PETER PAUL RUBENS, Der Orientale

PETER PAUL RUBENS
(1577 — 1640)
Der Orientale
Leinwand: h. 2,05, br. 1,18 m

Rubens hatte kein sonderliches Interesse daran, sich in das Wesen einzelner Menschen zu vertiefen, ihr Inneres psychologisch ans Licht zu bringen, wie sein empfindsamer Freund van Dyck, den das Persönliche seiner Modelle viel näher berührte. Bei seiner Richtung auf das Große und Heroische musste wohl der Körper als Träger des Ausdrucks dem Gesichte vorangehen, wie einst bei Michelangelo, und darum sagen uns auch in seinen meisten bewegten Kompositionen die Gestalten schon soviel, dass auf den Gesichtern nicht mehr viel nachzuholen ist, und dass nur selten noch aus einer Menge heraus ein einzelner stillredender oder an sich etwas bedeutender Kopf uns anziehen wird. Gruppenbildnisse, worin van Dycks ganze Stärke lag, hat auch Rubens hin und wieder gemalt. Aber dann ist alles zur Ausstattung gehörende echt und vom höchsten Werte, das Menschliche dagegen ganz uninteressant. Selten gewinnt uns auch eine der im Einzelporträt dargestellten Persönlichkeiten. Nur unter den weiblichen finden sich einige von großem Liebreiz. Aber das Wichtigste bleibt hier doch immer, wie seine zweite Gattin Helene Fourment das Ein und Alles seiner letzten zehn Jahre wird, wie diese ganze Bildniskunst allmählich die Gesichtszüge der Familie Rubens angenommen hat. — Unser breit und protzig hingestellter, wohlbeleibter Handelsherr in levantinischer Tracht, wahrscheinlich ein Italiener, ist ein prächtiges Stück Stoffmalerei, von einer bei Rubens nicht allzu häufigen Sorgfalt der Ausführung. Es sollte hier alles zum Ausdruck kommen, worauf der Besitzer Wert legte: der Fez mit dem turbanartig umschlungenen Tuch, der gemusterte hellviolette Rock von schwerer Seide, der pelzgefütterte, schwarzseidene Mantel, ein kostbarer Spazierstock und ein Palmwedel mit Handgriff, endlich der Smyrnateppich, und jedem Einzelnen hat der Maler dieselbe Teilnahme zugewandt. Die ganze Erscheinung dieses Levantiners hatte für ihn noch ein weiteres künstlerisches Interesse. Auf seiner „Anbetung der Könige“ in Antwerpen, von 1627, hat er ihn als Negerkönig, in derselben Haltung, dominierend in die Mitte einer höchst lebendigen Komposition gestellt. A. P.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Album der Kasseler Galerie