Alexanders Verdienste um die Nationalbildung der Russen

Indem ich auftrete, das Andenken eines Herrschers zu erneuern, welcher durch die Eigenschaften seines Herzens eben so sehr, als durch die Kraft seines Geistes hervorleuchtete, fühle ich meines großen Beginnens unermessliche Schwierigkeit! Entfernt von dem glänzenden Schauplatze, auf welchem er wirkte, entfernt von so manchen Hilfsmitteln, welche die Darstellung mir hätten erleichtern können, wage ich es dennoch, getrieben von innerer Begeisterung, einen Fürsten zu schildern, welcher der Stolz seines Volks, die Ehre unseres Jahrhunderts, das Musterbild der Fürstengröße in glänzender Unsterblichkeit dasteht! Möge die heilige Flamme der Begeisterung mich erwärmen, möge sie ersetzen, was meiner Darstellung abgeht, möge sie mich lehren, würdig seines Ruhms, würdig seines erhabenen Ranges, sein Lob zu verkünden! Wohin soll ich zuerst, zuerst ihn richten den Blick? Wie soll ich sie ordnen, die großen, die unermesslichen Stoffe?

Lassen Sie zunächst uns die Blicke richten auf des ruhmwürdigen Fürsten kräftige Einwirkung auf die höhere Ausbildung seines so bildungsfähigen Volkes. Hier entfaltete sich zuerst seine Größe, hier zeigte er unmittelbar nach seiner Thronbesteigung sich als den würdigen Nachfolger Peters des Großen und der erlauchten Katharina der Zweiten!


Durch Beförderung der Bildung erhebt ein Fürst sein Volk zu einer höhern Kraft und Würde; durch sie erhöht er das innere rege Leben seines Staats; durch sie vermehrt er die Quellen seines Fürstenrums, und seiner Fürstenmacht.

Ruhmvoll ist in dieser Beziehung die Laufbahn Alexanders! Einen Lichtstrahl goss er aus über das unermessliche Russland, der eindrang in die niedrigsten Hütten! Nach einem umfassenden Plane wurden die Unterrichtsanstalten des Staats harmonisch begründet. Die Universitäten, die Gymnasien, die Kreis- und Kirchspielschulen bilden nach seinem großen Plane ein ineinandergreifendes Unterrichtssystem. Die Universitäten zu Petersburg, zu Warschau, Charkow, Dorpat und Kasan wurden von Alexander gestiftet, alle übrigen reicher dotiert und zweckmäßiger eingerichtet.

Auf den Universitäten soll die Bildung ihre gediegensten Blüten treiben. Jünglinge, welche einst als Lehrer der Religion, als Pfleger der Gerechtigkeit, als verwaltende Behörden, als Lehrer der hohem Schulen, als Gelehrte jedes Fachs und jedes Berufs dem Vaterlande zu dienen bestimmt sind, sollen auf den Universitäten eine gründliche und zugleich vielseitige Bildung sich erwerben, sollen dort auf ihre hohe Bestimmung sich vorbereiten. Jünglinge, bestimmt zu den höchsten und wichtigsten Staatsämtern, empfangen hier die Weihe für die Wissenschaft und Kunst, begeistern hier sich finden heiligen Beruf ihres Lebens, Lehrer, Führer, Helfer und Tröster des Volks zu sein! Eine hohe Bestimmung gab der ruhmwürdige Selbstherrscher den russischen Universitäten! Nach seinem Plane sollte die Oberaufsicht und Leitung aller öffentlichen Bildungsanstalten von ihnen ausgehen. Von den Universitäten aus wurden nach seinem Befehl die Gymnasien bereiset, indem jede derselben ihren Aufsichtssprengel hat.

Mit Recht betrachtete Alexander die Schulen als die Pflanzstätten des aufblühenden Geschlechts, als die Vorhallen des Staatsgebäudes. Er wollte, dass der Zugang zur geistigen Bildung, zur Entwickelung der geistigen Kräfte auch dem Niedrigsten im Volke geöffnet würde. Darum befahl er die Einrichtung der Kirchspielschulen auf den Krondörfern. Eine hohe Bedeutung gewann unter des glorreichen Herrschers ruhmwürdigem Szepter das Ministerium der Volksaufklärung für das unermessliche Gebiet des russischen Staats. Tüchtige Männer leiteten dies hochwichtige Ministerium.

