Abschnitt 1

Cramonshagen

(Lehngut im ritterschaftlichen Amt Schwerin.)



Die Stepenitz, in einer Wiesenniederung unweit des Eulenkruges entspringend, erweitert sich in ihrem nordwärts gerichteten Laufe bald zu kleinen Seen, deren Uferpartieen zu den schönsten Gegenden des westlichen Mecklenburgs gehören. Unter den Seen, welche sie bildet, ist der erste grössere der Cramoner See. An der nach Westen umgebogenen Südspitze desselben liegt das Dorf Drieberg, diesem gegenüber auf der Ostseite Cramonshagen und weiter nördlich auf derselben Seite das Dorf Cramon.

Cramonshagen lag noch in der Grafschaft Schwerin. Es liegt nahe zu vermuthen, dass in alter Zeit Cramon das Hauptgut war, und dass auf dessen Gebiete Cramonshagen als eine dem Walde (Hagen) durch Cultur abgewonnene neue Ortschaft gegründet worden. Noch im sechzehnten Jahrhundert wird es gewöhnlich der Cremonsche Hagen und öfter nur der Hagen genannt. Cramon (Cremon, Cremoon), wo das Bisthum Schwerin schon früh viele Besitzungen hatte, grenzte an die Besitzungen der Johanniter-Priorei Eixen. Dem Prior stand auch das Kirchlehn über Cramon zu, bis dieses Patronat, wahrscheinhch schon im fünfzehnten Jahrhundert, auf die Herzoge von Mecklenburg überging.

Bei dem Mangel urkundlicher Nachweise lässt sich ebenfalls nur vermuthen, dass Cramon und Cramonshagen zu den Zeiten der Grafschaft Schwerin ein Lehen der adeligen Familie von Knoop (Knop) gewesen sei, welche aus Holstein stammte und unter den Grafen von Schwerin in und bei Schwerin, z. B. auf Stück, Eixen, Brüsewitz, ansässig wurde.

Im Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts starben die Knoop aus. Schon im Jahre 1422 erscheint das Gut Cramonshagen im Besitze der von Oertzen aus dem Hause Gammelin. Es ist also mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass es beim Abgange jener Familie ein Oertzen-Lehn geworden sei, um so mehr als Nikolaus I. von Oertzen auf Gammelin und Cramonshagen (1407—1438, gestorben vor 1442) in erster Ehe mit Margarethe von Knoop vermählt und mit ihr eine Zeit lang auch im Besitze des von Knoop'schen Gutes Stück war. (Vergl. Lisch, urkundliche Geschichte des Geschlechts von Oertzen. Zweiter Theil. S. 173.) Nikolaus von Oertzen wird in Urkunden von 1422 und 1423 „wônaftich to deme Cremmonschenhaghene" genannt. Auch heisst das Gut (1442) der grosse Hof zum Gremonschenhagen. Die Nachkommenschaft dieses Nikolaus von Oertzen kam mit seinen Kindern in Abgang, und mit dem Stammgute Gammelin fiel auch Cramonshagen an die Wustrower Linie des Gammelinschen Hauses. Dies geschah in den sechziger oder siebenziger Jahren des fünfzehnten Jahrhunderts. Der letzte Kitter dieser Linie, Landrath Matthias von Oertzen auf Wustrow, Gammelin, Cramonshagen etc., versicherte seiner Gattin, Ursula von Bülow, Cramonshagen als Leibgedinge für ihre Lebenszeit. Aber noch vor oder kurz nach seinem Tode (1549 oder 1550) musste dieses Gut wie andere Güter verpfändet werden, um die Summe von 2170 Mark aufzubringen, welche Matthias aus Bürgschaft für den Herzog Albrecht von Mecklenburg dem Reimar von Penz auf Redefin (welcher wiederum dem Heinrich von Rantzau auf Neuhaus in Holstein für den Herzog Bürge geworden war) und sonst noch nach Holstein zahlen musste. Matthias von Oertzen war noch mit manchen anderen Bürgschaften für den Herzog, namentlich auch dem Herzog Heinrich gegenüber, belastet gewesen. Durch jene Verpfändung kam Cramonshagen an den Joachim von Halberstadt auf Brütz, der sich noch 1571, also über zwanzig Jahre, im Besitze befand, da alle Bemühungen der genannten Wittwe und der Kinder des Matthias von Oertzen, vom Herzoge Johann Albrecht die zur Regulirung erforderliche Geldsumme wiederzuerlangen, vergeblich waren.

