Abschnitt 2

Unter Herzog Magnus II. und seinen Söhnen, Heinrich und Albrecht, erhielt auch das dem „langen Hause" gegenüber an der Südwestseite gelegene „Zeughaus", das wohl schon früher im Laufe des fünfzehnten Jahrhunderts errichtet worden, seine neue Bestimmung und Erweiterung. Herzog Heinrich der Friedfertige (1503–1552) gab demselben ein drittes Stockwerk, so dass nun das Erdgeschoss das eigentliche Zeughaus oder Büchsenhaus bildete, während die oberen Stockwerke die Harnischkammer oder Rüstkammer umfassten. Die letzteren wurden zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts in Säle und Wohnzimmer umgeschaffen.

Herzog Heinrich der Friedfertige, ein vortrefflicher, einsichtsvoller und geschäftskundiger Fürst, liess seine Tätigkeit an dem Schlosse nicht unbezeugt. Neben der nachmaligen Schlosskirche, also links von der damaligen und jetzigen Einfahrt, richtete er, vielleicht in der Zeit vor seiner zweiten Vermählung, in den Jahren 1510–1513, das „alte Haus" wieder her, ein viereckiges, drei Stock hohes Gebäude, dessen Erdgeschoss zur Aufnahme des „Brief-Canzlei-Gewölbes" oder Archivs, die oberen Stockwerke zum Wohnen für den Herzog und die Herzogin (Helene von der Pfalz) eingerichtet waren. Es gehört, so wie das daneben gelegene, vierstöckige „Häuslein mit dem spitzigen Dach", zu den alten Schlossgebäuden, die in der Zeit zwischen 1617 und 1622 eingingen, und an deren Stelle der Herzog Adolph Friedrich I. ein neues zu errichten die Absicht hatte. Von derselben Zeit datiert auch die Erbauung des daneben stehenden Brau- und Backhause.
      An der Südwestseite, nach dem Schlossgarten zu, nicht weit von der Stelle, wo jetzt Herzog Heinrich's Bildsäule in den Schlosshof hinabschaut, baute dieser Fürst mit seinem Bruder Albrecht 1507 an der Stätte der alten eine neue Schlosskapelle, und da deren Gewölbe 1514 einstürzte, ward 1515–1520 ein abermaliger Neubau hergestellt.
      Nach der brüderlichen Teilung von 1520 errichtete Herzog Heinrich sich ein neues Wohnhaus an der Südseite, welches 1525 vollendet und nach damaligem Baugeschmack schwarz und weiss getüncht wurde. Dies Gebäude, „Herzog Heinrich's neues Haus" genannt, ist dasjenige, vor welchem bis auf den letzten Restaurationsbau der Turm mit der Uhr stand und zu welchem man auf der bedeckten Steintreppe hinaufstieg.
      Des Herzogs Albrecht Sohn und des Herzogs Heinrich Neffe war Herzog Johann Albrecht (1552–1576). Dieser denkwürdige Fürst nimmt nicht nur als der im geistigen wie im Waffen-Kampfe stets wackere Durchführer der Reformation und Begründer der Humanitätsstudien in Mecklenburg eine glänzende Ehrenstelle in der Geschichte unsers Landes ein, ihm gebührt auch eine ausgezeichnete Stelle unter den deutschen Fürsten einer Zeit, die an bedeutenden Charakteren in den deutschen Fürstenhäusern wie an grossen deutschen Interessen gleich reich war. Der Typus charaktervoller Tüchtigkeit und hoher geistiger Bildung, der dem gesamten folgenreichen Wirken dieses Fürsten aufgeprägt ist, tritt auch in seiner Tätigkeit an dem Bau des Schweriner Schlosses deutlich hervor. Er legte an die bereits vorhandenen Gebäude die vollendende, ausgleichende und künstlerisch verschönernde Hand und suchte die vereinzelten Bauwerke seiner Vorfahren durch