Der glorreiche Herrscher hat den höhern geistigen Aufschwung Russlands mächtig gefördert und sein Bemühen ist nicht ohne glänzende Erfolge geblieben! Richtig erkannte sein Scharfblick die Wichtigkeit der vaterländischen Sprache für die höhere Bildung der Nation; richtig erkannte der ruhmgekrönte Fürst, dass die Masse des gelehrten und gemeinnützigen Wissens nur durch die Muttersprache in das geistige Leben des Volks einzudringen vermag. Schon Katharina II., glorreichen Andenkens, hatte eine Akademie für die russische Sprache gestiftet und ein Wörterbuch für diesen höchst bildsamen Zweig der slavischen Sprachen bearbeiten lassen. Alexander, ergriffen von der hohen Wichtigkeit des Gegenstandes, stiftete auf allen russischen Universitäten eigene Lehrstühle für die russische Sprache, Literatur und Beredsamkeit. Diese Lehrstühle haben bereits einen wohltätigen Einfluss gewonnen auf die Erregung eines verständigen Selbstgefühls der Nation, auf die Belebung der literarischen Betriebsamkeit und dadurch auf das Gedeihen der vaterländischen Literatur. Mit Recht rühmt Schaffarick, in seiner trefflichen Geschichte der slavischen Sprachen, die Kraft, die Kürze, die Einfachheit, und den Reichtum der russischen Sprache, ihre Bildungsfähigkeit und vor allen ihre Erhabenheit für den religiösen und dichterischen Ausdruck des Gefühls. Möge das fortgesetzte Studium der alt-klassischen Sprachen auf ihre immer tiefere Entfaltung wohltätig einwirken, möge indessen der russische Genius mehr durch Entwickelung des Nationalen, als durch bloße Nachahmung sich entfalten! Diese Richtung suchte Alexander dem russischen Genius zu geben, und schon jetzt, hat Russland Schriftsteller, welche das Kräftige des Stoffs mit der Anmut der Form vereinigen.

Kein Streben des wissenschaftlichen Geistes blieb ohne Aufmunterung des mit dem Blicke des Adlers um sich schauenden Herrschers. Mit genialem Blicke erkannte Alexander die hohe Wichtigkeit der geschichtlichen Studien.

Die Geschichte ist die Lehrerin der Fürsten und der Völker, sie ist die beste Führerin auf der schwierigen Herrscherbahn; denn sie lehrt, wie Glück und Wohlstand der Völker, wie ihre Blüte und ihr Verfall sich entwickelt; sie zeigt mit Anschaulichkeit die Fehler in der Verwaltung; sie zeigt, wie Gesetze genützt und geschadet; sie zeigt, was die Entwickelung der Völker gehemmt oder gefördert; sie weiset nach die Verschiedenheit der Zeiten und Sitten und bewahrt vor der verderblichen Einseitigkeit des Urteils. Darum munterte der ruhmwürdige Kaiser den unermüdeten Karamsin auf, darum öffnete er ihm die Archive des Reichs, und so blieb er nicht ohne mächtige Einwirkung auf ein klassisches Geschichtswerk, wie es die frühere Literatur Russlands nicht aufzuweisen hat. Der für alles Ruhmwürdige so empfängliche Herrscher gab die Kosten her zu dem trefflichen Werke Karamsins über die russische Reichsgeschichte.

Göthes großes Wort in seinem Torquato Tasso:

„Ein Feldherr ohne Heer scheint mir ein Fürst,
Der die Talente nicht um sich versammelt,“

scheint ihm auf seiner ruhmvollen Herrscherbahn stets vor Augen geschwebt zu haben!

Höchst selten haben sich wohl solche Mittel und ein solcher Sinn für die Aufmunterung der Künste und Wissenschaften vereinigt gefunden, als in dem ruhmwürdigen Fürsten, dessen Andenken nicht untergehen wird, so lange hochherziges, uneigennütziges Streben eine reine, rücksichtslose Anerkennung findet! Zu kurz ist der Raum dieser Denkschrift, um Alles aufzuzählen, was der ruhmwürdige in dieser Beziehung getan! Auch die Erd- und Völkerkunde fand in ihm einen hochherzigen, enthusiastischen Beförderer.

