Abschnitt 3

Zu den Neubauten des Herzogs Johann Albrecht gehört zunächst die frühere Auffahrt mit zwei Flügelthoren, das nach dem Burgsee zu gelegene äussere Pforthaus u. s. w.; noch in den letzten Jahren seiner Regierung kam hier der „neue Thurm über dem Thor" hinzu. Der Herzog verfolgte schon seit 1548, also noch bevor er in Schwerin succedirte, die Absicht, dem Schlosse eine grössere Festigkeit zu geben, wie solche gegen die neuen Angriffsimittel der Kriegskunst nöthig erscheinen musste. Von dem Jahr 1557 an war der italienische Baumeister Francesco a Bernau bei der Ausführung dieses Befestigungsplanes thätig. Von dieser Befestigung stand der südliche und südwestliche Theil, dem Schlossgarten und dem See gegenüber, bis auf die neueste Renovation, und Ueberreste von ihr sind z. B. in der Umgebung des kleinen Pavillons neben dem Schlosskirchenthürmchen noch heute erhalten. Bedeutender jedoch als diese Werke war die Erbauung des Schlosstheils,durch welchen Johann Albrecht den Zwischenraum zwischen dem „langen Hause" und Herzog Heinrich's „Hause mit dem Thurm" ausfüllte. Dieses von L554 an bis nach 1560 errichtete Gebäude, das „neue Gebäude Herzog Johann Albrecht's über der Hofküche" genannt, bildete die nordöstliche Ecke und war mit einer äusseren Gallerie versehen, die von dem Portal des „langen Hauses" bis zu der verdeckten Treppe des Thurmhauses führte. In dem südlichen, von dem Herzoge völlig ausgebaueten Theil enthielt es fürstliche Wohngemächer, während der östliche Theil im Erdgeschosse die Hofküche enthielt und in den oberen Stockwerken – bis der Herzog Adolph Friedrich I. den inneren Ausbau vollendete – zu wirthschaftlichen Räumlichkeiten bestimmt blieb.

Auch an der nördlichen Seite des „langen Hauses", im rechten Winkel an dasselbe ansetzend, führte Herzog Johann Albrecht die Ausfüllung des Gebäuderinges weiter. Hier legte er im Frühling 1560 den Grund zu der Schlosskirche, welche, so wie die darüber ein- gerichteten Wohngemächer des Herzogs Johann Albrecht und seiner Gemahlin, im Jahre 1563 im Bau vollendet wurde. Von dem reichen künstlerischen Schmuck der Kirche, wobei italienische, niederländische und sächsiche Künstler beschäftigt waren, ist durch die Pietät des Grossherzogs Friedrich Franz auch in dem Neubau Alles erhalten, was zu erhalten war. Der Baumeister der Kirche wie der übrigen Schlossbauten Johann Albrecht's war Johann Baptista Parr. Sächsiche und holländische Bildhauer und Steinmetzen lieferten den Schmuck aus gehauenen Steinen und Alabaster, Bildwerke von zum Theil ausgezeichneter Schönheit, wie deren noch eins über der Thür der Kirche wohlerhalten ist. Von Pirna her wurden die grossen Werkstücke aus Sandstein die Elbe herab gefahren, aus Uslar am Söllingerwalde kaufte der Herzog grosse Alabasterblöcke zum Taufstein und zu Bildtafeln. Alles, was nach dem gehobenen Geschmacke der Zeit an Material und Kunstfertigkeit aufgeboten werden konnte, setzte der Herzog für den Bau seiner Kirche in Bewegung, und auch die über derselben belegenen Wohnzimmer (die welschen Gemächer) dankten der Sculptur wie der Malerei reiche Zierden.


In dem letzten Viertel des sechzehnten und dem Anfange des siebzehnten Jahrhunderts bietet die Geschichte des Schweriner Schlosses nur was zur Fortführung des von Johann Albrecht († 1576) begonnenen und zur Conservirung der Wohngebäude nöthig war. Erst Herzog Adolph Friedrich I. (1608–1658) fasste wieder den Plan eines Schlossneubaues, welcher, im Entwürfe grossartiger und umfassender als die Bauthätigkeit seines Grossvaters, in der Ausführung wegen der Ungunst der Zeitverhältnisse beim Beginn des verhängnissvollen dreissigjährigen Krieges über unbedeutende Anfänge nicht hinauskam. Der Plan, den der Herzog schon in seinen ersten Regierungsjahren entwarf und mit seinem niederländischen Baumeister, Ghert Evert Piloot bearbeitete, war darauf gerichtet, durch möglichste Verbindung der einzelnen Theile, Herstellung einer gleichen Höhe derselben und gleiche Gestaltung der Aussenwände dem Ganzen eine gleichmässigere und elegantere Einrichtung zu geben. Dabei sollte an der Stelle der bisherigen Gebäude zu beiden Seiten der späteren Einfahrt ein neues Haus errichtet, der gesammte Umkreis des inneren Hofes aber mit zwei über einander zu ebener Erde und in der Höhe des ersten Stocks laufenden Säulengängen versehen werden. Es war weiter im Project, dem Schlosse gegenüber auf der ganzen Breite der Westseite des alten Gartens, also von dem Platze des jetzigen Schauspielhauses bis in die Nähe des Burgsee's, ein einziges, grosses Gebäude zu errichten, welches Ställe, Reitbahnen,.Fouragemagazine, Wohnungen für die Hof- und Stalldienerschaft u. s. w. enthalten, im Allgemeinen also den Zwecken eines Marstalls entsprechen, dabei einen Durchgang für die Passage von der Burgstrasse nach dem Schlosse umfassen und an seiner Ostseite in einer durchsichtigen, freien Colonade dem Schlosse ein angemessenes Gegenüber darbieten sollte. Dies Alles blieb ein Project. Ausgeführt wurde nur die gleichmässige, im Rococcostyl gehaltene Façadirung an den Häusern des Herzogs Johann Albrecht über der Hofküche und über der Kirche, welche, bis zu dem letzten grossen Bau erhalten, eine Probe der von Adolph Friedrich beabsichtigten Restauration darbot, und unter deren Abputz man neuerdings noch die Thonreliefs des älteren Baues fand, sodann die neue Einrichtung der Räume der Rüstkammer zu einem Saale und zu Wohnzimmern. Der projectirte Neubau auf der Stadtseite wurde um 1623 begonnen, aber nur langsam und wohl mit grossen Unterbrechungen fortgeführt; denn 1629, als die Kriegsstürme und der Tod des Baumeisters Piloot den Bau völlig aufhören liessen, war man noch nicht über den Fundamentstein hinaus. Die Wiederaufnahme.des Baues in den Jahren 1635-1643 führte auch nicht weiter als zur Vollendung des Fundaments, der neuen gewölbten Auffahrt und des Erdgeschosses zwischen dieser und der Kirche.