeit der Wasserverbindungen im Innern von Russland, denn Petersburg und Astrachan, welche so bedeutend von einander entfernt sind, kommen dadurch in Verbindung. Der Marienkanal, welchen Peter der Große bereits angefangen, Kaiser Paul I. aber fortgesetzt hatte, wurde auf Kosten der Kaiserin Mutter im Jahr 1808 vollendet. Er verbindet die Wolga und Newa noch näher, als der schon erwähnte Kanal von Wischnei-Wolotschock, und zwar zunächst die Flüsse Kowscha und Wytegra. Die Anlage und Vollendung dieses Kanals war eine Riesenarbeit, denn er erforderte ohne die Damm- und Nebenschleusen noch 26 Schleusen der gewöhnlichen Art. Nach einem Beschlusse des Kaisers vom Jahr 1812 wurde der Tmakafluss bei Twer in einen Kanal verwandelt, welcher den Namen des Katharinenkanals erhielt, und dessen Anlage 700.000 Rubel kostete. Im Jahr 1811 wurde der Tichwinskische Kanal vollendet, welcher die Flüsse Tichwin und Somina vereinigt und dadurch die Fahrt zwischen der Wolga und St. Petersburg über Ribinsk und Tichwin eröffnet. Auch der Swirische Kanal verdankt der Regierung Alexanders seine Entstehung. Er setzt den Ladogaischen oder Sjäßsischen Kanal bis an den Swir fort, um diesen Fluss mit der Wytegra zu verbinden und dadurch den schwachen, ohne alles Eisenwerk zusammengefügten Fahrzeugen die Schifffahrt über den Ladoga und Onegasee zu ersparen. Das Beispiel Alexanders munterte auch den Unternehmungsgeist Anderer auf. Der Ingenieur-Generallieutenant Gerard ließ im Jamburger Kreise des Gouvernements St. Petersburg 2 Kanäle graben, um die Erzeugnisse dieses Kreises zu Wasser bis nach der Hauptstadt bringen zu können. Der Kaiser überließ dem Unternehmer und seinen Erben die Einnahme von den Schleusen- und Hafengeldern. Zu den Unternehmungen Alexanders im Wasserbau gehört auch die Schiffbarmachung der Zna, welche mit der Wolga in Verbindung steht. Durch diese Arbeit wurde die Schifffahrt der Stadt Tambow und ihrer Umgebung bedeutend gehoben. Um meinen Lesern eine Idee zu geben von der Wichtigkeit namentlich des Ladogakanals und von dem Aufschwunge, des Verkehrs im Innern Russlands, führe ich hier noch an, dass vom 14ten April Ins 14ten November 1808 für 59 Millionen Rubel an Waren diesen Kanal passierten.

Auch die Landstraßen sind für die Staatswirtschaft ein höchst wichtiger Gegenstand, denn ihre Verbesserung hat einen höchst bedeutenden Einfluss auf den inneren, wie auf den auswärtigen Verkehr. Auch hier griff Alexanders Vorsorge oft sehr einflussreich ein; besonders verdankt ihm die schöne Krim eine große, ganz neu angelegte Landstraße, welche auf den Verkehr der schönen Halbinsel bereits einen mächtigen Einfluss gewonnen hat. Die südliche Küste der Krim ist im höchsten Grade reich an den köstlichsten Erzeugnissen, welche die Milde des Klima und die ungewöhnliche Fruchtbarkeit des Bodens hervorbringen. Mangel an guten Landstrassen hinderte die Benutzung dieses Reichtums der Natur. Reisende konnten wohl zu Pferde in diesen Gegenden fortkommen, aber große Lasten waren nicht fortzubringen. Man entwarf auf Befehl Alexanders einen Straßenplan, welchen er genehmigte, und dessen Ausführung der unermüdete Herrscher noch teilweise erlebte. Zwischen Simpheropol und dem Meeresufer ist die Straße schon seit längerer Zeit vollendet, wird aber in der Folge die höchst bedeutende Strecke von der Südküste der Klimm bis Taganrog durchlaufen.