Unter keiner frühern Regierung war in Russland für diesen höchst wichtigen Zweig des menschlichen Wissens so ungemein viel geleistet worden, als unter dem Szepter dieses ruhmwürdigen Kaisers. Preiswürdig waren in dieser Beziehung schon die Bemühungen der für alles Große und Gemeinnützige so empfänglichen Kaiserin Katharina der Zweiten. Von hoher Wichtigkeit waren unter ihrer Regierung die Reisen der russischen Akademiker Gmelin, Pallas, Ealk, Güldenstädt, Georgi und einiger andern Gelehrten für die Kenntnis des innern Russlands und die Erweiterung der Naturwissenschaft. Ihr ruhmgekrönter Enkel, empfänglich für jede große Idee, gab seinen Reisenden die Mittel zu noch größeren Unternehmungen.

Neben den großen Landreisen im Innern von Russland, welche Klapproth, Wrangel, Sjögren, und andere ausgezeichnete Gelehrte unternahmen, veranlasste sein hoher Sinn für die Erweiterung der Erd- und Völkerkunde, mehrere Erdumsegelungen und Entdeckungsreisen der ausgezeichnetsten Art. Große Entdeckungsreisen erhöhen den Ruhm der Völker, welche sie unternehmen, sie vermehren die Masse der menschlichen Kenntnisse, beflügeln den Unternehmungsgeist, machen aufmerksam auf den Reichtum der Natur und bereiten dem Handel neue Bahnen. In der Kulturgeschichte Russlands nehmen die großen Entdeckungsreisen, welche der unsterbliche Kaiser durch Krusenstern, Kotzebue, Bellingshausen, Wassilieff, Tschistakow, Lazarew und andere Seefahrer unternehmen lies, einen höchst ehrenvollen Platz ein. Sie haben zum Teil die Erd- und Völkerkunde wesentlich bereichert, sie haben den Nationalruhm der Russen erhöht und den Nahmen des Fürsten verherrlicht, auf dessen Befehl sie unternommen wurden. Auch die abstraktesten Wissenschaften waren von der hohen Aufmunterung Alexanders nicht ausgeschlossen. Als der tiefgelehrte Schubert sein klassisches Werk über die Sternkunde herausgeben wollte, gab der hochherzige Alexander 9.000 Rubel Kosten her und belohnte diesen ausgezeichneten Gelehrten auf eine wahrhaft kaiserliche Art. Schubert wurde 1816 zum wirklichen Staatsrat erhoben, mit dem St. Annen und Wladimirorden geschmückt, wurde erster Astronom bei der Petersburger Akademie und Mitglied des Admiralitäts-Kollegiums. Unsterblicher Ruhm dem edlen Fürsten, welcher seine großen Mittel zu so edlen Zwecken verwendete! Verdient nicht die Sternkunde diese hohe Ermunterung? Sie ist der Triumph der menschlichen Geistestiefe, der umfassendsten Kombinationen, sie erhebt uns durch ihre Forschungen zu Bürgern des Weltalls, erhebt uns über die Beschränktheit der Erde, sie gibt, wie ein geistvoller Schriftsteller sagt, dem Menschen ein erhabenes Herz und ein Auge, das über die Erde hinausreicht und Flügel, die in die, Unermesslichkeit heben und einen Gott, der nicht endlich, sondern unendlich ist. Auch das Studium der morgenländischen Sprachen wurde von dem vielseitig gebildeten Herrscher auf eine ausgezeichnete Weise befördert. Das Studium fremder Sprachen wirkt wohltätig ein auf die Entwickelung der menschlichen Geisteskraft, es gibt uns die geistige Ausbeute der geistvollsten Menschen, übt die Gründlichkeit des Forschens und bewahrt vor der Oberflächlichkeit geistloser Beschäftigungen. Der Kaiser Alexander wünschte, dass seine Diplomaten im Orient unabhängig würden von fremden Dolmetschern. Ein Ukas vom 29sten Mai 1823 bestimmte die Stiftung einer Schule, welche den Unterricht in den morgenländischen Sprachen zum Zweck haben sollte. Ausgezeichnete Orientalisten, wie Demange und Charmoi, welche Alexander schon früher aus Frankreich nach Russland berufen hatte, besorgten den Unterricht in diesem orientalischen Institute, dessen Leitung dem höchst vielseitig gebildeten Staatsrat von Adelung übertragen wurde. Auch die ausgezeichneten Orientalisten Frähn und Klapproth fanden Aufmunterung und Würdigung.

