ADRIAEN VAN DER WERFE, Der verliebte Schäfer

ADRIAEN VAN DER WERFE
(1659 — 722)
Der verliebte Schäfer
Leinwand: h. 2,92, br. 1.54 m

Den Ritter Adriaen van der Werff kann man den letzten Maler des alten Hollands — nennen. Holländisch ist allerdings an ihm so gut wie nichts mehr, und seine Bilder könnten auch überall sonst gemalt sein, denn er folgt ganz dem französischen Geschmack, der nun auch in Holland galt. Das heimatliche Sittenbild und die ungeschminkte Naturansicht erschienen der feiner gewordenen Gesellschaft als etwas Niedriges: wozu das noch malen, was man täglich um sich hatte, was mit seinen Unvollkommenheiten mehr Verdruss erregte als Gefallen! Das klassische Altertum hatte ja längst eine Schönheit gefunden, erfreulich und erhebend, außerdem noch interessant, denn was lies sich alles lernen aus einer mythologischen Szene oder einer antiken Historie, und was dagegen aus Bauernbildern und Viehweiden? Jetzt konnte man diese klassische Kunst einfach aus Frankreich beziehen, und es empfahl sie, dass sie einen deutlichen Strich zwischen Hoch und Niedrig machte, dass sie nur für die Vornehmen war, während von der nationalen holländischen Malerei alle etwas gehabt hatten. Mit den Gegenständen ändert sich auch der Ausdruck. Das Charakteristische ist nicht mehr erwünscht, alles soll einen großen Zug haben und ins Allgemeine gehen. Das fordert dann auch größere Flächen. Das Kabinettbild, das Schlussergebnis der holländischen Malerei, das die Leidener Feinmaler noch in das Extrem übertrieben hatten, genügte nicht mehr. Die neue mythologisch -historische Malerei greift auf Decken und Wände über und wird dekorativ. Van der Werff verstand sich auf beide Maßstäbe. Als Schüler des Eglon van der Neer war er von Haus aus Feinmaler. Angeregt durch die Italiener und den Lütticher Gerard Lairesse, warf er sich aber auch auf die Plafondmalerei, und diese Schulung merkt man seinen höchst flüssig komponierten Staffeleibildern an. Sie sind eine Art Dekorationsmalerei in Kabinettformat. Inhaltlich oder gar geistig sagen sie nicht viel. Die Gegenstände, meist aus der Mythologie oder der biblischen Geschichte genommen, kehren öfter wieder. Alle Charakteristik hat sich in eine allgemeine Eleganz verflüchtigt, unterscheidende Stoffbezeichnung findet sich höchstens in den seidenen Gewändern. Der Farbenauftrag ist wie auf Porzellan emailartig verschmolzen, das Fleisch wie Elfenbein, die Färbung ohne Naturwahrheit. Mit dieser weitbegehrten Kunst wurde er ein reicher Mann, keinem holländischen Maler ist das Leben so leicht geworden. — Unser oben rundes Bild mit beinahe lebensgroßen Figuren ist eine flotte Dekoration, die wohl bestimmt war, in eine Wand eingelassen zu werden. Trotz der süßlichen Figuren macht das Ganze mit seinem warmen Kolorit und einer gewissen Landschaftsstimmung einen gefälligen Eindruck. Die Eiche über der Rokokourne und der Schneeballbusch haben sogar noch einen Rest von Natur Wahrheit. Jedenfalls beweist das Bild, dass, der es malte, sehr viel gekonnt hat. Es ist auch besser als ein kleines Kabinettbild desselben Gegenstandes in der Dresdner Galerie (von 1689). A. P.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Album der Kasseler Galerie