Waldszene. Johann Gabriel Seidl

Am grünen Wald ist große Ruh,
Ist unsichtbares Leben.
Ein leichtes Lüftchen haucht dazu,
Die jungen Blätter beben.

Wohl nur das allerfeinste Ohr,
Wohl nur der Augen bestes,
Vernimmt den stillen Frühlingschor,
Errät den Glanz des Festes.


Und Orgelklang, man weiß nicht, wo?
Quillt feierlich entgegen,
Als ob die Sonnenstrahlen so
Durch’s Laub hin klingend zögen.

Und eines fernen Glöckleins Schall
Tönt durch die kühlen Gänge.
Als ob des Maitau’s Tropfenfall
Im Kelch’ des Walds erklänge.

Und Äxteschall hallt niederwärts
Bald rasch, bald unterbrochen,
Als hörte man des Berges Herz
In Frühlingswallung pochen.

Johann Gabriel Seidl (1804-1875) österreichischer, Dichter, Übersetzer, Schriftsteller und Lehrer
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Album deutscher Dichter