Leetzen (Allodialgut im ritterschaftl. Amte Schwerin und Crivitz)

Das Gut Leetzen liegt in angenehmer Gegend am östlichen Ufer des Schweriner Sees, dem Zeltenberge auf dem Schweriner Schelfwerder gegenüber. Von dem Walde, der das östliche Ufer des Sees bedeckte und teilweise noch bedeckt, hat nicht nur Leetzen, sondern auch das Land Silesen (Zilesen, Tzilesen, Zellesen), in welchem es lag, den Namen erhalten. Das bedeutete nämlich in der Sprache der Wenden Wald, und sa ist die Präposition jenseits, welche noch jetzt im Russischen in gleicher Bedeutung gebraucht wird (z. B. Sabalkanski, der Balkanübersteiger). Das Land Silesen (ältere Formen: Zelasna, Zelasen, Silasne), welches, ein Teil der Grafschaft Schwerin, sich in einem verhältnissmässig schmalen Streifen zwischen dem östlichen Seeufer und der Warnow hinzog, war also das Land jenseits des Waldes, und sein Name hat dieselben etymologischen Wurzeln, wie der des Landes Schlesien (Si-lesia), welcher zur Bezeichnung einer ähnlichen Begrenzung und Lage dient. Leetzen aber, an der Westgrenze des Landes Silesen gelegen, ist der Ort am Walde, und es ist, bei dem häufigen Vorkommen gleicher lokaler Bedingungen in früherer Zeit, anzunehmen, dass auch manchen andern mecklenburgischen Ortschaften (Lehsen, Lehsten, Leisten, Leitzen, Schlesien) die waldige Umgebung oder die Nähe eines grossen Waldes den Namen gegeben hat.

Die Herren von Halberstadt (vergl. Grambow) erwarben seit dem vierzehnten Jahrhundert von ihrem Sitze Lütken-Brütz (Brüsewitz) bei Schwerin aus zahlreiche Güter auf beiden Seiten des Schweriner Sees. Auf der Ostseite desselben besassen sie Langen-Brütz mit Pertinenzen in Godern, dem Richenberger Kruge und Hebungen aus der Richenberger Mühle, und Leetzen mit den Pertinenzen Pansdorf und Görslow nebst dem adeligen Hofe in dem gemeinschaftlichen Dorfe Barnin, dem adeligen Anteil des Dorfes Zietlitz und dem (nach Barnin gehörigen) wüsten Hofe in Ruthenbeck. Im Jahre 1666 erlangten sie vom Herzog Christian Louis über die beiden genannten Hauptgüter ein Allodialitäts-Diplom. Zwar wurde die allodiale Qualität später (1714) angefochten, indem der Fiscal die von Halberstadt'schen Erben wegen Caducität des Lehns verklagte. Als jedoch letztere eine Abschrift des Allodial-Briefes vorzulegen im Stande waren, wurde dem Verfahren sogleich Einhalt getan.
      In den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts geriet der Kammerjunker von Halberstadt in Vermögensverfall. Die gesamten eben genannten Besitzungen wurden zur Taxe von 42,090 Thlrn. den Gläubigern überlassen und von diesen in dem am 15. September 1744 vor der Schweriner Justizkanzlei abgehaltenen Subhastations-Termine meistbietend verkauft. Als Kauflustige traten nur der Geheimrat Hieronymus Wigand von Laffert aus Hamburg und der Hauptmann von Oertzen auf Gorow auf. Die Güter wurden zu 45,000 Thlr. eingesetzt und nach Bot und Überbot dem Geheimerat von Laffert zu 50,000.ThIr. zugeschlagen.