Nicht bloß auf die intellektuelle Bildung der Russen, auch auf die Veredlung ihres Geschmacks hat der Kaiser Alexander wohltätig eingewirkt.

Mit großer Umsicht gab der durch seine große Vielseitigkeit sich auszeichnende Herrscher jeder Kunst und Wissenschaft, ohne eine einzelne vorzugsweise zu begünstigen, die angemessenste Aufmunterung. Wie die Natur in ihre Erzeugnissen nach Vielseitigkeit strebt, so soll auch ein Volk sich vielseitig ausbilden. Jeder Wissenschaft, jeder Kunst soll ein edler Fürst Aufmunterung gewähren, damit sein Volk in allseitiger Entwickelung aufblühe, gleich groß in den Künsten des Friedens, wie des Krieges! Wie wenig die starre Einseitigkeit in der Volksbildung leistet, hat uns Sparta gelehrt. Wie ruhmlos steht es neben Athen, welches nach vielseitiger Ausbildung rang und Sparta fast in jeder Beziehung verdunkelte! Die edle Kunst des Mahlers wurde von dem kunstliebenden Kaiser auf mannigfache Weise aufgemuntert. Die Malerei ergötzt mit dem Schmelz ihrer Farben den edelsten der menschlichen Sinne, sie verschönert die Wohnung des Privatmannes, sie verherrlicht Paläste und Kirchen, sie erhält das Andenken merkwürdiger Begebenheiten, sie zaubert uns hinüber in das Reich des Idealen und des Schönen! Karl von Kügelgen mahlte für den Kaiser Alexander die berühmte Krimmische Galerie, welche den Beschauer in die romantischen Gegenden Tauriens versetzt, die den schönsten Italiens gleichen an Üppigkeit der Vegetation und Milde des Klima. Dem ausgezeichneten englischen Geschichtsmaler Dowe gab der ruhmwürdige Kaiser eine ruhmvolle Beschäftigung. Der edle Fürst rief durch Dowe eine ausgezeichnete militärische Kunstgalerie ins Dasein, in welcher seine treuen Waffengefährten aus den Jahren der Befreiung ihre Stelle fanden. Der rastlose Dowe vollendete ohne fremde Hilfe diese große Arbeit in dem kurzen Zeitraum von 6 Jahren. Alle russische Generale, welche in den Feldzügen von 1812-1815 mitgefochten, haben in dieser Galerie ihren Platz gefunden. Die hohen Bundesgenossen des Monarchen, König Friedrich Wilhelm und Kaiser Franz, finden sich hier umgeben von ihren russischen Waffengefährten.

