Abschnitt 5

In dem letzten Viertel des sechzehnten und dem Anfange des siebzehnten Jahrhunderts.bietet die Geschichte des Schweriner Schlosses nur was zur Eortführung des von Johann.Albrecht (f 1576) Begonnenen und zur Conservirung der Wohngebäude nöthig war. Erst.Herzog Adolph Eriedrich I. (1608–1658) fasste wieder den Plan eines Schlossneubaues,.welcher, im Entwürfe grossartiger und umfassender als die Bauthätigkeit seines Grossvaters,.in der Ausführung wegen der Ungunst der Zeitverhältnisse beim Beginn des verbängnissvollen.dreissigjährigen Krieges über unbedeutende Anfänge nicht hinauskam. Der Plan, den der.Herzog schon in seinen ersten Begierungsjahren entwarf und mit seinem niederländischen.Baumeister, Ghert Evert Piloot bearbeitete, war darauf gerichtet, durch möglichste Ver-.bindung der einzelnen Theile, Herstellung einer gleichen Höhe derselben und gleiche Gestaltung.der Aussenwände dem Ganzen eine gleiclimässigore und elegantere Einrichtung zu 'geben..Dabei sollte an der Stelle der bisherigen Gebäude zu beiden Seiten der späteren Einfahrt.ein neues Haus errichtet, der gesammte Umkreis des inneren Hofes aber mit zwei über.einander zu ebener Erde und in der Höhe des ersten Stocks laufenden Säulengängen versehen werden. Es war weiter im Project, dem Schlosse gegenüber auf der ganzen Breite.der Westseite des alten Gartens, also von dem Platze des jetzigen Schauspielhauses bis in.die Nähe des Burgsee's, ein einziges, grosses Gebäude zu errichten, welches Ställe, Reitbahnen, Fouragemagazine, Wohnungen für die Hof- und Stalldienerschaft u. s. w. enthalten, im Allgemeinen also den Zwecken eines Marstalls entsprechen, dabei einen Durchgang für die Passage von der Burgstrasse nach dem Schlosse umfassen und an seiner Ostseite in einer durchsichtigen, freien Colonade dem Schlosse ein angemessenes Gegenüber darbieten sollte. Dies Alles blieb ein Project. Ausgeführt wurde nur die gleichmässige, im Rococcostyl gehaltene

Um nach dem inneren Schlosshofe zu gelangen betreten wir die schon erwähnte Ausfahrt auf der Schlossgartenseite. Innerhalb derselben tritt man zur Linken in das Haupttreppenhaus die ,,schwarze Marmortreppe". Das Haus trägt einen kuppelförmigen Thurm mit Spitze von 171 Fuss Höhe, dessen schwarzes Dach mit mehreren verticalen Goldstreifen geziert ist; auf der Höhe der oberen Gallerie stehen drei symbolische weibliche Statuen, Ackerbau, Gewerbe und Handel darstellend. Die zu den grossen Festräumen führende Haupttreppe ist ein Werk von unübertroffener Schönheit. Das ganze, aus Gusseisen bestehende Treppengerippe, dessen Guss unter Leitung des Baumeisters Runge in Berlin ausgeführt ist, verbirgt die Farbe des Eisens unter schwerer glänzender Vergoldung. Den starken Goldsäulen, Stäben und Brüstungen dienen vielfache kunstvolle Reliefs zur Zierde, vor Allen zwei zierlich gearbeitete Zwischenstücke von dem Bildhauer Willgohs modellirt, welche einen Hochzeitstanz und einen Erntetanz darstellen.


Der Schlosshof hat in der verlängerten Mittellinie der Einfahrt, also in der Richtung von der Kuppel nach dem Thurme des kleinen Treppenhauses, eine Länge von 153 Fuss. Die grösste Länge hat derselbe von der südlichen Einfahrt bis in die Ecke neben der Sohlosskirchenthür: diese beträgt 198 Fuss. Die Haupteinfahrt von der Stadt her hat 14 Fuss Breite und 25 Fuss Höhe. Das Rundgewölbe ist mit dem schönsten Schmucke versehen; besonders zeigt der mittlere Theil der Decke, den vier starke Säulen mit Weinlaubranken in Thonreliefarbeit tragen, die schöne Wirkung dieses rothen Ornaments auf weissem Grunde. In der Absonderung der Nebengänge zu beiden Seiten der Haupteinfahrt beginnt die Pfeiler- und Säulenstellung, welche sich in den Arkadengängen, die um den ganzen inneren Umkreis des Schlosshofes führen, fortsetzt. Von der Haupteinfahrt rechts herum an den beiden Treppenhäusern vorüber bis an die sogenannte Obotritentreppe läuft über den Arcaden eine offene Gallerie von derselben Structur wie die äussere Gallerie.

