Abschnitt 1

Matgendorf liegt an der Chaussee von Teterow nach Rostock, anderthalb Meilen nordwestlich von erstgenannter Stadt, im Westen von Schwiessel, im Norden und Osten von Gross-Bützin, Gross-Wüstenfelde und Schwetzin, im Süden von Gottin, Teltow und Perow begrenzt. Es ist das Hauptgut der von der Kettenburg'schen Begüterung, welche ausserdem aus Gross-Wüstenfelde mit Mühlenhof, Perow und Schwetzin (letzteres zum ritterschaftlichen Amte Neukalen gehörig) besteht.

Die Wüstenfelder Güter gehörten seit alter Zeit, wenigstens seit der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts, der adeligen Familie Schmeker. Im Jahre 1359 wird Nikolaus Smeker tho deme Wostenuelde genannt. Neben demselben tritt Otto Smeker auf, und um dieselbe Zeit kommen Heinrich Smeker, etwas früher Volrad Smeker, der Knappe Erich Smeker und der Mönch zu Doberan, Hinrik Smeker, vor. Zu Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts (1402, 1403) finden wir Matthias Smeker, und nach der Mitte desselben (1464) Johann Smeker zu Gülzow und Hinrich Smeker tho dem Wüstenfelde. Des Letztern Sohn fand 1487 in der Schlacht bei Pankelow in der Rostocker Domfehde einen ritterlichen Tod. Er hinterliess einen minderjährigen Sohn, Heinrich Schmeker, unter der Vormundschaft des Ritters Heinrich von Plessen auf Brüel. Eine Anleihe von 1000 Gulden, welche dieser für seinen Mündel von dem Rostocker Domcapitel aus dem Opferblocke des Heiligen Blutes zu Sternberg gegen Verschreibung der Zinsen aus dem Schmekerschen Gute Pampow bei Teterow erhielt, wurde später 1528, da der volljährige Heinrich Schmeker mit der Zinszahlung in Rückstand blieb, die Veranlassung zu einem gewaltsamen Exekutionszuge des Domcapitels gegen den Ritter, den es in seinen geheimen Akten einen pessimus nequam nennt. Dreihundert Mann unter Anführung eines Priesters, Heinrich Möller, überfielen den Ritter – so klagt er selbst es den auf dem Landtage zu Rostock versammelten Landständen – auf seinem Gute Wüstenfelde, trieben ihm Ochsen und Pferde fort, erbrachen Schlösser, Türen und Kasten und trieben so viel Mutwillen, „dass schwangere Frauenspersonen sich derhalben bis in den Tod erschreckt haben“.
      Die Schilderung, welche Bartholomäus Sastrow in seiner Selbstbiographie von dem Ritter Heinrich Schmeker in seinen reiferen Jahren entwirft, giebt der Vermutung Raum, dass er auch jene gewaltsame Selbsthülfe der geistlichen Herren in Rostock nicht so ganz schuldlos erduldet habe. Wir machen uns diese Schilderung zu Nutze, da sie nicht nur die originelle Persönlichkeit eines früheren Besitzers der Wüstenfelder Güter kennen lehrt, sondern manche Züge derselben auch für die Lebensweise der mecklenburgischen Edelleute jener Zeit bezeichnend sind. Sastrow war damals Notarius in Greifswald und hatte Geschäfte für Schmeker zu verrichten. Er nennt ihn „gar einen seltzamen Ebenteurer“, der mit unbesonnenem Bauen (da er die bis aufs Decken gerichteten und aufgebauten Zimmer dem Schnee und Regen offen stehen liess, dass Alles verderben und von selbst zusammenstürzen musste) und mit uner-weislichen Rechtshändeln viele Gulden verthat. Ein Negendanck (vielleicht von Schwiessel) hatte Forderungen an Schmeker und machte sich selbst bezahlt, indem er bei Nacht mit einigen Reitern Wüstenfelde überfiel, Schmeker's Schwager, einen jungen Levetzow, der die Wallbrücke nicht niederlassen wollte, erschoss, dann in die Schlaf kammer der im Kindbette liegenden Ehefrau des Ritters drang, aus der ihm