JOHANN ROTTENHAMMER, Heilige Familie

JOHANN ROTTENHAMMER
(1564 — 1623)
Heilige Familie
Kupfer: h. 0,27, br. 0,23 m

Ein süddeutscher Maler, der vor dem Ausbruch des großen Krieges in italienischer Weise hübsche kleine religiöse Genrebilder gemalt hat, zwar lange nicht so graziös wie einige Jahrzehnte nach ihm der Niederländer van Dyck, aber doch nicht ohne Geschick und manchmal mit einem Hauch von deutscher Innigkeit, verdient schon als Seltenheit unsere Beachtung. Johann Rottenhammer war in München geboren und lebte später in Augsburg, er hatte aber lange in Venedig studiert und dort von den großen Meistern der Vergangenheit noch den hochbetagten Tintoretto († 1594) persönlich angetroffen. Unser Bild ist sogar noch in Venedig, wie die Inschrift bezeugt, 1605 gemalt. Es stellt die Heilige Familie, worauf das am Boden liegende Reisegerät Josephs hindeutet, während der „Ruhe auf der Flucht“ und ganz in der genrehaft spielenden Weise dar, zu der gerade dieser Moment die Künstler von jeher gereizt hat. Zu den Engeln, die das Christkind unterhalten, ist noch der kleine Johannes als Spielkamerad gekommen, sogar mit dem Lamm und dem von einem Schriftband umwundenen Rohrkreuz, weil ihn das Fell allein noch nicht hinreichend kenntlich gemacht hätte. Durchaus italienisch im Ausdruck ist der Joseph, sodann die Neigung der Madonna und ihr Kopf und demnächst sind es noch die Wolkenengel. Aber die zwei blumenbrechenden Flügelputten, so reizend sie sind, sehr viel natürlicher sogar als jene, haben nordisches Blut in sich, und die zwei heiligen Kinder verraten uns in ihrer Zeichnung und dem eckigen Ungeschick ihrer Haltung deutlich den Nachahmer einer eingelernten Formensprache. Wir erinnerten an van Dyck. Rottenhammer ist älter, er gehört nach dem Reifegrad seines Stils etwa mit dem beinahe gleichaltrigen Sammetbrueghel zusammen; aber dieser bedeutet als Künstler mehr mit seiner besseren Zeichnung und seiner scharfen, vlämischen Charakteristik, die er sich durch seinen Aufenthalt in Italien nicht hat verwischen lassen; eine Figur, wie diesen Joseph Rottenhammers, der schon eine schwache Vorahnung von van Dyck gibt, wird man bei ihm vergebens suchen. Er ist außerdem vielseitiger in den Gegenständen. Man wird trotzdem sagen müssen, dass bei Rottenhammer als Ganzes nicht bloß ein freundlicher Eindruck, sondern auch eine gewisse Auffassung erreicht ist, die sich in dem anspruchslosen kleinen Format (27 zu 23 Zentimetern) wohl behaupten kann. Die angenehme warme, etwas bunte Färbung und die sorgfältige Zeichnung machten Rottenhammers Bilder bei den holländischen Kennern beliebt — das hier wiedergegebene ist mit dem Kabinett der Frau van Reuver in die Kasseler Galerie gekommen — und wir wissen sogar, dass ein so feiner Künstler wie Adam Elsheimer sich durch sie mit hat anregen lassen. A. P.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Album der Kasseler Galerie