Der Geheimerath Hieronymus Wigand von Laffert war der zweite SoJm des königlich großbritannischen und kurfürstlich hannoverschen Geheimen Kammer- und Regierungsrats Hieronymus Wigand von Laffert (geb. am 21. September 1659, gest. am 6. December.1728), eines angesehenen Juristen seiner Zeit, mit welchem dieses alte, im Lüneburgischen seit Anfang des vierzehnten Jahrhunderts urkundlich nachweisbare Geschlecht sich durch Erwerbung des Gutes Lehsen (1690) zuerst in Mecklenburg angesessen gemacht hatte. Der jüngere Hieronymus Wigand war der Oheim des Oberhauptmanns Gotthard Leonhard von Laffert (gest. 1789), von welchem die jetzt in Mecklenburg bestehenden Häuser dieses Geschlechts abstammen. Die ehemalige von Halberstadt'sche Begüterung war jedoch nur vorübergehend im von Laffert'schen Besitze. Der Geheimrat von Laffert, welcher 1756 die erkauften Stücke von Barnin, Zietlitz und Ruthenbeck gegen 7 fürstliche Bauern in Langen-Brütz vertauscht und südöstlich von dem Hofe Leetzen den Nebenhof Neu-Leetzen angelegt hatte, hinterliess bei seinem Tode 1769 die Güter seiner einzigen Tochter Juliane, welche mit dem Hof- und Canzleirath, nachmaligen Oberhauptmann etc. von Laffert verheiratet war. Diese verkaufte im Jahre 1782 die Güter Langen-Brütz und Leetzen an den Gerd Carl von Dessin auf Wameckow und Stieten, aus einem zwar jetzt nicht mehr in Mecklenburg angesessenen, aber früher in den Ämtern Crivitz (Tessin, Lütken-Dessin), Grevismühlen, Lübz und Plau begüterten, schon im dreizehnten (bei v. Behr 1285) und öfter im vierzehnten Jahrhunderte urkundlich erwähnten Geschlechte.

Leetzen kam am 5. Mai 1791 von den v. Dessin'schen Erben in den Besitz eines der bekanntesten mecklenburgischen Güterhändler damaliger Zeit, des Kammerraths Otto Conrad von Hahn auf Damerow etc., dessen bei Charlottenthal (im ersten Doppelhefte) bereits Erwähnung geschehen ist. Schon am nächsten Tage hatte dieser die Pertinenz Pallstorf an den Matthias Franz von Bülow auf Vorbeck wiederverkauft und darüber eine Punctation mit ihm errichtet. Da sich jedoch gleich anfänglich über die zwischen beiden Gütern zu bestimmenden Grenzen und die Zubehörigkeit einzelner Studie zum Hauptgute oder zur Pertinenz Missverständnisse zwischen beiden erhoben, welche die Theilbarkeit der Güter erschwerten, so entschloss sich der Käufer, auch Leetzen mit zu erwerben (October 1791). Der Kaufpreis für Leetzen mit Paustorf war 62,000 Thlr. N 2/3.

Die Kammer-Präsidentin Friederike von Dorne, geborne Waitz Freiin von Eschen (Wittwe des am 11. März 1806 verstorbenen Geheimenraths Ludwig von Dorne auf Klein-Krankow, Kammerpräsidenten und Oberkammerherrn), kaufte 1820 aus dem v. Bülow'schen Concurse das Gut Leetzen mit Panstorf und verkaufte es zu Johannis 1836 für 97,000.Thlr. N 2/3 an den Oekonomen Carl Detlef Evers, der dasselbe seit 1826 in Pacht hatte. Dieser liess durch den Landbaumeister Jatzow das jetzige Haus Leetzen erbauen, das mit seinem weissen Gemäuer und seinen zierlichen Seitenthürmchen dem Auge einen hübschen Ruhepunkt am Ufer des Schweriner Sees bietet, und hinterliess das Gut bei seinem am 27. Mai 1854 erfolgenden Ableben seinen Erben, welche es am 20. Januar 1860 für 331,600.Thlr. an den jetzigen Besitzer, Herrn Ludwig Diestel auf Grossenhof zu Plüschow, verkauften.