Auch durch Aufmunterung der Baukunst förderte der ruhmwürdige Selbstherrscher seinen' Nachruhm und die Ehre seines Volks. Große Nationalbauwerke geben der spätesten Nachwelt Kunde von der Macht, dem Reichtum und Kunstsinne der Fürsten und Völker, geben Tausenden von Menschen nützliche Beschäftigung, gewähren einem edlen Volke ein hohes Selbstgefühl, sie lassen Kunst und Wissenschaft lebendig und sichtbar eintreten in das rege Leben des Volks und gewähren, mit Geschmack und Genialität ausgeführt, dem sinnigen Beschauer einen geisterhebenden Anblick! Kaiser Alexander beschloss im Jahr 1818 den Bau der prachtvollen Isaakskirche, welcher schon 1766 unter der unsterblichen Katharina begonnen hatte, fortzusetzen. Diese Kirche ist ein Prachtgebäude, würdig der russischen Nation, würdig des prachtvollen Petersburg, würdig der Regenten, welche diesen Riesenbau unternahmen! Die Kathedralkirche zur Mutter Gottes von Kasan ist ebenfalls in einem glänzenden Style von Alexander vollendet worden. Sie erhöht den Glanz der Newskyschen Perspektive; ihre himmelanstrebenden korinthischen Säulen werden noch lange den Ruhm ihres Erbauers, seinen religiösen Sinn und die Großartigkeit seiner Unternehmungen verkünden. Woronichin, ein geborener Russe, ist der Baumeister, welcher den Bau dieses Prachtgebäudes leitete. Unermessliche Summen sind von Seiten Alexanders zu den öffentlichen Bauten verwendet worden. Seinen Sinn für nützliche und zugleich großartige Bauten verdanken teils ihre Vollendung, teils ihre Entstehung: Die Einfassung der Moika, das neue Münzgebäude zu Petersburg, die neue Börse und eine Anzahl anderer öffentlicher Gebäude. Zu den Prachtgebäuden, welche Alexanders großartige Regierung aufblühen sah, gehört vorzüglich auch das neue Theater zu Moskau. Der ganze Bau dieses Tempels der Kunst flößt Ehrfurcht ein, indem er Pracht im Großen mit Eleganz in den Einzelheiten verbindet. Die Vorderseite ist in einem großen wahrhaft edlen Style, würdig der Hauptstadt eines unermesslichen Reichs, würdig des Sitzes der alten Zare! Acht joniche Säulen tragen den Fronton, über welchen sich eine Attika erhebt; Apoll, auf einer Quadriga, deutet an, dass man hier einen den Musen geweihten Tempel erblickt. Unstreitig zeigt dieser Prachttempel der Kunst, wie weit die Ausbildung der Künste unter Alexander in Russland vorgeschritten war. Den Hauptplan zu diesem kolossalen Tempel der Kunst entwarf Michailow, Professor an der Akademie der schönen Künste; er wurde eröffnet mit einem lyrischen Prologe von Dmitriew, in Musik gesetzt von russischen Tonkünstlern. Der Fürst Gallitzin, welchem der unsterbliche Kaiser die Wiederherstellung Moskaus auftrug, hat diesem hohen Auftrage mit dem glänzendsten Erfolge entsprochen. Zu neuem Glanze erstand Moskau aus seiner Asche und sein wunderbar schnelles Wiederaufblühen ist der sicherste Beweis von der innern, gediegenen Kraft des russischen Reichs.

Auch die edle Kunst des plastischen Künstlers verdient die Aufmunterung der Fürsten. Die plastische Kunst zeigt dem entzückten Auge die Ideale menschlicher Gestalten, sie erhält das Andenken großer Männer und großer Begebenheiten, sie verherrlicht die öffentlichen Plätze, die Kirchen, die Paläste; sie weckt Vaterlandsliebe, Kunstsinn und edle Nacheiferung! Beim Anblick der Denksäulen ausgezeichneter Männer fühlt der Hochsinn der Würdigsten im Volk:

„Die Unsterblichkeit ist ein großer Gedanke,
Ist des Schweißes der Edlen wert!“

Dem Zar Iwan Wassiliewitsch, welcher die Königreiche Kasan und Astrakan dem russischen Reiche unterwarf, wurde zu Kasan ein Denkmal errichtet. Einen der Plätze des großen Bazar zu Moskau schmückte im Jahr 1816 der edle Kaiser mit einer kolossalen Gruppe von Bronze, die den Kaufmann Minin darstellt, wie er den Fürsten Poscharski auffordert, sich zur Befreiung seines damals von den Pohlen besiegten Vaterlandes zu bewaffnen, indem er seine Reichtümer diesem heldenmütigen vom Sieg gekrönten Unternehmen widmet. Es hätte nicht leicht ein interessanterer Stoff aus der russischen Geschichte gewählt werden können. Die Vaterlandsliebe des Kaufmanns Minin, des Fürsten Poscharski und des Geistlichen Palitsire stellte sich einst an die Spitze des russischen Volks und brachte späterhin das Haus Romanow auf den Thron, welcher durch das Aussterben der frühern Dynastie erledigt war. Um seine Vorliebe für große plastische Darstellungen zu befriedigen, erwarb Alexander die von allen Kennern bewunderte Christusbildsäule von Dannecker, welche er späterhin in einer eigenen Kapelle der Isaakskirche ausstellen lies.