Um auch den Seehandel der schönen Krim zu fördern, wurden auf Befehl des Kaisers einige Leuchttürme im Asowschen Meere gebaut. So wird die taurische Halbinsel unter dem russischen Szepter die hohe Bedeutung wieder gewinnen, welche sie schon im Altertum hatte.

Um einen größeren Geldumlauf zu befördern, suchte Alexander auf mannigfache Weise die russischen Handlungsmessen in größere Aufnahme zu bringen. Allen Ständen wurde der Verkehr auf den russischen Messen durch den Ukas vom dritten Januar 1&07 frei gegeben, auch wurden neue Messen, namentlich die zu Warschau gestiftet. Der Umsatz auf den russischen Jahrmärkten und Messen im Innern des Reichs ist zum Teil höchst bedeutend, und die Masse der Waren erregt die Bewunderung der fremden Kaufleute. Makariew, ein Städtchen im Gouvernement Nischnei-Nowgorod, an der Wolga gelegen, hat etwa 230 Häuser mit 500 Einwohnern. Seine 6 Wochen dauernde Peter -Paulsmesse wird von mehreren tausend Kaufleuten besucht, welche selbst aus Sibirien, Armenien und Persien herbeieilen. Der Wert der auf dem August-Jahrmarkte zu Makariew im Jahr 1815 feilgebotenen Waren wurde auf 300 Millionen Rubel angeschlagen. Die zahlreichen Messen im Innern des russischen Reichs haben dem Spekulationsgeiste der Russen einen höchst ausgedehnten Spielraum gegeben, sie haben den Austausch der Ideen unter den Kaufleuten und Fabrikanten und die technische Bildung der Nation überhaupt gefördert.

Um den russischen Handel zu heben, schuf Alexander einen Adel im russischen Handelsstande, denn zufolge eines seiner Ukasen können alle Kaufleute, welche wegen dem Staate geleisteter Dienste oder dem Vaterlande geleisteter Opfer, Orden erhalten haben, sich und ihre Nachkommen dem russischen Adel einverleiben lassen und dennoch dabei ihren Handel forttreiben. Ein französischer Philanthrop, der Abbé Coyer, sagt sehr wahr und treffend:

„Den Handel durch ehrenrührige Bestimmungen einschränken wollen, heißt längs dem Nilstrome Dämme erdichten, damit er nicht die Erde befruchte, heißt ein Bergwerk verschütten, weil es allzu reich ist.“

Im Geiste und fast mit den Worten dieses geistvollen Philanthropen setze ich hinzu:

Ist es eine den Adel entehrende Aufgabe, Schiffe zu bemannen, Flotten auszurüsten, Befehle für den Norden und Süden geben, den Manufakturen und Fabriken Kanäle eröffnen, die ganze Erde zur Bühne seiner Unternehmungen machen? Welch einen Aufschwung müsste namentlich der russische Handel nehmen, wenn der reiche Adel Russlands teilweise sich dem Großhandel widmete, seinen Reichtum diesem hochwichtigen, höchst ehrenvollen und oft so glänzend lohnenden Geschäfte als Betriebskapital widmete! Unter Alexanders Regierung wurde zu Petersburg das prachtvolle Börsengebäude errichtet, welches von einer Kolonnade von 44 Säulen umgeben ist und die Prachtgebäude der Hauptstadt vermehren hilft. Um den Bankassignationen einen höhern Kredit zu geben, wurden sie 1810 als garantierte Staatsschuld anerkannt. Die russischen Münzen mit der eines großen Staates würdigen Vollkommenheit ausprägen zu lassen, vollendete Alexander im Jahr 1816 das Münzgebäude zu St. Petersburg und ließ ihm die von Kennern bewunderte Einrichtung geben. Zwei große Dampfmaschinen, nach Boltons Modell in England verfertigt, setzen alle übrigen Maschinerien in Bewegung, vom ersten Plattieren des Silberbarrens an, bis zum letzten Rändern des Rubels. An einem Tage kann diese Maschine 100.000 Rubel, in dringenden Fällen sogar das Doppelte prägen.