Das Anrecht an Cramonshagen fiel in einem Theilungsvertrage unter den vier Söhnen des Matthias von Oertzen dem zweiten, Joachim auf Wustrow, zu, welcher es zwar wiederum seiner Frau, Anna von Lützow, zum Wittwensitze verschrieb, sich aber ebenfalls Schulden halber in die Nothwendigkeit versetzt sah, das Gut „Crammonischhagen" (1591 zuerst Grammenshagen genannt) 1573 auf zehn Jahre für 4000 Gulden an Adam Penz, und wiederum 1586 auf fünf Jahre für 6000 Mark Lübisch an Joachim Fineke auf Karow, Hauptmann zu Gadebusch, dann 1592 wiederum für 8000 Gulden an Herzog Ulrich zu verpfänden. Der Pfandinhaber von Fineke führte 1589 Beschwerde über den Magistrat zu Wismar wegen Verwüstung der harten Holzung zu Cramonshagen und des reservirten Antheils auf dem Cramonshager Felde. Auch seines übrigen Besitzes, selbst des Stammgutes Wustrow musste Joachim von Oertzen, des Herzogs Ulrich von Mecklenburg Rath und Hofmarschall, sich entäussern, so dass er seinen Söhnen, Matthias und Stephan, nur das Beluitionsrecht auf Cramonshagen und Schossin hinterliess. Diese Söhne so wie der Ehegatte ihrer Schwester, Busso von Penz, wohnten lange auf dem Leibgedinge der Mutter zu Cramonshagen, bis der Jüngere, Stephan, Schossin wiedereinlöste. Letzterer erscheint nach seines Bruders Matthias Tode (um 1622) als alleiniger Besitzer von Schossin und Cramonshagen. Er wohnte auf jenem Gute und verpachtete das letztere erst an Ulrich von Blücher, dann an einen von Lützow, bis die Drangsale des dreissigjährigen Krieges ihn nöthigten, Cramonshagen zu verkaufen. Nachdem er in diesem betrübten Kriegswesen (so heisst es in einer actenmässigen Quelle bei Lisch a. a. 0. S. 298.) nicht allein um alle seine beweglichen Güter, Vieh und Fahrniss, sondern auch um die zu seinen Gütern Schossin und Cramonshagen gehörenden Unterthanen, die durch Pest und Hunger zunichte geworden, gekommen, auch die Zimmer bei dem Gütlein Cramonshagen meistentheils heruntergerissen waren, und er nichts im Vermögen hatte, nur etwas aufzurichten, da es seine Nothdurft erheischte, zur Erhaltung seines von seinen Eltern und Voreltern auf ihn vererbten Gutes Schossin alles Mögliche aufzubieten, sah er sich genöthigt, am 1. Mai 1642 Cramonshagen an des verstorbenen Hans von Drieberg zu Gottmaimsförde Wittwe Adelheid, geborene Fineke, deren Sohn Joachim Heinrich, dessen Brüder und ihre Erben für 6000 Gulden erblich zu verkaufen. Hierüber berichtet der Pastor zu Cramon, Alexander Gipsen, unter dem 24. Februar 1651: „Der andere adelige Sitz (in der Pfarre) ist Cramonschenhagen. Daselbst hat vor diesem Stephan von Oertzen gewohnt, vor 20, 30 und mehr Jahren, hat auch solches Gut Andern eine Zeit lang in Pension gethan, als Blüchern und Lützowen, die aber vor 12 Jahren (also in dem schrecklichen Jahr 1638) gestorben, bis nun etwa vor 8 Jahren ein richtiger Kauf zwischen Stephan von Oertzen seligen und der Wittwe Frau Dribergschen getroffen, welche ihr Gut dem jüngsten Sohne übergeben und sich mit ihrem ältesten Sohne nach dem Cramonschen Hagen begeben, woselbst sie sich aufhalten."

Die Familie Drieberg, deren Stammsitz das benachbarte Drieberg war, hatte aber schon früher zeitweilig Antheile und Gülten in Cramon und dem Hagen besessen. Schon 1523 finden wir, dass Jürgen Drieberg zu Gottmannsförde 25 Mark Lüb. jährlicher Hebung in Cramon, Gottmannsförde und Hagen an die Priesterschaft in Sternberg für 500 Mark Capital verpfändet. Derselbe überliess dem Herzog Heinrich antichretisch 1539 ein Erbe in Cramon für 300 Mark und 1547 die Schmiede daselbst für 100 Mark.