Der Styl der betreffenden äusseren Façaden wiederholt sich selbstverständlich an diesen inneren Fronten. So tragen denn die Gebäude der äusseren Süd- und Ost-Seite, von der Haupteinfahrt rechts bis zum kleinen Treppenhause, dessen ebenfalls mit abwärts gehenden Goldstreifen verzierter Thurm sich 168 Fuss hoch erhebt, den edlen Façadenschmuck des Neubaues. Daran schliesst sich, dem dreigiebeligen Hause an der Seeseite entsprechend, ein Bau mit zwei Giebeln von alter, rundliniger Form. Von da bis wieder zur Haupteinfahrt herrscht, die Gebäude der äusseren Nord - und Westseite umfassend, der Styl des Johann-Albrechts-Baues mit Thonrelief-Ornamenten.

Eben so schön als beziehungsreich ist hier der von dem Archivrath Lisch entworfene Schmuck des restaurirten Portals der schon erwähnten ,,Obotritentreppe". Dies ist das Treppenhaus vor dem „langen Hause", der Zugang zu der alten Hofdornitz, der jetzt zu den Gemächern des Grossherzogs führt. Ihren Namen verdankt die Treppe den beiden Obotritenfiguren aus Sandstein, welche, von Prof. Alb. Wolf in Berlin modellirt, rechts und links von der mittleren Thür auf reich mit Bildhauerarbeit versehenen Sockeln stehen. In der Höhe des ersten Stocks ist rechts die Büste des Herzogs Johann Albrecht, darunter sein Wappen und sein Wahlspruch: „Premente cruce tollimur" (des Kreuzes Joch erhebt uns hoch); links die Büste seiner Gemahlin Anna Sophia, gebornen Herzogin von Preussen, darunter Wappen und Wahlspruch: „Alles nach Gottes Willen." In der Mitte unterhalb des unteren Rundfensters ist die Bauinschrift conservirt, die Johann Albrecht vor dreihundert Jahren hier einfügte: „Joannis Alberti Ducis Megap. industria sumptibusque. 1554." Dieser entspricht oberhalb jener Büsten und unterhalb des oberen Rundfensters die neue Bauinschrift: „Fridericus Franciscus II. D. G..Magnus Dux Megapol. Avorum Sedem Refecit 1864." Auf diese Inschrift sehen die Büsten des jetzt regierenden Herrscherpaares herab, rechts der Grossherzog Friedrich Franz, links die Grossherzogin Auguste, geborene Prinzessin von Reuss. Die Wahlsprüche des Grossherzogs („Per aspera ad astra") und seiner Gemahlin („Ich bau auf Gott") stehen nebst den Wappen unter den Büsten. Den Schmuck des Giebelfeldes bildet die symbolische Figur der Megalopolis, eine Jungfrau mit einem Stier zur Seite, von dem Professor Alb. Wolf in Relief ausgeführt. Ausser diesen Werken der Sculptur ist dieses Portal, wie die Gebäudetheile links und rechts und das Schlosskirchengebäude oberhalb der Glasgallerie (Kirchengallerie), mit Medaillonreihen und anderen Ornamenten in Thon reich geziert.

An den drei Thonreliefgiebeln des ,,langen Hauses" finden sich die Bilder des mecklen-burgischen "Wappens, in einzelne Schilde vertheilt. Ausserdem haben hier in drei Gruppen von Thonbüsten die Geschwister des Herzogs Johann Albrecht eine Stätte gefunden, ent-sprechend den Verwandten des Grossherzogs Friedrich Franz an der Seeseite desselben Gebäudes. Wir gewahren nämlich an dem der Schlosskirche zunächst stehenden (Giebel den Herzog Christoph in der Mitte, zur Seite seine beiden Gemahlinnen, Dorothea von Dänemark.und Elisabeth von Schweden; an dem mittleren Giebel in derselben Stellung den Herzog Ulrich mit seinen Gemahlinnen Elisabeth von Dänemark und Anna von Pommern; an dem dritten Giebel, dem unten stehenden Beschauer durch den vorspringenden Giebel des Treppenhauses verdeckt, die Herzogin Anna von Kurland, Johann Albrecht's Schwester, und dessen Bruder, den Herzog Karl.