Was Alexanders Staatswirtschaft geleistet, zeigt besonders das wunderbar schnelle Aufblühen einzelner Städte des Reichs. Als der unvergessliche Selbstherrscher zur Regierung kam, war Odessa ein unbedeutender, kaum den Namen nach bekannter Ort; bei seinem Hinscheiden war es einer der ersten. Handelsplätze am schwarzen Meere, ausgerüstet mit allen Hilfsmitteln der Zivilisation! Wer kannte vor etwa 30 Jahren den unbedeutenden Küstenpunkt Kojabai genannt, von einigen tartarischen Nomaden von Zeit zu Zeit besucht, wo jetzt das freundliche Odessa mit allen Annehmlichkeiten des Lebens den Reisenden aufnimmt? Wie sich unter Peter dem Großen das prachtvolle Petersburg mit staunenerregender Schnelligkeit aus den Sümpfen der Newa erhob, so unter Alexanders mildem Szepter Odessa mit seinen Hafendämmen, Quarantaine-Anstalten, Wasserleitungen, Theatern, Schiffswerften, mit seinen Schifffahrts- und Handelsschulen, öffentlichen Bädern, seiner Bank, seiner Börse, seinem Bazar, seinen Fabriken und seinen 50.000 Einwohnern! Diese Stadt konnte im Jahr 1816 in dem kurzen Zeitraum eines halben Jahrs für mehr als 15 Millionen Rubel russische Waren ausführen! So viel vermag ein Fürst mit großen Mitteln und reinem Willen, wenn günstige Umstände seine Unternehmungen unterstützen und wenn er glücklich ist in der Wahl der höheren Staatsbeamten, denen er die Ausführung so großer Unternehmungen überträgt. Nicht bloß Odessa ist hingezaubert in diese ehemalige Einöde, auch die Umgebungen dieses Orts sind umgeschaffen. Zahlreiche Kolonisten, besonders aus Deutschland, bewohnen die Umgegend und sind zu unerwartetem Wohlstande gelangt. Was ist aber nicht auch geschehen, um diesen Kolonnisten schnell ein behagliches Dasein zu verschaffen! Man baute ihnen Häuser, Ställe, Scheunen, versah sie mit Ackergerätschaften, Sämereien und den nötigen Wirtschaftstieren aller Art, machte ihnen Gehlvorschüsse und gewährte ihnen eine dreißigjährige Abgabenfreiheit! Eine ähnliche Erscheinung bietet Taganrog dar. Als der Kaiser Alexander zur Regierung kam, war Taganrog, ungeachtet seiner höchst günstigen Lage an der Mündung des Don, ein wenig bedeutender Handelsplatz, dessen Ausfuhrartikel sich im Jahr 1805 auf etwa 3 Millionen Rubel beliefen. Gegen das Ende der Regierung Alexanders rechnete man auf die Ausfuhr dieser Stadt den Wert von 60 Millionen! Um diese höchst günstig gelegene Stadt schnell zu heben, gab ihr der edle Monarch einen eigenen Gouverneur, eine Bank, eine Gesundheitskommission und Magazine, deren Erbauung der Krone 10 Millionen Rubel kostete. Unter so großen Begünstigungen nahm Gewerbefleiß und Handel mit reißender Schnelligkeit zu. Taganrog wurde, wie Odessa, Kiertsch und Kaffa zu einem Freihafen erklärt. Die ganze Gegend um Taganrog war vor dem Regierungsantritt Alexanders eine Steppe für die Nomaden, itzt findet man schon zahlreiche von Mauern umschlossene Meierhöfe und Dörfer. Die Stadt Kiertsch verdankt ihr schnelles Aufblühen eben der väterlichen Regierung Alexanders, welcher sie durch mannigfache Begünstigungen bedeutend emporhob. Bei diesen Grundsätzen der Staatswirtschaft hat die Bevölkerung Russlands unter Alexander höchst bedeutend zugenommen; denn