bekannten Lade nahm, was ihm gefällig war, der Frau den todten Bruder vors Bett legte und dann, Pferde und Vieh wegtreibend, wieder abzog. Schmeker, der unangekleidet aus seiner Schlafkammer geflohen war, den um das Haus gehenden Wassergraben durchwatet und sich in der Koppel, wo seine Wilden (d. h. Stuten) gingen, unter Rusch und Busch versteckt hatte, war wegen dieses Landfriedensbruchs beim Kaiserlichen Kammergericht klagbar geworden und sollte nun vor dem Rath zu Greifswald, als kaiserlicher Commission, seine producirten Positional-Artikel beweisen. Zwecks dieser Beweisaufnahme kam er mit den Commissarien zu Sastrow. Er war, sagt dieser, „ein alter Mann, mit grauem Kopf und stutzigem Bart, einem langen Faltrock (Ueberrock, Regenrock) von weissem Barchent, mit schwarzen Schnüren besetzt, der fast bis auf die Füsse ging, dass mich deuchte bei den Federn, dass es ein seltsamer Vogel sein müsste. Er war für die langwierige und kostspielige Verhandlung – welche dem Notarius die nach derzeitigem Geldwerth bedeutende Summe von 250 Thalern eintrug – nicht mit Geld versehen. Pflegte er doch, wenn er einen Rechtshandel hatte, seiner Bauern Klepper einen zu nehmen und damit ohne Geld, als wollte er nur ins nächste Dorf, nach Speier zu reiten. Mangelte es ihm unterwegs an Zehrgeld, so war er so bekannt, „dass sies ihm nur hinthäten, wussten von seinem Sohne Matthias wohl gute Bezahlung zu bekommen“. Sein Procurator in Speier, Schwartzenburg, beköstigte ihn und gab ihm Zehrung zur Rückreise. So bezahlte Matthias Schmeker auch in Greifswald alle Kosten und schickte überdies zu jeder Session Claret (Würzwein) und Confect für die Commissarien und für Sastrow's Frau. – Mit dem Herzoge Heinrich dem Friedfertigen (gest. 1552) hatte Schmeker gleichfalls viele Processe vor dem Kammergericht (er pflegte jenen den grossen Heinrich, sich den kleinen Heinrich zu nennen). Als er in einem derselben unterlegen war, liess der Herzog ihm seine Schafe nehmen und nach Güstrow treiben. Unter diesen Schafen war ein alter Bock, der kam gemeiniglich, wenns Essens Zeit, Schmekern ins Gemach vor den Tisch, so gab der Junker ihm Brot zu essen, das nahm er ihm aus der Hand. Nun entliefen die Schafe von Güstrow oder wurden auf Befehl des Herzogs mit Fleiss auf den Wüstenfelder Weg. gebracht. Obgemeldeter Bock lief ins Dorf vor den andern Schafen aus, Schmekern auf den Hof, seinem Gebrauch nach vor den Tisch (denn er war von der Widerreise hungrig und hatte ohne das Lust, Brot zu essen). Schmeker stand gegen den Bock auf, zog den Hut vor ihm ab, hiess ihn willkommen und sagte: „ „ Siehe da, bene veneritis, Hermen, schmecken dir die fürstlichen Hofsuppen nicht besser, dass du so bald wieder kommst ?“ etc. Gleichwohl klagte er es zu Speier und „machte so viel davon“, dass Sastrow 20 Thaler dabei verdiente. – Zur Erhaltung des Vermögens wurde endlich Heinrich Schmeker von seinem Sohne und seinen Schwiegersöhnen, unter dem Vorgeben, es geschehe nur zum Scheine, um eine Beschlagnahme durch den Herzog zu vermeiden, zur Abtretung der Wüstenfelder Güter an den genannten Matthias vermocht. Als jedoch der Alte zum rechten Verstand des ganzen Handels gerieth, war er gegen seinen Sohn heftig aufgebracht und drohte ihm, er wolle ihn vor dem Kaiserlichen Kammergericht zu „einem ehrlosen Dieb, Verräther, Schelm und Bösewicht“ machen. Da aber Keiner, weder Sastrow in Greifswald, noch Dr. Schwartzenburg in Speier, sich mit der Klage befassen wollte, musste er sich beruhigen.


