Abschnitt 4

In dem fast zweihundertjährigen Zeitraum von dem Tode des Herzogs Adolph Friedrich bis zu der neuesten Restauration des Schlosses hat die Baugeschichte desselben nur zwei Herzöge zu nennen: die Brüder Friedrich Wilhelm (1692-1713) und Christian Ludwig (1747-1756). Friedrich Wilhelm hatte seit 1708 eine Restauration des Kirchengebäudes im Plane. Der Ausführung kam sein Tod zuvor. Er baute jedoch von den südwestlich vor der Hinterbrücke gelegenen Nebengebäuden des Schlosses in den Jahren 1708–1710 das Orangeriehaus, mit welchem kurz darauf ein Komödienhaus unter demselben Dache verbunden ward. Bald verfallen, wurde es später zu Wohnungen eingerichtet, welche noch 1844 Hofdienern eingeräumt waren. Auf dieser Seite stand auch das Laboratorium in chymischen Sachen; auf der anderen Seite aber – zwischen der Damentreppe und der Wohnung des Kastellans – die Münze (bis gegen 1770), die Schlossapotheke und die Badstube.– Herzog Christian Ludwig legte den Schlossgarten an, liess den Thurm mit der Schlaguhr vor dem „neuen Hause Herzog Heinrich's des Friedfertigen" im Mauerwerk erhöhen, machte den früheren Tanzsaal des „langen Hauses" zum Redouten- und Komödien-Saal, auf welchem dieser geschmackvolle Beschützer der schönen Künste 1750 Schönemann, Conrad Eckhof und Ackermann spielen liess, und errichtete gegen 1750 über der gewölbten Auffahrt Adolph Friedrich's und über dem daneben gelegenen Erdgeschoss das Fachwerkgebäude, das bis zu dem jüngsten Bau die Gemäldegallerie, die Kunstkammer u. s. w. enthielt und von welchem unkritische Liebhaber grosser geschichtlicher Namen sich früher gern einredeten, es sei von Wallenstein erbaut, während die Baugeschichte des Schlosses von diesem nichts zu berichten hat, da von ihm nicht nur nichts am Schlosse gebaut ist, sondern er auch nie in demselben gewohnt hat.

Die achtzigjährige Dauer der beiden Regierungen des Herzogs Friedrich (1756-1785) und des Grossherzogs Friedrich Franz I. (1785-1837) ist für die Geschichte des Schlosses eine Zeit des Stillstandes. Nur die Schwester des Ersteren, die Prinzessin Ulrike Sophie, hatte ihren ständigen Wohnsitz auf dem Schlosse, und zwar in den Gemächern, die Herzog Adolph Friedrich über dem Zeughause hatte anlegen lassen, und in welche nach dem Tode der Prinzessin das Kammer-Collegium verlegt wurde. Unter der Regierung des Grossherzogs Paul Friedrich (1837-1842), der zuerst wieder den Sitz seines Hoflagers nach Schwerin verlegte, fühlte man, wie sehr es hier bei dem vernachlässigten und unfesten Zustande des Schlosses an einer würdigen und geräumigen Fürstenwohnung fehlte. Der jetzt regierende Grossherzog Friedrich Franz II. fand diese Ansicht von dem „besorglichen Verfall" (so hiess es schon zu Christian Ludwig's Zeit) des alten Schlosses seiner Väter durch viele Wahrnehmungen bestätigt, als er gleich nach seinem Regierungsantritte 1842 seine Residenz in dasselbe verlegte. Schon 1843 stand der Beschluss eines das Ganze umfassenden Erneuerungsbaues fest, und zwar ward der Wille des hohen Bauherrn dahin ausgesprochen, dass die von dem Herzoge Johann Albrecht neu erbauten und restaurirten Theile des Schlosses möglichst erhalten, im Uebrigen der Schlosshof mit neuen Gebäuden im Renaissancestyl geschlossen und dabei der noch vorhandene Restaurationsplan des Herzogs Adolph Friedrich berücksichtigt werden sollte. Ungeachtet einiger im Verlaufe des Baues eintretenden Modificationen ist dieser Grundplan auch grundleglich geblieben, und in Befolgung desselben ein Bauwerk zu glänzender Vollendung durchgeführt worden, das in seinem architektonischen Resultat als ein grossartiger Neubau erscheint, während es nach dem historischen Sinne und der pietätvollen Absicht des hohen Restaurators nur eine dauerhafte Erneuerung des altmecklenburgischen Fürstenschlosses und eine Lebendigerhaltung der wichtigen Momente sein soll, die sich in Betreff der Landesgeschichte, der Kunstgeschichte und der eigenen Baugeschichte an dasselbe knüpfen.


Der Hofbaurath Demmler erhielt im Sommer 1843 den Befehl, Pläne und Zeichnungen zur Restaurirung und zum theilweisen Neubau des Schlosses auszuarbeiten, und es wurde ihm gestattet, zwecks Besichtigung fremder Schlösser in Begleitung des Bauconducteurs (jetzigen Hofbauraths) Willebrand eine Reise zu machen. Man studirte die Motive der Renaissance besonders an den Schlössern zu Blois und zu Chambord bei Blois, einem der imposantesten Gebäude aus der Zeit Königs Franz I., um sie für den hiesigen Bau, zwar durchaus nicht in der architektonischen Gestaltung des Ganzen, die hier schon wegen der gegebenen insularen Räumlichkeit ihren eigenen Bedingungen folgen musste, aber doch in den Einzelnheiten der Bauausführung selbstständig zu verwenden. Nachdem schon am. 23. Februar 1842, dem Geburtstage Ihrer K. H. der Frau Grossherzogin Mutter, der erste Pfahl eingerammt war, erhielten nunmehr die vorgelegten Pläne im Januar 1844 die Genehmigung des Grossherzogs, Am 31. März 1845 begann der Abbruch der im Neubau herzustellenden Theile. Am 6. Oktober 1845 wurde der Grund zu dem neuen Hauptthurme gelegt, der schon am 27. August 1846 unter Dach gebracht und gerichtet wurde. Am.13. Januar 1846 nahm der Neubau der Façade vor den zur Conservation bestimmten nördlichen und nordwestlichen Theilen (von dem Hofküchengebäude bis zur Schlosskirche u. s. w.) seinen Anfang. Die obere Leitung des Baues wurde 1851, bei dem Ausscheiden des Hofbauraths Demmler aus dem landesherrlichen Dienste, dem Oberbaurath Stüler in Berlin übertragen, welcher dieselbe in Gemeinschaft mit dem Hofbaumeister Willebrand bis zu Ende führte. Es wurde der äussere Bau im Herbst 1855, also nach zehnjähriger Dauer, vollendet und empfing durch die Einweihung der Schlosskirche am 14. October 1855 seinen feierlichen Abschluss. Der innere Ausbau und die künstlerische Ausschmückung, die Decorirung und Meublirung der Säle und Zimmer, die Vollendung der Schlossbrücke und der Quais nahm noch anderthalb Jahre in Anspruch. Am 26. Mai 1857 feierte der hohe Bauherr den Geburtstag seiner erlauchten Gemahlin, der Grossherzogin Auguste, durch den feierlichen Einzug in das von ihm glanzvoll erneuerte Schloss seiner Väter. Eine Reihe von Festlichkeiten, an welchen auch viele fremde fürstliche Herrschaften, darunter der König und die Königin von Preussen und der Prinz von Preussen, Theil nahmen, gab dem neuen Herrschersitze die Weihe.

Der hier gegebenen Baugeschichte wird sich im nächsten Hefte eine Beschreibung des Schlosses anschliessen.