Auch die russische Dichtkunst wurde von Alexander; diesem so vielseitig gebildeten Herrscher, aufgemuntert. Die schöne Literatur Russlands hat während der 24 Jahre seiner Regierung einen bedeutenden Aufschwung genommen. Die Dichtkunst, die geistigste aller Künste, beflügelt den menschlichen Geist; sie erhebt uns in die höchsten Höhen der Geisterwelt, sie begeistert für das Edelste und Höchste, sie entflammt die Liebe für Vaterland und Religion, sie gibt der Sprache einen höhern Schwung und höhere Ausbildung, sie fördert den reinsten, geistigsten Genuss des Lebens! Darum durfte unser Schiller voll edlen Selbstgefühls wohl sagen:

„Es soll der Dichter mit dem Fürsten gehen,
Denn beide wohnen auf der Menschheit Höhen!“

Wie das Zeitalter und die Regierung Ludwigs XIV. verherrlicht wurden durch den Dienst der freundlichen Musen, sollte auch das Zeitalter des russischen Alexander den Glanz nicht entbehren, welchen die heitern Göttinnen der Dichtkunst und Anmut über das Leben verbreiten. Wie unser Kloppstock den Regierungsantritt Alexanders späterhin durch eine Ode an die Humanität feierte, wurde früher schon Alexanders Geburt durch den russischen Dichter Derschawin besungen. Er hat den Ruhm Alexanders, den sein dichterischer Geist prophetisch verkündigt, noch erlebt. Derschawin war ein Meister in der Kunst, die Sittenlehre in dichterische Form zu kleiden, und er gab den russischen Dichtern das Beispiel einer ruhmvollen Eigentümlichkeit in seinen Darstellungen. Bogdanowitsch verherrlichte den russischen Parnass durch seine liebliche Psyche, Oseroff durch mehrere sehr gelungene Trauerspiele, Fürst Chakofssky durch meisterhafte Lustspiele, Jukowski durch seine höchst gediegene Übersetzung der Jungfrau von Orleans, Puschkin durch seine Ludmilla, Krylow durch Fabeln und Schauspiele; Gneditsch durch Idyllen; Fürst Chichmatoff durch wohlgeratene Lustspiele. Ruhmvoll verherrlichten die Dichter Kampnist, Kantenin, Fürst Dolgorucki, Wostokoff und eine Anzahl anderer die Regierungszeit Alexanders.

Hohe Begünstigung gewährte Alexander dem Aufblühen der russischen Schauspielkunst. Nur Beschränktheit des Geistes kann eine Kunst verachten, welche auf die edlere Geistesrichtung ganzer Völker einen wohltätigen Einfluss zu gewinnen vermag, wenn der Staat, wie er es kann, die Aufführung sittenverderbender Schauspiele mit Ernst zu verhindern weiß. Die edlere Schauspielkunst hilft Laster und Torheiten bekämpfen, sie fördert höhere Ausbildung des Geschmacks und der Sprache, sie ruft edle Meisterwerke der Dichtkunst ins Leben, sie führt in die heitern Höhen einer idealen Welt; sie zeigt uns mit Anschaulichkeit das Innere des menschlichen Herzens, Höhe und Größe menschlicher Kraft! Die heitern Spiele dieser Kunst gewähren Erholung dem ermüdeten Geschäftsmann, wecken feurige Liebe zum Vaterlande, wecken das Gefühl schlummernder Kräfte, und ziehen manchen geschäftslosen Reichen ah von dem Genuss grobsinnlicher Zerstreuungen. Unter Alexanders Regierung erhob sich das russische Nationaltheater zu einer bedeutenden Ausbildung, besonders in Petersburg und Moskau, als den beiden Vereinigungspunkten der russischen Bildung. Männer vom höchsten Range hielten es mit Recht nicht unter ihrer Würde, für das Theater zu schreiben.

Unter einer Regierung, welche die schönen Künste begünstigte, konnte auch die Tonkunst nicht vergessen werden. Die Tonkunst erheitert und verschönert das menschliche Leben, erhöht den Glanz der Feste, führt auf ihren Schwingen in das wunderbare Reich der Töne, und gibt unserer Einbildungskraft die Ahnung einer höhern, einer geistigen Welt. Die Kapelle Alexanders gehörte zu den ausgezeichnetsten Kapellen unserer Zeit. Ausgezeichnete Tonkünstler des Auslandes fanden in Petersburg stets eine vorzügliche Aufnahme.