Die Familie Schmeker, im siebzehnten Jahrhundert ausgestorben (der Letzte des Geschlechts, Matthias Schmeker – wahrscheinlich der gleich zu erwähnende Bogislaff Matthias – starb zu Anfang des dreissigjährigen Krieges, vielleicht schon 1618, an der Pest und liegt in der Kirche zu Belitz begraben, wo ihm um 1632 ein Epitaphium errichtet wurde), ist nicht bis zu ihrem Erlöschen im Besitz der Wüstenfelder Güter geblieben. Am 29. Mai 1607 verkauften Jobst Schmeker zu Vietschow 1) , Vormund der Kinder (Bogislaff Matthias und Anna Maria) des Heinrich Schmeker zu Wüstenfelde (des Enkels jenes Heinrich), und seine Mitvormünder Wüstenfelde mit dem Ackerhofe zu Schwetzin, dem Vorwerk zu Matgendorf und dem halben Theil an Schlackendorf für 61,433 Gulden an Hans Georg von Eibbeck zu Glienicke, Dyritz und Seegefeld, einen brandenburgischen Edelmann aus einer noch jetzt in Ost- und Westhavelland und der Ostpriegnitz mit Gütern angesessenen Familie, in deren Besitz auch Boek im ritterschaftlichen Amt Neustadt gewesen ist. Dieser von Eibbeck veräusserte indessen schon 1621 die genannten Güter für 50,000 Thaler an den Lauenburgischen Geheimrath und Landdrosten Franz Heinrich von der Kettenburg aus einem holsteinischen Zweige der Herren von der Kettenburg im Lüneburgischen, wo die Stammburg dieses Geschlechts, die Kettenburg, im Cellischen an der Verdischen Grenze liegt. Franz Heinrich von der Kettenburg wurde 1622 mit den Gütern belehnt. Nach seinem Tode 1641 trat eine vorübergehende Theilung der Güter ein, indem der ältere Sohn, Christoph von der Kettenburg, Matgendorf, der jüngere, August Julius von der Kettenburg, Wüstenfelde erhielt. Da aber des Letzteren einziger Sohn, Franz Bogislafif (Gützlafif), 1662 im Zweikampf umkam, ohne Erben zu binterkssen, so vereinigte sein Oheim Christoph den Besitz wieder. Dieser hinterliess zwei Söhne und disponirte bei Lebzeiten (1669) über die Theilung der Güter also, dass er dem älteren, August Julius von der Kettenburg, Wilstenfelde abtrat, dem jüngeren, Cuno Hans von der Kettenburg, Matgendorf verschrieb. Von Schwetzin 2) , früher einer Pertinenz des von Warnstedt'schen Gutes Schwasdorf, war schon vorher ein Theil an Matgendorf gekommen; Cuno Hans von der Kettenburg erwarb dazu 1681 auch den Theil, welcher noch im Besitz einer Wittwe von Warnstedt geblieben war. Da sein Bruder August Julius schon 1678 mit Hinterlassung von fünf unmündigen Söhnen starb, nahm er 1682 auch die Güter des Wüstenfelder Äntheils zu Pfände. Nach einer Angabe von 1702 war der Bestand beider Antheile folgender: zu Wüstenfelde gehörte halb Schlakendorf und halb Perow; – zu Matgendorf: Schwetzin, Pohnstorf, die Hufen in Gehmkendorf und halb Perow. Nachdem das erwähnte Pfandverhältniss aufgehört hatte, kam der älteste jener fünf Neffen, der Hauptmann Christoph von der Kettenburg, zum Besitz von Wüstenfelde mit Zubehör. Er verkaufte Schlakendorf an Hans Hinrich von Levetzow auf Hoppenrade und überliess den Besitz von Wüstenfelde 1739 seinem Sohne, dem herzoglich holsteinschen Oberschenken und Generallieutenant Adam Victor von der Kettenburg, welcher 1752 Schlakendorf, das Levetzow an Ludwig Achatz Hahn auf Dieckhof veräussert hatte, von diesem wieder an sich brachte.




1) Vietschow hatte bisher mit zu Wüstenfelde gehört. Es wurde 1622 von Jobst Schmeker's Erben an Matthias Behr verpfändet, kam in den Besitz der Gläubiger desselben und wurde von diesen 1663 an die von Lowtzow auf Rensow verkauft. Von diesen kam es 1724 an Georg Gebhard von Linstow, dessen Gläubiger 1745 das Gut mit der Meierei und der Pertinenz Belitz für 48,200 Thlr. an den Obristwachtmeister Franz Heinrich von der Kettenburg (s. unten) verkauften.
2) Schwetzin und Schwasdorf waren im Mittelalter im Besitze der Herren von Schwetzin, (ausgestorben in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts), welche mit den von Sukow auf dem benachbarten Gute Suköw (ausgestorben zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts) stammverwandt waren. Beide Familien führten im quergetheilten Schilde oben zwei Wolfsköpfe.