FRANS HALS, Der Junge Mann mit dem Schlapphut

FRANS HALS
(1580 oder 81 bis 1666)
Der junge Mann mit dem Schlapphut
Leinwand: h. 0,79. br. 0,65 m

Neben Velazquez ist es hauptsächlich Frans Hals, der den ausgesprochen modernen Malern als Leitstern und höchstes Vorbild in Hinsicht auf die Technik ihrer Kunst dient. Sie suchen seinem breiten unvertriebenen Pinselstrich nachzueifern, indem sie diesen als das geeignetste Ausdrucksmittel des Impressionismus betrachten. Dabei vergessen sie aber zum Teil, dass diese, Handschrift des Frans Hals nicht eine Handfertigkeit ist, die man aus den Bildern des großen Harlemer Meisters so ohne weiteres extrahieren und lernen kann, sondern dass seine Technik eine ganz individuelle, rein subjektive, speziell aus seiner Anlage, seinem Naturell heraus geborene Ausdrucksweise ist, die mit seinem innersten Wesen so völlig verwachsen erscheint, dass man sie nicht nachahmen kann. Am gefährlichsten ist dieser Irrtum für die jüngere Künstlergeneration, für die heranwachsende Jugend unserer Malerzunft, die sich oft allzufrüh selbständig, reif und fertig dünkt. Sie pinselt mit dem vermeintlichen Rezept des Frans Hals in wirren, wüsten Strichen lustig darauf los und vermeint in ihren altklugen Bildern vorweg nehmen zu dürfen, was jener erst in langer organischer Entfaltung und Entwickelung seines Talentes als reifer Meister erreicht hat. Daher der berechtigte Widerwille des Publikums gegenüber den unreifen Pinselstrichen unserer jungen Herren. — Die Erstlingswerke des Frans Hals kennen wir leider nicht. Doch unter seinen bekannten und sicheren Gemälden sind die frühen, zum Teil datierten, lange nicht so breit und kühn gemalt, wie seine späteren und spätesten, obgleich auch in jenen die Halsische Eigenart, die einzelnen Pinselstriche unverschmolzen nebeneinander zu setzen, schon bald sich regt. Man kann dies am besten in der einzig gearteten Sammlung Halsischer Meisterwerke im Rathaus zu Harlem verfolgen. Doch auch in Kassel ist Hals mit charakteristischen Werken vertreten, die seinen Entwicklungsgang, wenn auch nicht von Anfang bis zu Ende wie dort, so doch etwa von 1625 bis um 1660 erkennen lassen. Sein spätestes Werk in Kassel ist das hier wiedergegebene, der junge Mann mit dem Schlapphut. Hier hat er schon fast den Gipfel in denkbarst verwegener Breite des malerischen Vortrags erreicht. Das Bildnis dieses lebenslustigen Junkers ist, man kann kaum mehr sagen, gemalt, sondern förmlich hingehauen. Fasst man z. B. seine herabhängende rechte Hand ins Auge, so sieht man bei näherer Betrachtung nur einzelne hingefetzte Striche. Alle Zeichnung ist aufgelöst und erst bei weiterem Abstand sehen wir die uns geläufige Form einer menschlichen Hand sich runden. Und mehr oder weniger ist das ganze Bild so behandelt. Eine solche Art zu malen darf aber nur ein ganz fertiger großer Meister wagen, der seiner Ausdrucksweise völlig sicher ist und weiß, was er den Mitteln seiner Kunst und der Perzeptionsfähigkeit des Beschauers zumuten darf. Zuerst wird ja jeder Laie, der nicht gewöhnt ist, in die Werkstatt des Genies zu blicken, vor der Rücksichtslosigkeit des Halsischen Pinsels erschrecken, er wird nicht ein Bild des Lebens, ein menschliches Porträt, sondern nur unverständlich krause, unerhört keck hingeschleuderte Farbenflecke erblicken. Aber sobald er mit der nötigen Bescheidenheit sich sagt, dass er es mit dem unanfechtbaren Meisterwerke eines der Geschichte angehörigen weltberühmten Meisters zu tun habe und dass es nur an seinem ungeschulten Auge und Geschmack liegen könne, wenn er es nicht verstehe, dann wird er allmählich zu sehen lernen, wird sich mit der Individualität des liebenswürdigen, lustigen Frans Hals vertraut machen und bei einiger Ausdauer und Liebe zur Kunst zu der Erkenntnis kommen, dass er es hier mit einer der bewunderungswürdigsten Umschöpfungen der Natur — denn nichts anderes ist das Werk des Genies — zu tun habe, wie sie nur in der Seele eines großen Künstlers vor sich gehen und mit den Zügen einer Hand ausgeführt werden kann, deren geniale Striche allein imstande sind, den Gebilden eines intuitiven Innern Ausdruck zu verleihen. O. E.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Album der Kasseler Galerie