Die gegenüberliegende innere Façade trägt in drei über einander gelegenen Nischen die Bildsäulen der drei Herzöge, die, wie unsere Baugeschichte im ersten Hefte darthut, ausser dem jetzt regierenden Grossherzoge die Hauptbauherren des Schlosses gewesen sind; sie sind oben Heinrich der Friedfertige, in der Mitte Johann Albrecht, unten Adolph Friedrich, sämmtlich von Willgohs nach Originalgemälden gefertigt. In der Hofseite der Niklot-Halle oberhalb der Einfahrt ist seit dem Herbst 1855 das Modell zu dem Rauch'schen Standbilde des 1842 verstorbenen Grossherzogs Paul Friedrich aufgestellt, darüber schaut das Reliefbrustbild der Grossherzogin Alexandrine, der Gemahlin desselben und Mutter des Grossherzogs Friedrich Franz, freundlich herab, darunter der beziehungsreiche Spruch: ,,Der Eltern Segen bauet den Kindern Häuser". – In einer Scutelle des Schlosskirchengebäudes sieht man die Büste des Herzogs Johann (1585–1592), des Sohnes Johann Albrecht's.

Wir haben mit dieser architektonischen Beschreibung des Schlosses, die ihre Mängel mit dem Verdienste decken möge, dass sie die erste vorhandene ist, den zuständigen Raum schon weit überschritten. Auf eine Schilderung der Pracht und Eleganz der inneren Architektur und Decoration müssen wir nothgedrungen verzichten, und von den sehenswerthen Kunstschöpfungen, mit welchen Pfannschmidt, Elster, Peters, Schumacher, Fischer, Puschkin, Jentzen, Steinhäuser, Willgohs, Genschow, Wiese, Dankborg.u. s. w. die inneren Räume geschmückt haben, von der tief sinnvollen Bilder- und Sculpturenreihe der Schlosskirche wie von der die einzelnen Theile Mecklenburgs zu dem Begriffe eines Landes und Staates zusammenfassenden kunstvollen Ausschmückung des Thronsaals.u. s. w. hier ganz absehen. Wir können nur noch der mit der Architektur in nächstem Zusammenhange stehenden Glasgemälde von Ernst Gillmeister gedenken. Nach Cartons des Hofmalers Gaston Lenthe in Schwerin hat Gillmeister in den fünf grossen Fenstern des gothischen Hochchors der Schlosskirche die Hauptthatsachen der christlichen Heilsordnung vom Sündenfalle bis zu der Auferstehung und der wenigstens in einem Spruchbande angedeuteten Himmelfahrt in 11 Hauptbildern (von welchen 6 auf 2 Seitenfenster, 1 auf das ganze Mittelfenster und 4 wieder auf 2 Seitenfenster kommen), in 11 Predellenbildern und 5 Rosetten trefflich dargestellt. Einen eben so hohen Grad technischer Vollendung zeigen die achtzehn lebensgrossen, nach Lisch's Angaben bestimmten Bilder mecklenburgischer Regenten (1. Heinrich, der Wendenkönig, †1119. 2. Niklot, † 1160. 3 . Pribislav, † 1171. 4. Burwin I., † 1227. 5. Heinrich I., der Pilger, † 1301. 6. Heinrich II., der Löwe, † 1329. 7. Albrecht I., der Grosse, † 1379. 8. Albrecht II., König von Schweden, † 1412. 9. Magnus II., † 1503. 10. Johann Albrecht I., † 1576. 11. Adolph Friedrich I., † 16.58. 12. Christian Ludwig I., † 1692. 13. Friedrich Wilhelm, † 1713. 14. Karl Leopold, † 1747. 15. Christian Ludwig II., † 1756. 16. Friedrich † 1785. 17. Friedrich Franz I., † 1837. 18. Paul Friedrich, † 1842),.welche Gillmeister in den 18 Fenstern der 6 Fensteröffnungen des Waffensaales, und zwar von Albrecht I. an nach historischen Vorbildern, nach einer Gesammt-Composition des Hofmalers Schumacher gemalt hat. Ueber jedem Portraitbilde enthält ein architektonischer Baldachin charakteristische Darstellungen zeitgenössischer Begebenheiten.