wo Wohlstand und heiterer Lebensgenuss sich verbreiten, da schreitet auch die Bevölkerung vorwärts. Man rechnet, dass in den Jahren 1801-1825 die Bevölkerung in den Gouvernements Irkutzk und Tobolsk um eine Million sich vermehrt hat. Für einen Staat, welcher nach Verhältnis seines ungeheuren Flächenraums nur eine sehr mäßige Bevölkerung hat, ist die Beförderung derselben eine höchst wichtige Aufgabe, und Alexander hat nichts vorsäumt, um diesen großen Staatszweck zu erreichen. Die Einwanderungen brauchbarer Anbauer wurden möglichst befördert, die Einrichtung der Entbindungshäuser, der Hospitäler, der Krankenanstalten und Findelhäuser wurde bedeutend verbessert, die Einführung der Schutzblattern nach Möglichkeit gefördert. Zu Petersburg entstand auf seinen Befehl eine medicoiphilanthropische Gesellschaft, um dürftige, hilflose Kranke, wes Standes, Alters und Glaubens sie sein mochten, in ihren Wohnungen zu verpflegen, ihnen ärztliche Hilfe zu leisten, bei Unglücksfällen auf den Straßen schnelle Hilfe zu gewähren, Vorurteile und Aberglauben zu zerstören und schädliche Gewohnheiten auszurotten. Um die Verwaltungsbehörden der höhern Klasse für gesunde Grundsätze der Staatswirtschaft zu bilden, wurden auf den russischen Universitäten Lehrstühle für die Fächer der Nationalökonomie und Staatswirtschaft gestiftet und berühmte Lehrer des Auslandes nach Russland gerufen, um diese Wissenschaften vorzutragen. Einer der ausgezeichnetsten Gelehrten Deutschlands in diesem hochwichtigen Zweige des menschlichen Wissens, der Professor Jacob aus Halle, wurde nach Charkow berufen und späterhin in den russischen Adelstand erhoben. Damit auch die Taubstummen für den Staatshaushalt nicht verloren gehen, sondern zu nützlichen Staatsbürgern gebildet werden möchten, wurden zu Petersburg und Romorowa in Volchynien Anstalten für dergleichen Unglückliche gestiftet. Den milden Stiftungen wurde überhaupt unter Alexanders Regierung eine große Sorgfalt gewidmet. Die Kaiserin Mutter übernahm selbst die hohe, wahrhaft mütterliche Protektion über dieselben. Die milden Stiftungen verdienen die höchste Sorgfalt der Staatsbehörden, denn sie nehmen auf in ihren Schoß hilflose Waisen, hilfsbedürftige Kranke, Verwundete, Gebrechliche und schamhafte Arme; sie gewähren Mittel der Erhaltung und Rettung für Familien, welche ohne ihre Schuld in Armut gerieten, sie erziehen zu brauchbaren Staatsbürgern hilflose Kinder, welche ohne sie vielleicht für den Staatszweck ganz verloren gingen. Eine ganz besondere Sorgfalt weihte der menschenfreundliche Kaiser den russischen Findelhäusern. Diese Anstalten sind für den Staat von der höchsten Wichtigkeit. Die Findelhäuser nehmen unter ihre wohltätige Fürsorge hilflose Kinder, vermindern den Kindermord und werden wahre Mutterhäuser, wenn sie so zweckmäßig eingerichtet sind, wie die russischen. Das zu Moskau erhält in seinem wohltätigen Schoße an 5.000 Kinder, welche zu brauchbaren Bürgern des Staats erzogen werden. Es gibt Findelhäuser außerhalb Russland, welche eine größere Anzahl von Kindern aufnehmen, aber in Absicht auf zweckmäßige Verpflegung und sorgfältige Erziehung der Kinder werden die russischen vielleicht nicht übertroffen.