tüchtige Neubauten wie durch Hinzufügung einer gleichartigen Ornamentirung mehr in die Form der Einheit zu bringen. Zu letzterem Zwecke bediente sich Johann Albrecht besonders der kunstvollen Reliefarbeiten aus gebranntem Ton, die um diese Zeit in dem niederdeutschen Baustil so charakteristisch und verschönernd hervortreten. Lehrreiche Denkmäler dieses Ornamentenstyls waren die mecklenburgischen Schlösser zu Wismar, Schwerin und Gadebusch, die Burg-zu Ulrichshusen bei Malchin, sodann vier Giebelhäuser in der Wahmstrasse zu Lübek; Einzelnes fand, sich in Stralsund, Lüneburg und an der Kronenburg bei Helsingör auf Seeland. Außerdem fanden sich Bauornamente, Geräte, Ofenkacheln dieser Arbeit an vielen Stellen Niederdeutschlands beim Aufgraben des Grundes alter Häuser. Von den Stralsunder Tonreliefstücken, die doch den mecklenburgischen Arbeiten dieser Periode (1550–1570) bei weitem nachstehen, urteilt Franz Kugler (Pommersche Kunstgeschichte S. 161. 231.): „Der Styl dieser Arbeiten gehört der Weise der italienischen Kunst an; die Motive der Schule Raphael's erscheinen in ihr, und zwar auf sehr tüchtige und erfreuliche Weise nachgebildet." Diese Reliefs hatten durchweg die natürliche Farbe, wie sie noch jetzt am Schweriner Schlosse erhalten sind; doch fanden sie sich auch im Innern stark vergoldet – so die Arabeskenreliefs an den Säulen des Hofsaals – oder mit vergoldeten Erhebungen auf blauem Tiefgrunde. Es ist nicht zweifelhaft, dass Niederdeutschland die eigentliche Heimat der Ausbildung dieses Bauschmucks nach italienischen Vorbildern gewesen ist; seine Verpflanzung von Mecklenburg nach Lübeck und nach Seeland ist nachweisbar. Gabriel von Achen und Statius von Düren, die vollendetsten Tonreliefbildner jener Periode, deren Medaillons und sonstige Reliefornamente an den Schlössern in Wismar und in Schwerin den neuesten Werken dieser an der Bauschule in Berlin und an dem neuen Schweriner Schlosse wiedererweckten Kunst zum Muster gedient haben, zogen beide von Wismar nach Lübeck, und der Erbauer der Kronenburg, König-Friedrich II. von Dänemark (1559–1588), war der Schwiegersohn des Herzogs Ulrich von Mecklenburg, eines Bruders von Johann Albrecht.


Bevor dieser kunstsinnige Fürst zu neuen Bauten schritt, restaurirte er 1552–1554.die besseren Gebäude der früheren Zeit. Das „lange Haus" erhielt eine neue innere Einrichtung, die durch Vorbauung des Hauptportals (1555) an Geräumigkeit gewann; in die Hofdornitz wurde das Gewölbe mit den Säulen und den Gewölberippen von gebranntem Ton hineingebaut, in dem oberen Stocke der Tanzsaal angelegt und ausgeschmückt. Des Tanzsaal's griechische Inschrift zu deutsch: "Weder ungastlich noch übergastlich" vergegenwärtigt uns den gelehrten Hof des Herzogs Johann Albrecht, an welchem Andreas Mylius bei der Vermählung des Herzogs vor dem versammelten Hofe eine lateinische Festrede hielt, und erinnert an eine Zeit, in welcher die englische Königin Elisabeth mit ihren Hofleuten lateinisch und griechisch conversirte. – Das lange Haus, das Bischofshaus das Zeughaus und andere ältere Gebäudeteile liess nun der Herzog teils bloss an den Aussenwänden, teils auch in den inneren Gemächern mit den kunstreichen Tonverzierungen schmücken, von welchen vorhin die Rede gewesen ist.