Auch die höhere Gartenkunst war unter Alexanders Szepter in ausgezeichneter Blüte. Der kaiserliche Garten zu Sarskoje-Selò wurde mit Sorgfalt unterhalten. Die Kaiserin Mutter, eine hohe Gönnerin der Künste und Wissenschaften, unterhielt den Riesengarten zu Pawlowsk. Diese erhabene Fürstin, einheimisch im Gebiet der Künste, welche das Leben erheitern und verschönern, fand in dem Botaniker Weinmann einen würdigen Vorsteher dieses mit höchst bedeutenden Kosten unterhaltenen Gartens. Ein edler Wetteifer ergriff die russischen Großen, die höhere Gartenkunst auf ihren Besitzungen zu fördern. Ich erinnere hier nur an die höchst ausgezeichneten Gartenanlagen des Grafen Scheremeteff zu Kuskowo, an den vortrefflichen botanischen Garten des Grafen Rasumowski zu Gorenki unweit Moskau, mit welchem eine phytographische Gesellschaft in Verbindung steht, und an die höchst ausgezeichneten Gartenanlagen zu Sophiowka, welche der kunstliebenden Familie Potocki gehören,. Es wurden zehn Jahre angewendet, die Anlagen zu Sophiowka zu vollenden, und sie sollen mit Inbegriff der Gebäude 4 Millionen Silberrubel gekostet haben. Die höhere Gartenkunst verdient die Aufmunterung der Großen, denn sie zaubert uns Nordländer hinüber in die Milde des Südens, sie umgibt uns mit Blüten und Früchten eines freundlichem Himmels und macht uns einheimischer im Gebiete der wunderbaren Pflanzenwelt.

Die literarischen und Kunstschätze des russischen Staats waren schon vor Alexanders Regierung von höchst ausgezeichneter Bedeutung, aber sein liberaler, für alles Große und Gemeinnützige so empfänglicher Sinn hat sie dennoch in hohem Grade zu vermehren gewusst. Die literarischen Sammlungen, die Kunstschätze, die Bibliotheken der Fürsten, sind schätzenswerte Hilfsmittel für die Gelehrten und Künstler, indem sie ihre höhere Ausbildung oft ungemein erleichtern. Diese Sammlungen sind ein Luxus der edelsten, der gemeinnützigsten Art, denn sie erhöhen den Glanz der Fürstensitze, sie vermehren den Ruhm des Volks, in dessen Mitte sie aufgehäuft sind! Alexander erwarb als Eigentum des russischen Staats die großen anatomischen Sammlungen Loders, das reiche naturhistorische Kabinett des Ritters Pallas, die mineralogischen Schätze Forsters, das Kabinett der Fürstin Jablonowska, die Dutrowskischen Handschriften und eine Anzahl ähnlicher Gegenstände von hohem Werte. Die prachtvolle Galerie der Eremitage wurde mit einer großen Anzahl von Gemälden bereichert, denn mehrere von den vorzüglichsten Gemälden der Giustinianischen Galerie und eine Anzahl der besten Gemälde des Fürsten, Trubetzkoi gingen in dieselbe über. Im Jahr 1814 wurde zu Amsterdam die Hape'sche Sammlung spanischer Gemälde und 1815 die Gemäldesammlung zu Malmaison gekauft. In der letztern befand sich Potters berühmte Kuh, und dies Gemälde soll mit 200.000 Rubel bezahlt sein. Der durch vielseitige Kunstbildung ausgezeichnete Graf Stroganoff und sein Nachfolger, der Präsident und Staatssekretär Olenin wurden von Alexander bei den meisten Ankäufen als treffliche Sachkenner zu Rate gezogen. Die Zahl der aufgestellten Gemälde betrug 1825 in der Eremitage und den Schlössern 4424. So möchte Petersburg wohl keinem Fürstensitze in Beziehung auf literarische und Kunstschätze nachstehen, wenn man weiß, was seit Peter dem Großen in dieser Hinsicht geschehen ist.

Für die Ausstellung der großen Zaluskischen Bibliothek wies er ein angemessenes Gebäude an, indem dieser Bücherschatz sich lange unaufgestellt in Petersburg befand.

