FRANS HALS, Die singenden Knaben

FRANS HALS (1580 oder 81 bis 1666)
Die singenden Knaben
Leinwand: h. 0,66, br. 0,52 m



Frans Hals hat sein ungebunden heiteres Temperament schon als Porträtmaler in manchen Fällen nicht verheimlicht, um wie viel weniger in seinen sittenbildlich gefassten Einzelfiguren von Volkstypen oder Gruppenbildern von Kindern. Das kam ihnen aber sehr zu statten. Denn wenn neben wenigen anderen nur er es wagen konnte, seine Bildnisse lachen zu lassen, ohne grimassierend zu wirken, so konnte er sich ungeniert seiner Laune im Genrebild hingeben, wo der vorübergehende Ausdruck augenblicklicher innerer Angeregtheit nicht nur erlaubt, sondern eigentlich gefordert ist. Bedauerlicherweise hat er Werke dieser Art nicht so viele geschaffen, als es seinem ausgesprochen dafür veranlagten Talent entsprochen hätte. An Bildnissen mit ans Genrehafte streifender Auffassung besitzt die Kasseler Galerie den bekannten, vielfach reproduzierten jungen Mann mit dem Schlapphut, eine köstlich lebenslustige, zum Mitlachen zwingende Erscheinung. An eigentlichen Sittenbildern sind zwei vorhanden, der lustige Zecher, der seinen leergetrunkenen Krug zeigt, und die hier wiedergegebenen singenden Knaben. Sie, die ausgesprochenen Lieblinge der zahlreichen Besucher der Galerie, sind in aller Mund und Gedächtnis und ununterbrochen drängt sich vor ihrem Platze die Reihe der Maler, die der Nachfrage des Publikums nach Kopien zu genügen suchen. Und mit Recht. Entspricht doch dieses lebensvolle, von jugendlicher Frische erfüllte Werk in gleich hohem Maße dem nach einem lustigen Thema verlangenden Geschmack des Durchschnittsbeobachters, wie dem verwöhnten Auge des Kenners und Kunstfreundes, der das Hauptgewicht bei seiner Beurteilung auf geniale künstlerische Konzeption, auf pikante Technik legt. In solchen Darstellungen versteht es Frans Hals — und das ist ein seltener Fall und ein hohes Lob in der Kunst — im höchsten Sinne populär zu sein, ohne ins Triviale zu verfallen. Ob er das gesucht und mit Bewusstsein getan hat? Ich glaube nicht. Das Unbefangene, Ungesuchte einer hinreißenden, ich möchte sagen, ansteckenden Lustigkeit lag in seiner Natur. Weit mehr als in der Rembrandts. Dieser versuchte es wohl auch einmal, in einer solchen Laune sich zu zeigen. Jedermann kennt sein Selbstbildnis mit Saskia auf den Knien in Dresden, voll Ausgelassenheit wenigstens in seinen Zügen. Und auch dieses genrehafte Werk erfreut sich ausgedehntester Popularität. Aber diese Art von Übermut steht trotzdem Rembrandt nicht gut zu Gesicht. Das Forcierte in dem Bilde ist ein ihm sonst fremder Zug, der unmöglich einem ernsten Verehrer Rembrandts gefallen kann. Um wie viel naiver lachen die Menschen in der Welt des Frans Hals. So auch unsere musizierenden Knaben. Sie sind ganz in ihr heiteres, harmloses Singen vertieft, trachten nicht nach der Teilnahme des Beschauers und haben sie unwillkürlich doch. Denn jedermann freut sich ihrer kerngesunden Erscheinung, ihrer eifrigen Vertiefung in die Noten die sie offenen Mundes, mitten im Singen begriffen, voll Lebendigkeit verfolgen. Die Entstehungszeit des Bildes liegt ziemlich frühe, etwa um 1630 — 35. Doch schon breit und kühn ist der Vortrag in den bekannten, ihrer Wirkung sicheren Strichen, die, unvertrieben nebeneinander gesetzt, in der Nähe gesehen verwirrend und unfertig wirken, wenigstens in den Augen der Laien, bei richtigem Abstand aber ein in Zeichnung und Ton vollendetes Meisterwerk bieten. O. E.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Album der Kasseler Galerie