JACOB ISAAKSZOON VAN RUISDAEL, Der Wasserfall
JACOB IZAAKSZOON VAN RUISDAEL
(1628(29— 1682)
Der Wasserfall
Leinwand: h. 0,99, br. 0,86 m
Auch in der bildenden Kunst, wie in jeder anderen, muss eine Dosis Poesie stecken, wenn sie wahre Kunst sein soll. Denn die Poesie ist das inkommensurable geistige Ingredienz aller Künste, das sie erst zu solchen macht. Jacob Ruisdael, der große Landschaftspoet der Niederländer, hat eine starke Dosis davon in allen seinen Werken. Sie sind Umdichtungen der Wirklichkeit. Ihr Grundton in Farbe und geistigem Gehalt ist ein elegischer, fast schwermütiger. Ruisdael mag von melancholischem Temperament gewesen sein, und die Erfahrungen seines Lebens haben dieser Stimmung seines Inneren Recht gegeben, denn trotz seiner reichlichen, schönen Arbeit war er nicht mit Glücksgütern gesegnet. Er hat eine große Zahl von Wasserfällen geschaffen und wird nicht müde, dies interessante Thema zu variieren. Eines der schönsten Exemplare darunter ist das hiesige. Das dem Erdinneren entquellende, unfassbare Element, das Wasser, wenn es zwischen Felsen herabstürzend in Millionen von perlenden Tropfen und leuchtenden Schaumbläschen sich auflöst und doch zum staunenerregenden Wasserfall sich zusammenschließt, hat kein Maler in dieser Form schöner dargestellt als Ruisdael. Wir glauben die Wasser rauschen zu hören, verfolgen mit dem Blicke ihren Sturz und sehen sie doch mit Befriedigung in dem ruhenden Bilde gebunden. In wohltuendem Gegensatz zu dem nimmer ruhenden Element stehen darüber die ernsten, wie für die Ewigkeit gegründeten Berge, die stillen Wälder. Es wird behauptet, Ruisdael sei nie weiter als bis nach Bentheim über die Grenzen seiner engeren Heimat hinausgekommen, habe also nie einen Wasserfall mit dem äußeren Auge gesehen, sondern die Brechung und den Sturz des Wassers nur an der Brandung des Meeres beobachtet. Seinen Darstellungen dieser Art sollen Handzeichnungen seines in Norwegen heimischen Freundes A. van Everdingen zugrunde gelegen haben, wobei er sich auch dessen Gebirgsstudien zunutze gemacht hätte, da er nie in einem eigentlichen Bergland gewesen sei. Doch weder das eine noch das andere ist nachgewiesen. Wenigstens steht nach Aussage von Norwegern für das Kasseler Gemälde fest, dass es keine skandinavische Landschaft wiedergibt. O. E.
(1628(29— 1682)
Der Wasserfall
Leinwand: h. 0,99, br. 0,86 m
Auch in der bildenden Kunst, wie in jeder anderen, muss eine Dosis Poesie stecken, wenn sie wahre Kunst sein soll. Denn die Poesie ist das inkommensurable geistige Ingredienz aller Künste, das sie erst zu solchen macht. Jacob Ruisdael, der große Landschaftspoet der Niederländer, hat eine starke Dosis davon in allen seinen Werken. Sie sind Umdichtungen der Wirklichkeit. Ihr Grundton in Farbe und geistigem Gehalt ist ein elegischer, fast schwermütiger. Ruisdael mag von melancholischem Temperament gewesen sein, und die Erfahrungen seines Lebens haben dieser Stimmung seines Inneren Recht gegeben, denn trotz seiner reichlichen, schönen Arbeit war er nicht mit Glücksgütern gesegnet. Er hat eine große Zahl von Wasserfällen geschaffen und wird nicht müde, dies interessante Thema zu variieren. Eines der schönsten Exemplare darunter ist das hiesige. Das dem Erdinneren entquellende, unfassbare Element, das Wasser, wenn es zwischen Felsen herabstürzend in Millionen von perlenden Tropfen und leuchtenden Schaumbläschen sich auflöst und doch zum staunenerregenden Wasserfall sich zusammenschließt, hat kein Maler in dieser Form schöner dargestellt als Ruisdael. Wir glauben die Wasser rauschen zu hören, verfolgen mit dem Blicke ihren Sturz und sehen sie doch mit Befriedigung in dem ruhenden Bilde gebunden. In wohltuendem Gegensatz zu dem nimmer ruhenden Element stehen darüber die ernsten, wie für die Ewigkeit gegründeten Berge, die stillen Wälder. Es wird behauptet, Ruisdael sei nie weiter als bis nach Bentheim über die Grenzen seiner engeren Heimat hinausgekommen, habe also nie einen Wasserfall mit dem äußeren Auge gesehen, sondern die Brechung und den Sturz des Wassers nur an der Brandung des Meeres beobachtet. Seinen Darstellungen dieser Art sollen Handzeichnungen seines in Norwegen heimischen Freundes A. van Everdingen zugrunde gelegen haben, wobei er sich auch dessen Gebirgsstudien zunutze gemacht hätte, da er nie in einem eigentlichen Bergland gewesen sei. Doch weder das eine noch das andere ist nachgewiesen. Wenigstens steht nach Aussage von Norwegern für das Kasseler Gemälde fest, dass es keine skandinavische Landschaft wiedergibt. O. E.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Album der Kasseler Galerie