Doch nicht bloß auf die geistige und Geschmacksbildung seines Volks suchte Alexander Wohltätig einzuwirken, sein umfassender Blick erkannte auch die hohe Wichtigkeit der religiösen und sittlichen Bildung. Der religiöse Sinn der Kaiserin Maria Feodorowna war ganz auf ihn übergegangen; in seinem öffentlichen, wie in seinem Privatleben war er vorherrschend und gab seinen Ansichten den Charakter der Erhabenheit. Alexander fühlte die Wichtigkeit der Religion nicht bloß als Staatsmann, sie war ihm Angelegenheit des Herzens, tiefempfundenes Bedürfnis des Gemüts geworden. Nur ein in die gemeinste Flachheit versunkener Weltmensch kann die hohe Wichtigkeit der Religion verkennen. Die Religion, wenn, sie auf richtigen Grundsätzen beruht, ist für jeden Staat von der höchsten Wichtigkeit. Sie weiset die Unterordnung des bürgerlichen Gesetzes unter das göttliche nach, befördert Sittlichkeit, Tätigkeit und Vaterlandsliebe der Staatsbürger; tröstet die Unglücklichen, straft die Bösen, befördert den Gehorsam gegen die Gesetze des Staats und veredelt den inneren Menschen auf die umfassendste Weise. Wahrend das bürgerliche Gesetz nur die Zwangspflichten gebietet, fordert das höhere Gesetz einer aufgeklärten Religion die Erhebung auf einen höhern Standpunkt der Sittlichkeit, entwickelt sie in dem Menschen die höhere, die übersinnliche Natur. Als ein vorzügliches Mittel, die wahren Grundsätze des Christentums unter den verschiedenartigsten Völkern des russischen Reichs zu verbreiten, betrachtete Alexander mit Recht die Verbreitung der heiligen Urkunde des Christentums. In dem Jahre 1815 besorgte die russische Bibelgesellschaft zu Petersburg 105.000 Abdrücke der Bibel in den verschiedenartigsten Sprachen des russischen Reichs. Die Kalmücken, die mongolischen Lamadiener am Baikalsee, die Tartaren und andere Bewohner des unermesslichen Reiches erhielten Bibeln in ihren Nationalsprachen. Wie viel religiöse Ideen mögen sich durch die Verbreitung der Bibel hier entwickelt haben! Ihr Einfluss auf die höhere Bildung und Zivilisation dieser zum Teil halb wilden Völkerschaften fängt schon jetzt an sich zu zeigen. Auch hier bestätigt es sich: Die Bibel ist das Buch der Bücher; sie verbreitet, wohlverstanden und wohlbenutzt, die gediegenste Religionskenntnis und gibt der sittlichen Bildung der christlichen Völker eine Grundlage, welche zur sittlichen Geisteshoheit, zur edelsten Sittenreinheit zu erheben vermag. Viel ist während Alexanders Regierung geschehen, die nichtchristlichen Völker des russischen Reichs zum Christentum zu bekehren, nie aber ist Zwang angewendet, vielmehr ist der Grundsatz der Glaubensfreiheit von ihm stets festgehalten worden. Stets befahl Alexander seinen Statthaltern milde Grundsätze gegen die Sekten der griechisch-russischen Kirche, welche von dem Lehrbegriffe der herrschenden Kirche abweichen. Richtig erkannte er, dass die religiöse Meinung zwar dem Staatszwecke keinesweges gleichgültig ist, doch aber an sich betrachtet außerhalb des Gebietes der Staatsgewalt liegt; richtig erkannte er die Glaubens- und Denkfreiheit als notwendig in einem wohleingerichteten Staate.

Bedeutend hat sich während der Regierung Alexanders die Zahl der Pressen in Russland vermehrt und er selbst hat für Rechnung des Staats und für die Zwecke desselben mehrere neue Druckereien anlegen lassen. Wäre der Mensch nicht so geneigt, auch das Edelste zu missbrauchen, so würde Alexander die Zensur der Schriften nicht haben wieder einführen müssen, da wirklich eine Zeitlang völlige Zensurfreiheit von ihm anerkannt war. Im Jahr 1824 zählte Petersburg 26 Druckereien, von welchen 17 der Regierung gehörten. Aus diesem Verhältnis schon sieht man, welchen Wert man von Seiten des Staats auf die Presse legte. Die Presse ist für unsere Zeit das vorzüglichste Verbreitungsmittel der Bildung geworden; sie belehrt, sie tröstet, sie ermuntert und verbreitet mit reißender Schnelligkeit die Erzeugnisse des menschlichen Geistes; sie ist die beste Zuchtrute für die, welche ihre Pflicht vernachlässigen; sie begeistert für Vaterland, Religion und jede höhere Angelegenheit des menschlichen Geistes und Herzens, sie macht zum Gemeingut die Forschungen aller Zeiten und Länder, und ist überhaupt eine der wohltätigsten Erfindungen des menschlichen Geistes.